Wie soll man solche Anträge eigentlich nennen? Bullshit-Anträge? Heiße-Luft-Anträge? Oder Steilvorlagen für AfD-Stadträte, damit sie am Rednerpult auch mal so tun können, als würde die Stadtverwaltung irgendein Anliegen der rechtsextremen Partei tatsächlich übernehmen und befürworten? Dass es tatsächlich nur um einen Show-Auftritt unter der Überschrift „Ausstattung der Polizeibehörde Leipzig (Stadtordnungsdienst) mit Hilfsmitteln“ ging, machte jedenfalls am 28. Februar AfD-Stadtrat Christian Kriegel deutlich.

Vollmundig hatte die AfD-Fraktion, nachdem das Ordnungsamt in einer ersten Stellungnahme schon deutlich gemacht hatte, dass so ein Antrag überhaupt nicht in der Kompetenz des Stadtrates liegt, beantragt: „Auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 Gemeindliche-Vollzugsbediensteten-Verordnung (GemVollzVO) wird der Oberbürgermeister damit beauftragt, den Vollzugsbediensteten der Polizeibehörde Leipzig (Stadtordnungsdienst) bis zum Ende des II. Quartals 2024 die Befugnis zu übertragen, bei der Wahrnehmung ihrer polizeibehördlichen Vollzugsaufgaben nach § 1 Abs. 1 bis 4 GemVollzVO auf einfache körperliche Gewalt und mit Hilfsmittel zurückgreifen zu können.

Das betrifft folgende Hilfsmittel: Reizstoffsprühgeräte, Schlagstöcke und Handfesseln.

Vor der Übertragung der Hilfsmittel erhalten alle Vollzugsbediensteten der Polizeibehörde Leipzig eine entsprechende Schulung im Umgang mit den benannten Hilfsmitteln.“ Genau das aber darf eine Ratsversammlung gar nicht bestimmen, denn damit würde sie in Hoheitsrechte eingreifen, die bei der Stadt liegen.

Einfach mal Schwarzmalen

Wobei auch Kriegels Behauptung von den zunehmend mit Gewalt konfrontierten Mitarbeitern des Stadtordnungsdienstes so nicht weiter belegt ist.

Die letzten Aussagen des Ordnungsamtes dazu stammen aus dem Jahr 2022, als man mit der Argumentation die Diensthundestaffel begründen wollte: „Die Aufgabe der Diensthundestaffel wird es sein, die Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes bei der Ausübung ihrer Aufgaben zu unterstützen und insbesondere vor Übergriffen zu schützen. In Anbetracht der gehäuften verbalen und körperlichen Angriffe auf die gemeindlichen Vollzugsbediensteten ist die erwartete präventive Wirkung des Einsatzes von Diensthunden weiterhin hervorzuheben.

Allein 2021 wurden 51 strafrechtlich relevante Delikte gegen die Inspektoren (Beleidigungen, Bedrohungen, Widerstandshandlungen bis hin zu Körperverletzungen) zur Anzeige gebracht. In diesem Jahr sind es bereits 40 Sachverhalte (Stand: 08.08.2022). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder Vorfall dieser Art an die Staatsanwaltschaft weitergereicht wird.“

In welchem Verhältnis die registrierten Vorfälle zu den Einsätzen der Bediensteten stehen, ließ das Ordnungsamt dann einfach weg.

Eine Steilvorlage für die Rechtsaußenpartei, die nun einfach mal formuliert: „Leider sind die Außendienstmitarbeiter des Leipziger Stadtordnungsdienstes einem stetig zunehmenden Gefahren- und Aggressionspotential ausgesetzt. Hinweise des Stadtordnungsdienstes auf Fehlverhalten mancher Bürger oder Gäste werden nicht immer mit der nötigen Akzeptanz angenommen – es kommt zu verbalen Entgleisungen, manchmal sogar zu Handgreiflichkeiten.

Insofern kann die Ausstattung der Außendienstmitarbeiter des Stadtordnungsdienstes mit Hilfsmitteln den Eigenschutz erhöhen, aber auch respektvolles Interagieren zwischen Stadtordnungsdienst und der Bürgerschaft befördern. Nicht zuletzt wird damit auch dem sinkenden Sicherheitsgefühl vieler Leipziger entgegengewirkt.“

Aber so funktioniert eben Angstmache im rechtsextremen Spektrum: Man malt einfach ein tiefschwarzes Gefahrenszenario und ruft dann nach Waffen.

Obwohl das Ordnungsamt schon in seiner ersten Stellungnahme diesmal deutlich erklärt hatte: „Nicht zuletzt im Hinblick auf das Aufgabenspektrum der gemeindlichen Vollzugsbediensteten, zu dem gerade nicht die Verhinderung und vorbeugende Bekämpfung von Straftaten gehört, erscheint die Ausstattung mit Waffen unangemessen.“

Körperliche Gewalt gehört nicht zu den Mitteln des Stadtordnungsdienstes

Auch wenn Leipzigs Ordnungsamt durch Stadtratsbeschluss „Polizeibehörde“ heißt, hat es trotzdem nicht dieselben Aufgaben wie die Polizei.

Und würde schon gar keine Schreckschusswaffen und Pepperballs brauchen, wie die AfD beantragt hatte.

