Die Leiterin des Leipziger Sozialamts Martina Kador-Probst machte in den letzten Jahren Touren durch diverse Stadtbezirksbeiräte. Sie stand Rede und Antwort zu neuen Unterkünften für Geflüchtete. Dabei schlug ihr manchmal kaum Interesse, aber auch unverhohlener Hass, wie beispielsweise in Lindenthal, oder „nicht ganz positive Reaktionen“, wie in der Waldstraße, entgegen. Immer wieder gab es rechte Proteste und Mobilisierungen gegen die Unterkünfte.

Im letzten Jahr brachte die Stadt rund 3.000 neu zugewiesene Geflüchtete unter, aus Mangel an Wohnraum teilweise in beheizten Zelten oder Containern.

Vier solcher Notunterkünfte errichtete die Stadt im vergangenen Jahr. Bei einer Besichtigung der Zelte an der Kommandant-Prendel-Allee konnten sich Anwohner*innen und Interessierte ein Bild der Unterkunft machen. Es ist klar: Hier kann und möchte niemand gern und für längere Zeit leben.

Auch Martina Kador-Probst ist mit dieser Unterbringung nicht glücklich. Jedoch ist nicht absehbar, dass die Notunterkünfte abgelöst werden. Im Gegenteil: Die Stadt plant bereits eine neue Unterkunft für rund 600 Menschen in der Hohentichelnstraße.

Bei einer Sitzung des Stadtbezirksbeirats Nordwest, bei der Martina Kador-Probst Fragen zu einer neuen, kleineren Gemeinschaftsunterkunft in einem Wohnhaus beantwortet, äußert sie sich gegenüber der Leipziger Zeitung:

„Wir haben große Schwierigkeiten, die Notunterkünfte durch neue, besser geeignete Unterkünfte abzulösen. Solche Häuser wie die hier neu eingerichtete Unterkunft sind ein großes Glück für uns. Diese Wohnhäuser entsprechen der Strategie der Stadt Leipzig: Zuerst sollen die Personen in größeren Unterkünften ankommen, wo es Sicherheit und soziale Betreuung gibt, dann sollen die Personen in einer kleineren Unterkunft wohnen und schließlich im eigenen Wohnraum. Die Realität macht uns da allerdings einen Strich durch die Rechnung.“

Unterbringung „gar nicht optimal“

In den Notunterkünften gehe es den Menschen nicht gut, bestätigt Martina Kador-Probst: „Für das Ankommen und das Wohnen von Geflüchteten sind die Notunterkünfte natürlich gar nicht optimal, besonders nicht für Familien oder allein reisende Frauen mit oder ohne Kinder. Das ist eine große Schwierigkeit im Hinblick auf das Ankommen, das zur Ruhe kommen und auch für die Sicherheit.“

Ein selbstbestimmtes Wohnen für Geflüchtete ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Teils gibt es Gesetze, die Asylsuchenden vorschreiben, dass sie in einer Gemeinschaftsunterkunft leben müssen. Aber auch der generelle Wohnraummangel und weitere Barrieren machen den Menschen zu schaffen.

Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst. Foto: Sebastian Beyer (Archiv)
Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst. Foto: Sebastian Beyer (Archiv)

„Man muss es so deutlich sagen: Es liegt nicht immer am Einzelnen“, so Martina Kador-Probst. „Man hat es nicht immer in der Hand, ob man schon arbeiten darf. Auf bundesgesetzlicher Ebene gibt es viel Bewegung. Das ist aber von der Konsequenz aus unserer Sicht noch nicht da, wo es sein könnte. Natürlich sind Spracherwerb, Integrationskurse und weiteres die Basis, um ein Leben selbstbestimmt gestalten zu können. Die Personen haben es aber nicht immer selbst in der Hand, was sie tun oder wie sie sich entwickeln können.“

Frust der Anwohner*innen „kommt nicht aus dem Nichts“

Auch für den Frust, der teils in den Stadtteilen entsteht, habe Martina Kador-Probst Verständnis: „Manche Schule oder Turnhalle kommt nicht so schnell, wie man sich das wünscht, aber eine Geflüchtetenunterkunft wird sehr schnell eingerichtet. Da prallen Welten aufeinander und da muss man präsent sein und muss es erklären.“

Im kommenden Jahr rechnet die Stadt mit 3.000 weiteren, neu zugewiesenen Geflüchteten. Die Notunterkünfte werden also noch eine Weile bleiben.

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