Es war fast der letzte Punkt auf der Tagesordnung der Ratsversammlung am 15. März: (Ö 18.32 „Beauftragung einer Beratungsleistung zur Begleitung des Modernisierungsprojektes VTA 2030+“). Dieser Punkt wurde gar nicht diskutiert bzw. verschoben, obwohl es hier ans Eingemachte geht. Denn dass es in der Arbeit des riesigen Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA) knirscht und funkt, das wird in so gut wie jeder Ratsversammlung sichtbar.

Die Prioritätenlisten für den Straßen- und Brückenbau werden gestreckt, gedehnt und immer weiter verschoben, obwohl der Handlungsbedarf riesengroß ist. Als der Stadtrat mit dem Nahverkehrsplan 2019 Erweiterungen im Streckennetz der LVB beschloss, stellte sich heraus, dass es nicht einmal Vorplanungen für die wichtigsten Strecken gibt. Dem Stadtrat zugesagte Vorlagen zu wichtigen Straßenprojekten werden nicht fertig, weil irgendwo im Amt die Kommunikation nicht stimmt.

Selbst den Sofortmaßnahmen aus dem Sofortprogramm des OBM zum Klimanotstand droht eine Verläpperung über mehrere Jahre, weil entweder die Planer fehlen oder diese anderswo eingesetzt sind. Genau ist das nie zu erfahren, nur dass man mittlerweile hört, dass die benötigte Planabteilung für den Radverkehr, die es über Jahre auch nicht gab, inzwischen besetzt ist.

Flexibilität dringend gesucht

Aber alles Schimpfen und Drängeln nutzt ja nichts, wenn die internen Arbeitsabläufe nicht stimmen.

Und dass es da irgendwo in dem riesigen Amt stockt und knirscht, hat auch der Oberbürgermeister längst mit Stirnrunzeln registriert. Auch wenn für ihn die Dysfunktion genauso wenig zu greifen ist wie für alle Außenstehenden, die sich nur jedes Mal wundern, dass überfällige Straßenplanungen nicht fertig werden und insbesondere beim Radverkehr eine Unwilligkeit zu spüren ist, die scheinbar davon erzählt, dass hier ein ganzes Amt nicht aus den Denkmustern des Autozeitalters herauswill.

Oder kann.

Obwohl Planer inzwischen genug eingestellt wurden.

Aber das Autozeitalter geht zu Ende. Und das nicht nur, weil ein russischer Diktator einen Krieg gegen ein friedliches Nachbarland entfesselt hat und dabei glaubt, über seine Öl- und Gaslieferungen den Westen erpressen zu können. Eine Erpressbarkeit, die viel geringer wäre, hätten deutsche Städte wie Leipzig vor zehn Jahren tatsächlich konsequent mit dem Umbau des Mobilitätsnetzes begonnen.

Der Druck ist nun noch einmal deutlich gewachsen.

Auch im Stadtrat gab es damals schon entscheidende Weichenstellungen. Aber sie verglühten im Kosmos des VTA, als wären sie völlig substanzlos.

Aber was ist da wirklich los? Das will auch OBM Burkhard Jung nur zu gern wissen. Und er will es auch ändern. Aber das überlässt er nicht der eigenen Verwaltung, sondern beauftragt damit eine außenstehende Agentur, die Worknext GmbH & Co KG Dresden, die die Organisation des Verkehrs- und Tiefbauamtes untersuchen soll und damit die Basis schaffen soll für die „Umsetzung einer Soll-Konzeption für die künftige Aufbau- und Ablauforganisation“ des VTA.

Diese Umorganisation soll bis April 2023 erfolgen.