Aber da die AfD-Fraktion ihren Antrag einfach neu schrieb, erklärt das Ordnungsamt in seiner zweiten Stellungnahme noch einmal deutlich, dass der Stadtrat solche Dinge nicht beschließen und nicht beauftragen kann.

„Der zugrundeliegende Antrag, den gemeindlichen Vollzugsbediensteten bei der Wahrnehmung ihrer polizeibehördlichen Vollzugsaufgaben die Befugnis zu übertragen, auf einfache körperliche Gewalt und als Hilfsmittel auf Reizstoffsprühgeräte, Schlagstöcke und Handfesseln zurückgreifen zu können, ist abzulehnen. Einerseits ist der Stadtrat hierfür nicht zuständig, andererseits wurde das Vorhaben zu einem Teil bereits umgesetzt und befindet zum anderen Teil derzeit in der Umsetzung“, erklärt das Ordnungsamt.

Auf die Aussage „wurde das Vorhaben zu einem Teil bereits umgesetzt“ bezog sich Kriegel dann in seiner Rede und tat so, als würde die Stadt tatsächlich den Unfug umsetzen, den die AfD beantragt hatte.

Aber tatsächlich ist es andersherum. Denn tatsächlich hat der Freistaat Sachsen im April 2023 die Gemeindliche-Vollzugsbediensteten-Verordnung novelliert und darin auch beschrieben, welche Zwangsmittel Stadtordnungsbedienstete anwenden dürfen: „Einer oder einem gemeindlichen Vollzugsbediensteten kann die Befugnis übertragen werden, bei der Wahrnehmung ihrer oder seiner polizeibehördlichen Vollzugsaufgaben nach § 1 Absatz 1 bis 4 durch einfache körperliche Gewalt auf Personen oder Sachen einzuwirken, als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt Fesseln, technische Sperren, Diensthunde, Dienstfahrzeuge und Reizstoffe sowie als Waffe den Schlagstock einzusetzen.“

Ein ganz klassisch konservatives Denken, in dem auch der Handschrift des aktuellen sächsischen Innenministers Armin Schuster (CDU) deutlich wird.

Doch frühere Debatten im Leipziger Stadtrat haben gezeigt, dass Zwangsmittel die Arbeit des Stadtordnungsdienstes überhaupt nicht erleichtern. Und manche sind auch gar nicht umsetzbar, wie etwa die Einrichtung eine eigenen Diensthundestaffel, eine Idee, die 2022 begraben wurde.

Vorlage des OBM kommt noch

Ob Leipzig von den Möglichkeiten aus der Gemeindliche-Vollzugsbediensteten-Verordnung Gebrauch machen wird, ist völlig offen. Die Entscheidung liegt einzig beim OBM, wie das Ordnungsamt feststellt: „Mit Beschluss des Oberbürgermeisters vom 09.01.2024 wurde auf Grundlage der am 16.05.2023 in Kraft getretenen Gemeindliche-Vollzugsbediensteten-Verordnung die Übertragung neuer Aufgaben auf die von der Stadt Leipzig bestellten gemeindlichen Vollzugbediensteten festgelegt (Vorlage Nr. VII-DS-09240).

In der Sachverhaltsdarstellung der Vorlage wurde darauf verwiesen, dass über eine Ausweitung der Befugnisse mit einer weiteren Vorlage entschieden werden soll.“

Die Vorlage VII-DS-09240 ist noch nicht öffentlich. Aber sie dürfte die eingesetzten Selbstverteidigungsinstrumente des Stadtordnungsdienstes deutlich einschränken. Etwa auf das Tränengas, das die Bediensteten schon mitführen. Denn im Ordnungsamt ist man sich sehr bewusst, dass „Waffen“ eben nicht die Sicherheit der Bediensteten erhöhen, sondern auch das mögliche Konfliktpotenzial.

Und deshalb ist die Ausstattung des Stadtordnungsdienstes auch aus gutem Grund eine Aufgabe ganz allein im Kompetenzbereich des OBM. Was das Ordnungsamt den Möchtegern-Waffennarren der AfD-Fraktion auch sehr deutlich erklärt hat.

Die fehlende Zuständigkeit des Stadtrates

„Ein Beschluss des eingereichten Antrages wäre bereits formell rechtswidrig, da dem Stadtrat hierfür die Organkompetenz fehlt. Nach § 28 Abs. 1 Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO) entscheidet der Stadtrat über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt“, heißt es in der Stellungnahme des Ordnungamtes.

„Weisungsaufgaben erledigt der Oberbürgermeister gemäß § 53 Abs. 3 S. 1 1. Hs. SächsGemO in eigener Zuständigkeit, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Als Ortspolizeibehörde kann die Stadt Leipzig gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG) für den Vollzug bestimmter auf den Gemeindebereich beschränkter polizeibehördlicher Aufgaben gemeindliche Vollzugsbedienstete bestellen.

Diese erfüllen die der Ortspolizeibehörde übertragene Aufgabe der Gefahrenabwehr nach § 2 Abs. 1 S. 1 SächsPBG. Die Aufgaben der Ortspolizeibehörde sind gemäß § 1 Abs. 2 1. Hs. SächsPBG Weisungsaufgaben.“

Christian Kriegel tat dann trotzdem so, als würde die Stadt tatsächlich ein AfD-Anliegen umsetzen und zog den Nonsens-Antrag zurück. Womit sich dann auch die Diskussion über den Nonsens erübrigte.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar