Eine regelrecht berührende Rede hielt am 24. Januar Clemens Meinhardt vom Stadtbezirksbeirat Südost für Anna Catharina Elisabeth Heinicke, die bis vor Kurzem in Leipzig praktisch völlig vergessen war. Obwohl eine der bekanntesten Schulen in Leipzig den Namen ihres Mannes trägt: die Samuel-Heinicke-Schule, Förderschule für Hörgeschädigte. 1778 durch Samuel Heinicke gegründet. Doch den Platz vor der Schule an der Prager Straße wollte die Stadt nach Bertha von Suttner benennen.

Was dann den Stadtbezirksbeirat Südost auf den Plan rief und Clemens Meinhardt zu der Frage brachte, ob des denn keine Platzbenennung gebe, die mehr mit Leipzig zu tun hat.

Und am Ende war er selbst überrascht, als er das Leben von Anna Heinicke (1757–1840) erkundete, dass man mit ihr eine von den starken Leipziger Frauen vor sich hat, die ihr Leben selbst in die Hand nahm und sich nicht zurückzog, als ihr Mann gestorben war. Denn Anna wurde schon mit 32 Jahren Witwe und entschloss sich, das Werk ihres Mannes fortzusetzen und tat das 38 Jahre lang, sodass die älteste Gehörlosenschule Deutschlands die Zeiten überdauerte.

Und als das klar war, war auch im Stadtbezirksbeirat klar, dass man zur geplanten Umbenennung des Platzes vor der Schule einen Änderungsantrag schreiben würde. Den Clemens Meinhardt am 24. Januar auch im Stadtrat vorstellte.

Und Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning, in dessen Dezernat auch die Straßenbenennungen bearbeitet werden, übernahm den Antrag nur zu gern in die Verwaltungsvorlage – wenn auch nicht mit allen Vornamen von Anna Heinicke, sonst würde das die Straßentafel sprengen.

Und dem folgte an diesem Tag auch fast der ganze Stadtrat mit 56 Stimmen, einer Gegenstimme und einer Enthaltung.

Für Bertha von Suttner würde sich ja noch anderswo im Stadtgebiet eine Straße finden, meinte Meinhardt noch.

Ein Platz für Livia und einer für Hinrich Lehmann-Grube

Wesentlich mehr Diskussionsbedarf hatte die Umbenennung eines Teils der Rossplatzes in Hinrich-Lehmann-Grube-Platz. Dazu flatterte noch am Vortag eine neue Petition ins Rathaus, die aber – so Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning – eben auf falschen Annahmen beruht, denn die Adressen am Kleinen Rossplatz (wo der Mägdebrunnen steht) sollen sich nicht ändern.

Die Petitionsschreiber fürchten also etwas, was gar nicht eintreten soll. Die Adresse soll weiter Rossplatz bleiben, auch wenn der Platz nun den Namen von Leipzigs erstem frei gewählten OBM nach der Friedlichen Revolution Hinrich Lehmann-Grube (1932–2017) bekommt.

Und den bekommt er auch. Dafür stimmten 48 Stadträtinnen, nur elf stimmten dagegen. Zuvor hatte SPD-Stadtrat Christian Schulze noch eine bewegende Rede auf Lehmann-Grube gehalten, der Leipzig in einer Zeit sachlich und einfühlsam verwaltete, als in allen, wirklich allen Bereichen überhaupt erst einmal wichtige Weichenstellungen erfolgten und der Stadtrat meist 15 Stunden tagte, „bis spät in die Nacht“.

Und vor allem sachlich debattierte. Was inzwischen betont werden muss. Insbesondere die Neue Messe und den City-Tunnel nannte Schulze, die beide in der Amtszeit von Lehmann-Grube aufs Gleis gesetzt wurden.

Etwas umstritten war auch die Benennung des zentralen Platzes im Waldstraßenviertel, der bislang nur im Volksmund den Namen Liviaplatz hatte. Das würde sich aber doppeln mit der Liviastraße, meinte Linke-Stadträtin Franziska Riekewald. Aber so sah es die Stadtratsmehrheit nicht: Mit 44: 11 Stimmen bekam der Liviaplatz jetzt ganz offiziell seinen Namen.

Die anderen Straßen- und Platzbenennungen gingen ohne Diskussion durch. Und verschoben wurde die Abstimmung über die Straßenbenennungen auch nicht, auch wenn das kurz im Raum stand.

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