Anwohner*innen in Leipzig-Lindenau haben am Donnerstag gegen einen Schornsteinfeger protestiert, der sich zu einem Termin bei ihnen angekündigt hatte – und 2016 am Angriff auf Connewitz beteiligt war. Außerdem ziehen die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv weitere Kreise – diesmal mit Bezug zu Leipzig. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 18. Januar 2024, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

„Wir wollen das nicht kommentarlos erdulden“: Nachbarschaft in Lindenau protestiert gegen rechten Schornsteinfeger

Auch acht Jahre nach dem sogenannten Überfall auf Connewitz hallt dieser in Leipzig nach: Am Donnerstagmorgen haben Anwohner*innen aus Lindenau gegen einen Schornsteinfeger protestiert, der sich bei einem Hausprojekt heute zur Begehung angekündigt hatte – und der am 11. Januar 2016 als Teil eines rechten Mobs im linksalternativen Stadtteil Connewitz eingefallen war. Er wurde nach Angaben der Anwohner*innen 2019 wegen schweren Landfriedensbruchs zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Kurz vor 9 Uhr versammelten sich heute ungefähr 50 Menschen vor dem Haus im Leipziger Westen, in dem eine sogenannte Feuerstättenschau anstand. Unter den Anwesenden waren die betroffenen Bewohner*innen und Menschen aus der Nachbarschaft. Sie machten mit Rufen und Plakaten deutlich, dass sie solch einen Schornsteinfeger nicht in ihren Häusern wollen.

Es sei problematisch, dass eine Person, die am Angriff auf Connewitz 2016 beteiligt war, mit behördlichen Befugnissen Zutritt zu Privaträumen eines Hausprojekts erhält, „das als links wahrnehmbar ist“, erklärte ein betroffener Bewohner gegenüber der LZ heute.

Neben dem Schornsteinfeger waren heute das Ordnungsamt und die Polizei vor Ort, um sicherzustellen, dass er Zugang zum Haus bekommt, außerdem ein Anwalt. Denn nachdem in der Nachbarschaft bekannt geworden war, dass es sich bei dem neuen Bezirksschornsteinfeger um einen der Connewitz-Angreifer von 2016 handelt, formierte sich Widerstand im betroffenen Kehrbezirk.

Einige Anwohner*innen versuchten es sogar auf behördlichem Weg, stellten einen Befangenheitsantrag bei der Stadt, der aber abgelehnt wurde. Stattdessen flatterte eine kostenpflichtige Duldungsverfügung mit Ankündigung von unmittelbarem Zwang ein – sollten die Anwohner*innen den Schornsteinfeger beim Termin nicht ins Haus lassen. Zudem stellten die Anwohner*innen einen Eilantrag am Verwaltungsgericht, der ebenfalls abgelehnt wurde.

Die Bewohner*innen beklagten gegenüber der LZ, dass sich die Behörden insgesamt unkooperativ gezeigt hätten, insbesondere die Landesdirektion Sachsen.

Die Begehung und der Protest verliefen ohne Zwischenfälle.

Ein ausführlicher Bericht folgt in Kürze auf l-iz.de.

Neonazi Mario Müller soll mit Gewalt gegen Lina E.-Kronzeugen geprahlt haben

Eine Woche nach der Veröffentlichung einer investigativen Recherche zu einem geheimen Treffen Rechtsextremer hat die Plattform Correctiv nun nachgelegt und weitere Details des Treffens bekannt gegeben – diesmal auch indirekt Leipzig betreffend.

Denn aus der neusten Veröffentlichung geht hervor, dass einer der Teilnehmer, der gewalttätige Neonazi Mario Müller, auf dem Treffen damit geprahlt haben soll, militante polnische Hooligans auf den späteren Kronzeugen im Lina E.-Prozess angesetzt zu haben.

