Schon in den ersten Ratsversammlungen in diesem Jahr war es Thema: Die Bundesarbeitsagentur hatte die Mittel für den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt drastisch zusammengestrichen. Um satte 60 Prozent. Das ist ein Betrag, den eine Kommune wie Leipzig nicht einfach mal ausgleichen kann. Mit der Konsequenz, dass mit Jahresbeginn ein ganzes Programm der Arbeitsmarktintegration zu enden drohte. Was kann da ein Stadtrat noch bewirken?

Die Grünen-Fraktion, für die am Mittwoch, dem 19. April, Monika Lazar sprach, beantragte jedenfalls, dass sich die Stadtverwaltung kümmern sollte bei den Bundesinstanzen, dass doch wieder Geld für diese Arbeitsmarktinstrumente fließt. Denn gerade im Kommunalen Eigenbetrieb Engelsdorf (KEE) hat sich das Ganze bewährt, haben viele der in die geförderten Stellen vermittelten Personen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt geschafft.

Und die Stellungnahme der Stadt war auch nicht abschlägig. Einen Teil der bisher geförderten Stellen kann die Stadt sogar erhalten, meldete das Wirtschaftsdezernat in seiner Stellungnahme zum Grünen-Antrag: „Die Trägerversammlung gestaltet auf Basis SGB II seit Jahren in gemeinsamer und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Leipzig den zweiten Arbeitsmarkt. Diese Entscheidung wurde insbesondere aufgrund eines damals nicht aufnahmefähigen Arbeitsmarktes getroffen.“

Der Verwaltungsstandpunkt zum sozialen Arbeitsmarkt.

Was ja in Zeiten eines Arbeitsmarktes, auf dem die Fachkräfte fehlen, scheinbar überflüssig ist. Und was die massiven Kürzungen der Bundesarbeitsagentur zur Folge hatte.

Doch ganz fallen die Stellen nicht weg: „Das Jobcenter Leipzig plant für 2023 die Fortführung der 385 laufenden Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von § 16 i SGB II, 14 neue Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 16 i SGB II und 10 neue Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen § 16 e SGB II. Dieses bisher bis 31.12.2023 befristete Instrument (§16 i SGB II) wurde mit der Einführung des Bürgergeldgesetzes entfristet.

Den Jobcentern wurde damit die Möglichkeit gegeben, auch weiterhin Langzeitarbeitslose bei Bedarf über dieses Instrument zu fördern und auf eine Integration auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten“, so das Wirtschaftsdezernat.

Das aber auch auf das Argument hinweist, mit dem die Kürzungen begründet wurden: „Im Dezember 2022 waren zwar rund 9.700 freie Stellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet, die es zu besetzen gilt. Dennoch gibt es Menschen, denen ohne eine Förderung der direkte Weg in ein Arbeitsverhältnis im ersten Arbeitsmarkt nicht gelingt. Daher setzt sich die Stadt Leipzig für eine Weiterführung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes ein.“

Freie Stelle bedeutet noch nicht Jobchance

Denn freie Stellen heißen nun einmal nicht, dass die Bewerber diese auch bekommen, wenn ihnen die schulischen und fachlichen Voraussetzungen fehlen. Es sind eben nicht alles Jobs für Ungelernte oder für Menschen, die aus anderen Gründen schwer in Arbeit vermittelbar sind.

Aber in Reaktion auf den Grünen-Antrag betonte das Wirtschaftsdezernat: „Die Stadt Leipzig bekennt sich zu einem öffentlich geförderten, zweiten Arbeitsmarkt.“ Und: „Die Stadt Leipzig fordert das Jobcenter Leipzig auf, hierfür insbesondere die Instrumente gemäß §§ 16 e und i SGB II in bisheriger Größenordnung (450 Stellen für Leipzig) zu nutzen.“

Also dieselbe Zahl an Stellen, wie sie 2022 zur Verfügung standen und – wie Linke-Stadträtin Marianne Küng-Vildebrandt betonte – auch in voller Zahl besetzt wurden. Der Bedarf ist also da.

Werden die Stellen tatsächlich besetzt?

Die Linksfraktion hatte extra noch einen eigenen Änderungsantrag gestellt, denn dort möchte man gern zeitnah wissen, ob Leipzig wirklich die Möglichkeiten des sozialen Arbeitsmarktes nutzt: „Der Oberbürgermeister informiert den Stadtrat bis Ende Juni 2023 über die mit der Bundesregierung geführten Verhandlungen und erzielten Ergebnisse zur Umsetzung des Beschlusspunktes zwei und drei.

Zudem berichtet der Oberbürgermeister, über die konkreten Aktivitäten, die er mit dem Jobcenter unternommen hat, um geförderte Stellen in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben zu schaffen und zu erhalten. Hierbei setzt sich der OBM dafür ein, dass keine Umschichtung mehr aus dem Eingliederungshaushalt in den Verwaltungshaushalt erfolgt.“

Monika Lazar, die den Antrag für die Grünen begründete, stellte dann freilich den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung, übernahm aber auch den Linke-Antrag.

Im Verwaltungsstandpunkt gibt es auch noch den Antragspunkt: „Gegenüber der Bundesregierung wird sich die Stadt Leipzig für eine auskömmliche Finanzierung der oben genannten Instrumente einsetzen und dafür, die Öffnung für weitere Langzeitarbeitslose zu prüfen.“

Eine Diskussion gab es dann gar nicht mehr, auch wenn die konservativen Fraktionen im Stadtrat wie selbstverständlich wieder dagegen stimmten.

Aber eine Mehrheit von 36:21 Stimmen begründete dann den Auftrag an die Verwaltung, sich wirklich um die auskömmliche Finanzierung der Stellen zu kümmern, die gerade für Menschen mit besonders hohen Hürden bei der Arbeitsplatzsuche ein sinnvolles Mittel sind, ihnen dabei eine erste Tür zu öffnen.

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