Am Anfang stand ein Aufruf der Linkspartei: Unter dem Motto „Heißer Herbst gegen soziale Kälte – Energie und Essen müssen bezahlbar sein!“ ruft Die Linke seit Tagen zu einer Demo am kommenden Montag auf dem Augustusplatz auf, allen voran der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann. Mittlerweile mobilisieren auch die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Freien Sachsen“ für Montagabend nach Leipzig.

In ihrem Telegram-Kanal, den knapp 150.000 Menschen abonniert haben, teilten die Freien Sachsen am Mittwochabend ein Demonstrationsaufruf mit dem Slogan „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“.

Darin wird auf den ersten Blick fälschlicherweise suggeriert, dass Sören Pellmann und Gregor Gysi gemeinsam mit extrem rechten Rednern auf einer Bühne stehen werden. Die beiden Linken-Politiker gehen nun juristisch gegen den Aufruf der Freien Sachsen vor, wie u. a. die „taz“ heute berichtet.

„Die Panik muss groß sein bei den Rechten, wenn sie sich unter den Rock der Linken verkriechen wollen“, zitiert die „taz“ Sören Pellmann am Donnerstag.

Weitere rechte Telegram-Kanäle teilten den Aufruf, unter anderem der „Sturmzeichen“-Verlag des verurteilten Neonazis Sascha Krolzig, dem über 3.700 Menschen folgen. Nicht nur der Titel des Aufrufs suggeriert, dass die Linkspartei und die Freien Sachsen am Montag gemeinsame Sache machen.

Freie Sachsen suggerieren gemeinsame Rednerliste mit der Linkspartei

Der Mobilisierungstext der Freien Sachsen beinhaltet eine Auflistung von Rednern, darunter Linken-Urgestein Gregor Gysi und Sören Pellmann. Ihre Namen reihen sich in eine Liste namhafter neurechter Persönlichkeiten wie „Compact“-Herausgeber Jürgen Elsässer, Sachsen-Anhalts Ex-AfD-Vorsitzender André Poggenburg und Freie Sachsen-Chef Martin Kohlmann. Auch Zeit (19 Uhr) und Ort (Augustusplatz) sind deckungsgleich mit dem angekündigten Aufzug der Linkspartei.

Aus dem Posting der Freien Sachsen geht auf den ersten Blick nicht klar hervor, dass Gregor Gysi und Sören Pellmann nicht für die Freien Sachsen sprechen werden – im Gegenteil, die Aufzählung in der Mobilisierungsgrafik erweckt den Eindruck, dass die beiden Linken-Politiker am Montag am Mikrofon der rechtsextremen Partei ihre Reden halten werden.

In ihrem Ankündigungstext unterstreichen die Freien Sachsen zwar ihre Vorbehalte gegen die Linkspartei, angesichts der Energie- und Sanktionspolitik der Regierung und vor dem Hintergrund der gemeinsamen Oppositionsposition sei es aber angebracht, „gemeinsam auf der Straße zu stehen“. Die Freien Sachsen sprechen von einer „breiten Bürgerallianz“, die auch von vielen Anhänger/-innen der Linkspartei in der aktuellen Lage herbeigesehnt werde.

Nachdem die Freien Sachsen im vergangenen Jahr – in Anlehnung an die Montagsspaziergänge der Friedlichen Revolution 1989/90 – regelmäßig „Spaziergänge“, vermeintlich gegen die Corona-Maßnahmen, in ganz Sachsen initiierten, beschwören sie mit demselben Narrativ nun also erneut einen „sächsischen Bürgerprotest“ vor dem Hintergrund von Inflation und Energiekrise herauf. Dabei suchen sie nach eigener Aussage „den Schulterschluss mit allen gutmütigen Mitstreitern, quer durch alle politischen Lager der Opposition“.

Pellmann: „Kein Fußbreit den Faschisten!“

Die anderen Lager der Opposition strampeln derweil mehr oder weniger heftig, um das Narrativ des Schulterschlusses abzuschütteln. Als Reaktion auf den Versammlungsaufruf der Freien Sachsen ergänzte Sören Pellmann gestern am späten Abend den Mobilisierungstext der Linkspartei um einen ausführlichen Abgrenzungstext.

„Der Konsens für unsere Demonstration am 5. September in Leipzig lautet: Alle demokratischen Kräfte versammeln sich solidarisch“, heißt es darin. „Rassisten, Neonazis und Demokratiefeinde haben bei uns nichts zu suchen!“

Die Freien Sachsen werden weder in der Zusatzerklärung noch in Pellmanns Tweet explizit erwähnt.

Die sächsische Linken-Politikerin Kerstin Köditz, Abgeordnete im sächsischen Landtag, sprang Pellmann heute Vormittag bei und unterstrich ebenfalls, dass auf der Linken-Demo am Montag in Leipzig keine Neonazis erwünscht seien.

Im Gegensatz zu Pellmann nennt sie die Freien Sachsen beim Namen: „Wer die Propaganda der Freien Sachsen für bare Münze nimmt und verbreitet, handelt verantwortungslos“, schreibt Köditz. Am Montag gelte selbstverständlich das Motto „Kein Fußbreit den Faschisten“.

Der Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek ärgerte sich heute ebenfalls über die Schulterschluss-Erzählung der Freien Sachsen und die damit einhergehende Aufmerksamkeit für die rechte Verschwörungspartei aus Chemnitz. „Dabei geht es ihnen nicht um Themen, sondern um die Vertiefung gesellschaftlicher Gräben“, sagt Kasek.

Debatte um Sahra-Wagenknecht-Auftritt und Wahl des Wochentags

Tief sind auch die Gräben innerhalb der Linkspartei, das zeigten die Tage nach dem Demonstrationsaufruf. Wie am Montag bekannt wurde, war die umstrittene Genossin Sahra Wagenknecht anscheinend zuerst von Sören Pellmann als Rednerin nach Leipzig eingeladen worden, dann wieder ausgeladen.

Das berichtete die „Welt“. Und auch über die Wahl des Wochentags wird debattiert, denn ein Aufzug in Leipzig an einem Montagabend ist selten zufällig gewählt.

Einige linke Stimmen halten es für eine sehr schlechte Idee, die Montagsdemo-Tradition in Leipzig wieder von links beanspruchen zu wollen, nachdem diese seit 2014 von Legida und seit 2020 von der rechten Bürgerbewegung, der Bewegung Leipzig und Querdenken hingebungsvoll gepflegt wurde. Weiterhin wird Pellmann und Co. auf Social Media vorgeworfen, mit einer Mobilisierung von rechts kalkuliert zu haben, um Aufmerksamkeit und mehr Demo-Zulauf zu generieren.

Stand Donnerstagmittag sind laut der Leipziger Versammlungsbehörde für Montag vier Aufzüge und drei Kundgebungen angemeldet, wie LZ-Autor René Loch auf Anfrage erfahren hat. Der Versammlungstitel, den die Freien Sachsen für ihre Kundgebung bei der Stadt Leipzig angegeben haben, lautet: „Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von Sören Pellmann und der Linken – Gemeinsam gegen die da oben“.

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