Johannes D. – ein Autonomer aus dem früheren Umfeld von Lina E. – hatte, nachdem er durch einen sogenannten „Outcall“ aus der linksradikalen Szene in Deutschland verstoßen worden war, einen Neuanfang in der polnischen Hauptstadt Warschau gewagt. Im Verfahren gegen Lina E. und ihre Mitangeklagten am Oberlandesgericht Dresden sprach Johannes D. davon, dass Rechtsextreme ihn dort angegriffen hätten.

Mit diesem Angriff soll sich nun auch der Mario Müller von der Identitären Bewegung gebrüstet haben. Auf dem konspirativen Treffen soll er sogar so weit gegangen sein, zu behaupten, dass Johannes D. ohne seine „Outing-Aktivitäten“ niemals zum Kronzeugen im Lina E.-Prozess geworden wäre. Vor Gericht gab D. allerdings an, dass ein Potpourri aus verschiedenen Gründen ihn dazu bewegt hätten, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren.

Liest man die Correctiv-Story, so wird klar: Müller steckt extrem viel Zeit und Energie in den Kampf gegen Linke, sowohl online als auch offline. So soll er bei dem Treffen, sich unter Gleichgesinnten wähnend, erzählt haben, dass er Betreiber des Twitter-Accounts „Dokumentation Linksextremismus“ sei – ein reichweitenstarker rechter Account, der in der Vergangenheit immer wieder exklusive Daten über Linksradikale veröffentlicht haben soll.

Müller dementierte auf Anfrage von Correctiv-Anfrage sowohl, dass er den genannten Twitter-Kanal betreibe, als auch, dass er rechten Schlägern sensible Daten über Johannes D. durchgegeben habe.

Brisant ist an den neuen Veröffentlichungen vor allem, dass Müller durch seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt potenziell Zugang zu sensiblen Behördendaten und -dokumenten haben könnte. Auch das wies Müller auf Correctiv-Anfrage von sich.

Zudem wurde heute bekannt, dass neben dem Fraktionschef der AfD in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, auch der Geschäftsführer der Fraktion, Patrick H., an dem Geheimtreffen im November teilgenommen hatte. Das berichtet der MDR mit Berufung auf Videomaterial.

Immer mehr Widerspruch gegen die AfD

Die Correctiv-Recherche zieht währenddessen weiter ihre Kreise. In der heutigen Ausgabe der taz haben sich 49 Bundestagsabgeordnete für ein AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen, darunter beispielsweise der CDU-Politiker Marco Wanderwitz aus Sachsen, ehemaliger Ostbeauftragter der Bundesregierung. „Die AfD hat tausende Mitarbeiter, die vom Steuerzahler bezahlt 24 Stunden am Tag das Internet und die Parlamente mit rechtsradikalem Inhalt fluten“, zitiert ihn die taz. Die Gesellschaft brauche eine „Atempause für die Demokratie“.

Und die Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker, die ebenfalls an dem rechten Geheimtreffen teilgenommen hatte, hielt ihre Rede im Abgeordnetenhaus heute vor einem fast leeren Saal. Alle anderen Fraktionen hatten den Saal aus Protest verlassen, als Brinker ihre ersten Worte am Podium sagte. In der Plenarsitzung wurde heute unter anderem das Thema „Gemeinsam rechten Umsturzphantasien eine demokratische Mobilisierung entgegenstellen – Berlin bleibt offen, vielfältig und solidarisch“ behandelt.

Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat:

Freude beim Paulinerverein: Das Grabmal von Daniel Schmid auf dem Südfriedhof ist wieder heil

Höchste Zeit: Karl Lauterbach will die Notfallversorgung reformieren

Grünen-Antrag zu Cospudener See: Der Stadtrat hat da nichts mitzureden, meint die Stadt

Was heute noch wichtig war: Der ehemalige Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, und der frühere Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, haben heute das Bundesverdienstkreuz erhalten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrte die beiden in der Corona-Pandemie bekannt gewordenen Wissenschaftler bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue. Steinmeier sprach von einem Vertrauensverlust in die Wissenschaft während der Pandemie.

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