Rund fünfzig Menschen stehen am Donnerstagmorgen, dem 18. Januar, vor einem Hausprojekt im Leipziger Westen. Um die Ecke stehen mehrere Polizeiautos. Es schneit und ist kalt, trotzdem harrend die Personen fast zwei Stunden aus. Sie warten auf Christian S., den Bezirksschornsteinfeger, der für die Feuerstättenschau in besagtem Hausprojekt zuständig ist.

Denn: Christian S. ist nicht nur Schornsteinfeger, er war auch, so heißt es auf einem Flyer, am Angriff auf Connewitz am 11. Januar 2016, dem Jahrestag der ersten Legida-Kundgebung, beteiligt. Rund 250 bis 300 rechtsextreme Hooligans, Neonazis und rechte Kampfsportler zogen randalierend durch die Wolfgang-Heinze-Straße.

„Ich finde es problematisch, dass eine Person, die da (beim Angriff auf Connewitz 2016) dabei war, mit behördlichen Befugnissen Zutritt zu Privaträumen erhält, auch wenn die rechtlichen Möglichkeiten das hergeben“, so Karl, Bewohner des betroffenen Hausprojekts. „Als Hausprojekt haben wir versucht, uns mit einem Befangenheitsantrag dagegen zu wehren, weil wir sagen, dass wir jemandem, der bei einem Angriff auf so eine Lebensweise und einen alternativen Stadtteil dabei war, nicht zutrauen, dass er bei uns in einem Hausprojekt, das als links wahrnehmbar ist, seine Aufgaben ordentlich erfüllt.“

Dem sei jedoch nicht stattgegeben worden. Auch einen Eilantrag habe das Verwaltungsgericht Leipzig abgelehnt. Man habe auch versucht, mit der zuständigen Landesdirektion Sachsen (LDS) ins Gespräch zu gehen. Diese habe jedoch „kein Problembewusstsein“ gezeigt und sei „unkooperativ“ gewesen.

Feuerstättenschau kann durchgeführt werden

Vor Ort sind am Donnerstag nicht nur (wie den Anwohner*innen angekündigt) die Polizei, „um sicherzustellen, dass der Schornsteinfeger Zutritt zum Haus erhalte“, sondern auch das zuständige Ordnungsamt sowie der Anwalt des betroffenen Hausprojektes. Man gewährt Christian S. Zugang und unter Aufsicht des Anwalts kann er die Feuerstättenschau durchführen. Nachdem Christian S. fertig mit seiner Arbeit ist und wieder geht, löst sich auch die unangemeldete Versammlung langsam auf.

Bezirksschornsteinfeger werden von der LDS berufen. Sie führen alle hoheitlichen Aufgaben aus. Darunter beispielsweise die Durchführung von Bauabnahmen und auch besagte Feuerstättenschau. Für diese Aufgaben dürfen sich die Bewohner*innen eines Hauses nicht einfach einen anderen Schornsteinfeger suchen.

Gegen Christian S. liegt laut den Anwohner*innen eine Verurteilung wegen Straftaten im Rahmen des Überfalls auf Connewitz vor. Diese bestand bereits, als die LDS Christian S. zum Bezirksschornsteinfeger machte.

Anwohner*innen-Vernetzung will aktiv bleiben

Die Vernetzung der Anwohner*innen macht schon seit mehreren Monaten auf die Problematik um Christian S. aufmerksam. Man wolle auch weiterhin aktiv bleiben und niemanden mit der Situation alleine lassen.

„Der Angriff auf Connewitz ist als Angriff auf einen linksalternativen Stadtteil, eine politische Gesinnung und eine bestimmte Lebensweise zu verstehen“, so Karl. „Eine Person, die daran konspirativ beteiligt war, hatte dementsprechend ja auch Verbindungen, Connections oder Freundeskreise.

Nicht nur bei linken Hausprojekten, sondern bei allen Leuten, die von Rassismus oder Diskriminierung betroffen sind oder sich politisch engagieren, ist es problematisch, wenn eine Person mit solchen Kontakten oder aktivierbaren Kontakten Erkenntnisse über die Intimsphäre von Menschen erlangt, indem sie in den Schlafzimmern herumläuft und den persönlichen Wohnraum wahrnimmt.“

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Es gibt 3 Kommentare

Pullover mehr anziehen und auch noch das Klima gerettet ,also mehr geht nun wirklich nicht. Ich habe 26°…

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