Dringender Handlungsbedarf für die Mobilitätswende

Dass die Sache nicht ganz neu ist, steht dann in der Beauftragung, denn dass der Koloss VTA umorganisiert werden muss, ist für Jung schon seit 2020 klar: „Seit Mitte 2020 besteht für das VTA die Aufgabe, seine Organisationsstrukturen grundlegend zu untersuchen und zu überarbeiten. Dabei sollen Fragestellungen zur Aufbau- und Ablauforganisation, Aufgabenkritik, Personalbedarfsermittlung und Geschäftprozessoptimierung bearbeitet werden. Anlass ist die anstehende Umsetzung der im Jahr 2018 beschlossenen Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig.“

An der klemmt es ja allerenden. Und das, obwohl das VTA beteiligt war bei der Erarbeitung der Mobilitätsstrategie und auch die Zahlen geliefert hat für das nachhaltige Mobilitätskonzept, das der Stadtrat 2018 beschloss.

Aber mit der konkreten Umsetzung hapert es seitdem gewaltig.

„Agiler und effizienter“ müsse die Zusammenarbeit im Bereich Verkehrswesen werden, heißt es da.

„Die derzeit laufende Organisationsuntersuchung des Verkehrs- und Tiefbauamtes der Stadt Leipzig dient dazu, die Verwaltungsstruktur auf die künftigen Anforderungen anzupassen. Zusätzlich zur Struktur werden auch die Aufgaben und Prozesse untersucht. Bislang konnten im Rahmen einer durch das Hauptamt der Stadt Leipzig durchgeführten IST-Analyse erste Schwachstellen und Problembereiche identifiziert werden“, kann man da lesen.

Denn natürlich sollen „Die Kolleg/-innen aktiv in die Erarbeitung des SOLL-Konzeptes“ einbezogen werden „und damit Akzeptanz für künftige Entscheidungen zu Strukturen und Abläufen“ generiert werden.

„Zudem gibt es einige Themen, für die sich aus der ‚Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig‘ nebst ‚Rahmenplan zur Umsetzung‘ neue Handlungsbedarfe für das VTA ergeben, welche im Rahmen der Workshops bearbeitet wurden. (…) Das SOLL-Konzept liegt gegenwärtig im Entwurf vor.“

195.517 Euro kostet die Beauftragung, die noch im Sommer in ein Change-Konzept münden soll. Das Hauptamt unterstützt dabei das VTA, das den Umorganisationsprozess aus eigenen Kräften nicht leisten könnte. Immerhin darf ja die eigentliche Arbeit in der Zeit nicht komplett zum Erliegen kommen.

Bis auf zehn Stadträte, die sich am 15. März der Stimme enthielten, stimmte die Stadtratsmehrheit der Vorlage zu. Der Umbau des VTA kann gestartet werden.

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Es gibt 5 Kommentare

Eine externe Meinung mag gut sein, wenn sie in der Kürze der Zeit auch fundiert ist und die Mitarbeiter diese auch akzeptieren.
Allgemeines Blabla über Prozesse wird nicht helfen, hier muss richtig tief (fachlich) eingestiegen werden. Und da bezweifle ich die Kompetenz einer externen Allerwelts-Coaching-Firma.

Angenommen es würde so schnell gehen: Dann hat man immer noch eine externe Meinung, um Rückenwind für interne Änderungen zu bekommen. Ich finde das eine gute Idee.

Eine externe Coaching-Firma soll es also richten.
Und die hat dann ein Konzept bis zum Sommer?
Wenn es denn wirklich so einfach ist, kann man sich schon fragen, wieso das Amt es die letzten Jahre nicht selbst hinbekommen hat. Für das Geld hätte man dann auch einen festangestellten “Coach” haben können.

Die teuer bezahlte Arbeit des Amtes ist also im Ergebnis so ineffektiv und dysfunktional, daß man wiederum noch mehr Geld in die Hand nehmen muß, um herauszufinden, was denn da eigentlich nicht stimmt?

Das ist ja in etwa so, als würde ich im Restaurant auf mein Menu wartend den Koch dabei beobachten, wie er in die Nachbarkneipe sprintet und von dort mein Gericht holt –weil er zu blöd zum kochen ist.
Und anschließend wird eine happige Rechnung präsentiert!

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