Es ist ein heikles Thema. Aber warum es nicht komplett öffentlich behandelt werden kann, erschloss sich auch aus der kurzen Debatte am Donnerstag, 14. April, in der Ratsversammlung nicht so recht. Zuvor hatte ja die CDU-Fraktion gefragt, ob der Leipziger Stadtordnungsdienst nunmehr mit Schutzwesten, Pfefferspray und Schlagstöcken ausgestattet sei.

Beschlossen hat das der Stadtrat ja schon in vorsintflutlichem Zeiten im Jahr 2017, als halb Deutschland bei Sicherheitsfragen regelrecht hysterisch agierte und eine Stadtratsmehrheit der Meinung war, der Stadtordnungsdienst müsste zur Polizeibehörde werden, mehr Aufgaben übernehmen und auch öfter in brisanten Situationen eingesetzt werden.

Als die CDU-Fraktion 2020 erstmals nachfragte, bekam sie zumindest die Information, dass die Schutzwesten bestellt worden waren. Alles andere wolle das Ordnungsdezernat noch prüfen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, wie das Ordnungsdezernat nun detailliert mitteilte.

„Die Unterziehschutzwesten wurden beschafft und erstmals im Juni 2020 an die Bediensteten des Stadtordnungsdienstes und der Operativgruppe ausgegeben. Die Bediensteten des Vollstreckungsaußendienstes der Zentralen Bußgeldbehörde folgten im März 2021“, ist Stand der Dinge.

So weit zum Schutz der Mitarbeiter/-innen.

Ein Innenminister kommt nicht zu Potte

Aber was dann die Bewaffnung betrifft, kann auch Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal nur auf den Freistaat und dessen umtriebigen Innenminister verweisen, der auch zwei Jahre nach Änderung des Sächsischen Polizeigesetzes keine Regelung zur Bewaffnung der Stadtordnungsdienste herausgegeben hat:

„Der zitierte Beschluss der Ratsversammlung vom 13.12.2017 zur Vorlage VI-A-04658-NF-03 benennt das ‚Pfefferspray‘ nicht ausdrücklich als Ausrüstungsgegenstand, der dem Stadtordnungsdienst zur Verfügung gestellt werden soll. Allerdings ist nach Erlass der Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 2 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG) die Ausstattung der Bediensteten des Stadtordnungsdienstes und der Operativgruppe mit Reizstoffsprühgeräten geplant.

Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 SächsPBG hat das Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung unter anderem zu bestimmen, welche Mittel des unmittelbaren Zwangs die gemeindlichen Vollzugsbediensteten anwenden dürfen. Mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten des Sächsischen Polizeibehördengesetzes hat das Innenministerium die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen.

Dieser Aspekt war bereits Gegenstand eines Beteiligungsverfahrens mit dem Personalrat Stadtverwaltung zur Auswahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die Multiplikatorenausbildung in der Handhabung von Hilfsmitteln nach dem Sächsischen Polizeibehördengesetz. Zur Bedingung für weitere Ausbildungsmaßnahmen nach der erfolgten Ausbildung von Multiplikatoren wurde vom Personalrat Stadtverwaltung gemacht, dass die erforderlichen rechtlichen Grundlagen inkraft getreten sind.

In Vorbereitung der Ausbildung wurden im Juni 2020 Reizstoffsprühgeräte, Ersatzpatronen und Übungspatronen beschafft, die seitdem vorgehalten werden.“

Die aber halt nicht ausgereicht werden, weil ein Erlass des Innenministers fehlt.

Zwangsmaßnahmen sind überhaupt nicht geregelt

Und dasselbe gilt für die Schlagstöcke: „Die Anwendbarkeit des Rettungsmehrzweckstockes als Mittel des unmittelbaren Zwanges ist durch die Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 2 SächsPBG festzulegen. Insoweit gilt das zur vorstehenden Frage Ausgeführte. Hier ist noch keine Beschaffung erfolgt.“

Denn logischerweise wollen auch die Mitarbeiter/-innen des Ordnungsdienstes nicht mit Gerät losziehen, dessen Anwendung rechtlich nicht erlaubt ist.

Und gerade bei den Mehrzweckstöcken wird es heikel: „Die Stadt Leipzig hat sich dafür entschieden, die Bereitstellung der Rettungsmehrzweckstöcke an den Erlass der Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 2 SächsPBG zu knüpfen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der oben genannten Stellungnahme des Personalrates.“

Und vielleicht stehen ja die Mitarbeiter/-innen des Innenministeriums vor demselben Problem: Wie gewährleistet man dann eigentlich die Arbeitssicherheit? Wer versichert das, wenn etwas passiert und welche juristischen Konflikte kommen dann auf die Stadtpolizeibehörden zu, die es für die staatliche Polizei, die ja das Gewaltmonopol hat, nicht gibt?

Logisch, dass da auch Leipzigs Ordnungsbürgermeister zögert: „Vor Ausrüstung der gemeindlichen Vollzugsbediensteten mit einem neuen Arbeitsmittel wie dem Rettungsmehrzweckstock sind Fragen des Arbeitsschutzes sorgfältig zu prüfen. Dies geschieht vor allem im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und der Festschreibung von Anwendungsregeln mittels Arbeitsanweisung. Auch hierbei handelt es sich um Sachverhalte, bei denen eine Mitbestimmungspflicht der Personalvertretung der Stadtverwaltung besteht.“

Denn ihren Kopf hinhalten müssen dann die eingesetzten Außenkräfte des Stadtordnungsdienstes. Da ist es eher belanglos, wie viele der beauftragten Geräte die Stadt schon angeschafft hat, was Rosenthal ja gern unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantworten möchte.

Darum drehte sich dann das kurze Geplänkel am Donnerstag, bei dem FDP-Stadtrat Sven Morlok noch zum strengen Mahner wurde, weil so etwas nicht in irgendwelche Ausschusssitzungen gehört, sondern in die nichtöffentliche Sitzung des Stadtrats.

Die Debatte vom 14. April 2022 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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