Es ist mehr als nur Geschirr, was der russische Autokrat Wladimir Putin mit seinem Überfall auf das Nachbarland Ukraine zerschlagen hat. Er hat damit auch all die diplomatischen Bemühungen zerrissen, mit denen auch Deutschland versucht hat, Russland in eine friedliche Weltgemeinschaft einzubinden. Den Krieg nahm die Leipziger SPD-Fraktion zum Anlass, auch ein Ende der Zusammenarbeit der Stadt mit dem Russischen Konsulat in Leipzig zu fordern.

Ein Ansinnen, dem die Stadt nur zum Teil folgen würde.

„Die Stadt Leipzig beendet bis auf Weiteres jede protokollarische und freiwillige Zusammenarbeit mit dem russischen Generalkonsulat. Gleichzeitig engagiert sich die Stadt verstärkt für den kulturellen und friedlichen Austausch mit russischen und ukrainischen Initiativen und Menschen in Leipzig und stellt dafür im Jahr 2022 überplanmäßig 50.000 Euro bereit“, hatte die SPD-Fraktion beantragt.

Und das auch sehr deutlich begründet: „In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass ein Konsulat jeweils die nicht unabhängige Einrichtung einer Regierung und diplomatischen Vertretung eines Landes ist. Die mit der Einrichtung eines Konsulats verbundenen Ziele zum freundschaftlichen, diplomatischen, kulturellen und wirtschaftlichen Austausch der Völker werden von der aktuellen russischen Regierung jedoch nicht mehr glaubwürdig verfolgt.“

Und weiter, so die SPD-Fraktion: „Die russische Regierung, die das Konsulat betreibt, stellt sich gegen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Diplomatie und friedliches Zusammenleben von Menschen. Die weitere Zusammenarbeit mit der Vertretung einer solchen Regierung widerspricht unseren eigenen, höchsten Werten und gesellschaftlichen Zielen. So ist es beispielsweise unerträglich, dass das Generalkonsulat auf seiner Internetseite die Kriegspropaganda seiner Regierung und Rechtfertigungen zum völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine verbreitet.“

Das Gespräch aufrechterhalten

So weit aber will Leipzigs Stadtverwaltung nicht mitgehen. Denn bei einigen Vorgängen zu den Angelegenheiten russischer Staatsbürger ist die Zusammenarbeit unerlässlich. In Leipzig leben über 9.700 Menschen, die aus der Russischen Konföderation in die Stadt gekommen sind, fast 3.300 davon nach wie vor mit russischer Staatsbürgerschaft.

Und die Zahl dürfte in nächster Zeit noch deutlich steigen, weil der verschärfte Kurs der russischen Regierung auch viele Menschen außer Landes treibt, die unter diesen Bedingungen nicht mehr arbeiten können und nicht mehr leben möchten.

Während die Stadt die protokollarische Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat der Russi­schen Föderation schon beendet hat und „als Protestnote gegenüber der russischen Regierung und ihrer Politik, nicht aber gegenüber der russischen Zivilbevölkerung“ versteht, tut sie sich mit einem Kontaktabbruch schwer.

Sie begründet es so: „Neben den konsularischen Angelegenheiten ist die Stadt weiterhin mit dem Russischen Generalkonsulat im Austausch zu politischen Fragen und aktuellen Entwicklungen. Aus einer Haltung des Nicht-Kommunizierens entstehen Missverständnisse, Ressentiments und letzt­lich Hass. Im Sinne der friedlichen Lösung von Konflikten und einer offenen, diskursiven Gesellschaft ist die Aufrechterhaltung des Austauschs – bei einem klaren und kompromiss­losen Eintreten für Frieden, Demokratie, Menschenrechte und das internationale Völkerrecht – weiterhin erforderlich.“

Und den Kontakt halten muss man ja auch, wenn es um elementare Angelegenheiten russischer Staatsbürger in Leipzig geht. Sie sind ja nicht selbst Kriegspartei, nur weil ihr Präsident vom Kriegsfuror gepackt wurde.

„Für die Aufrechterhaltung der Betreuung konsularischer Angelegenheiten von russischen Staatsbürgern in Leipzig bleibt es unerlässlich, dass die Leipziger Stadtverwaltung weiterhin zu diesen Themen mit dem Russischen Generalkonsulat im Rahmen der Pflichtaufgaben zusammenarbeitet (z. B. Standesamt, Beurkundung, Auskunftsersuchen, Heirat und Todesfälle, Rechtshilfeersuchen, Pflege und Erhalt von Grabstätten von Krieg und Gewaltherrschaft), denn russische Staatsbürgerinnen und russische Staatsbürger haben ein Anrecht auf die Wahrung ihrer Interessen“, betont die Verwaltung.

„Rechtsgrundlagen hierfür ergeben sich aus: § 12 Abs. 1 GräbG i. V. m. § 8a Abs. 1 SächsBestG, Friedhofssatzung der Stadt Leipzig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund von Vorkommnissen mit diskriminierendem oder übergriffigem Charakter gegenüber russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern.“

Die Beendigung der protokollarischen Zusammenarbeit mit dem Konsulat sei sowieso schon erfolgt: „Einstweilig wird die konsularische Vertretung der Russischen Föderation für Sachsen und Thüringen in Leipzig nicht zu städtischen Veranstaltungen eingeladen.“

Unterstützung für den friedlichen Austausch

Während die Verwaltung dem Punkt zum „kulturellen und friedlichen Austausch mit russischen und ukrainischen Initiativen und Menschen in Leipzig“ sehr wohl zustimmen kann: „Die Stadt Leipzig berücksichtigt innerhalb der bereitgestellten Projektfördermittel in besonderer Weise Initiativen, die sich für den kulturellen und friedlichen Austausch mit russischen und ukrainischen Initiativen und Menschen in Leipzig einsetzen.“

Die Freibeuter Fraktion hat dann noch einen Änderungsantrag nachgeschoben, auch die freiwilligen Kontakte zu unterlassen. Aber da spricht auch ein gewisser Rigorismus, der in letzter Zeit die mediale Debatte über die deutsche Sicht auf den Krieg deformiert hat.

Was sich ja insbesondere mit all den Vorwürfen verbindet, die gerade gegenüber SPD-Politikern geäußert wurden, die sich seit Jahren um eine friedliche Verständigung mit der russischen Regierung bemüht haben. Als wäre das ein Fehler gewesen, weil sie scheinbar den finsteren Charakter Wladimir Putins nicht erkannt hätten.

Aber wer diese Wege zur friedliche Koexistenz nicht einmal versucht, gibt schon von vornherein der Denkweise von Autokraten recht, die ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen, wenn sie nur die Gelegenheit dazu finden. Es ist Russlands Regierung, die sich in eine zunehmende Isolierung hineinmanövriert hat, nicht die deutsche.

Man kann zwar Diplomaten ausweisen, um ein politisches Statement zu setzen. Aber der Abbruch aller Kommunikation ist auch aus Sicht der Leipziger Stadtverwaltung keine Option:

„Die Bundesregierung hat die Kontakte zur Botschaft der Russischen Föderation einge­schränkt und diplomatisches Personal ausgewiesen. Ein weiteres Arbeiten der Botschaft im Rahmen des ‚Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen‘ wird gewährleistet. Unter gleichem Vorzeichen agiert die Stadt Leipzig in ihrem Zusammen­wirken mit dem Generalkonsulat der Russischen Föde­ration auf der Rechtsgrundlage des ‚Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen‘ (WÜK) vom 24. April 1963.“

Danach hätte selbst ein Abbruch diplomatischer Beziehungen nicht ohne Weiteres die Beendigung konsularischer Beziehungen zur Folge.

Ort der Meinungsäußerung

Zugleich ist das Russische Konsulat an der Turmgutstraße 1 zu einem Ort der Meinungsäußerung geworden.

Auch wenn es, wie am 3. Mai 2022, dem Tag der Pressefreiheit, der Generalkonsul Andrej Yurevich Dronov offenbar nicht hören wollte und für zwei Tage das Konsulat schloss, demonstrierten hier drei Landesverbände des Deutschen Journalistenverbandes gegen die teils gezielten Tötungen von Journalistinnen in der Ukraine durch die russische Armee.

Dabei warfen sie nicht nur einen Protestbrief in den Postkasten des Generalkonsulats, sondern verlasen alle Namen der bislang neun toten Kolleg/-innen, welche teils trotz deutlicher Pressekennzeichnung von der russischen Armee getötet wurden. Ob gewollt oder nicht: ein Zeichen, welches man im Konsulat trotz verschlossener Türen nicht übersehen konnte.

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