Zahlen verraten nicht alles. Schon gar nicht darüber, warum es des Nachts in Leipzig zu weniger gewalttätigen Übegriffen auf Frauen kommt als auf Männer. Denn das hat nun einmal auch damit zu tun, dass Frauen gerade abends und nachts lieber öffentliche Räume und öffentliche Verkehrsmittel meiden. Was natürlich mit der Erwartung kollidiert, dass alle Bewohner/-innen der Stadt auch gleichermaßen am öffentlichen Leben teilnehmen können.
Ein Frauentaxi, so fand Florenz Mosig, könnte das Sicherheitsproblem für Frauen in Leipzig ja vielleicht lösen. Er schrieb eine Petition. Am 29. Oktober war sie Thema im Stadtrat. Auch wenn seine Petition am Ende nicht zum Zug kam. Nicht nur das Ordnungsamt zweifelte in seiner Stellungnahme an, dass die Einführung eines Frauentaxis in Leipzig das Sicherheitsproblem (für Frauen) wirklich lösen könnte.
„Der im Dezember 2024 veröffentlichte Ergebnisbericht zu der im Jahr 2023 gemeinsam vom Amt für Statistik und Wahlen sowie dem Ordnungsamt/Kommunaler Präventionsrat durchgeführten Sicherheitsbefragung belegt auch in Leipzig eine erhöhte Kriminalitätsfurcht von Frauen. Insbesondere fühlen sich Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln etwas weniger sicher als Männer. Kommt es zur Betrachtung des o. g. Schutz- bzw. Vermeidungsverhaltens, geben 44 % der befragten Frauen an, ‚immer‘ oder ‚oft‘ in der Nacht öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Hingegen geben 28 % der befragten Männer an, diese Verhaltensweisen zu ihrem persönlichen Schutz zu unternehmen“, schrieb das Ordnungsamt in seiner ablehnenden Stellungnahme, die letztlich auch der Petitionsausschuss übernahm.
Wenn Macho-Fraktionen das Problem nicht verstehen
Nicht einhellig, wie die Ausschussvorsitzende Beate Ehms (Die Linke) betonte. Das Stimmungsbild war nicht eindeutig. Was auch daran liegen kann, dass mindestens zwei männerdominierte Fraktionen überhaupt keine Einsicht haben und wahrscheinlich auch kein Sensorium dafür, wie Frauen sich im öffentlichen Raum fühlen.
Und zwar gerade dort, wo Männer sich laut, aggressiv und raumgreifend benehmen, gerade auch nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln, betrunken und rücksichtslos.
Ein Thema, auf das dann Marsha Richarz, Stadträtin der Grünen, noch etwas ausführlicher einging. Denn die Ängste vieler Frauen vor aufdringlichen Männern bestimmen nicht nur ihr Verhalten des Nachts auf Leipziger Straßen. Sie prägen ihr Leben, wie diverse Umfragen zeigen.
Und „Männer im Allgemeinen“ sorgen in mancher Umfrage tatsächlich dafür, dass Frauen Ängste in öffentlichen Räumen ausstehen müssen, immer auf der Hut sind und sich logischerweise Strategien ausdenken, um solche beängstigende Begegnungen im öffentlichen Raum zu vermeiden.
Schlechtes Sicherheitsgefühl im ÖPNV
„Die Nutzung des ÖPNV als Mobilitätsangebot in den Nachtstunden erscheint demnach für einen Teil der Frauen als nicht ausreichend sicher und könnte somit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einzelner Frauen einschränken“, gestand auch das Ordnungsamt in seiner Stellungnahme zu.
„Betrachtet man die Sicherheitslage für 2023 und 2024 in der Stadt anhand der in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Delikte, für die Tatörtlichkeit des ÖPNV, zeigt sich, dass Männer häufiger Opfer von gewalttätigen Übergriffen in Bussen und Bahnen sind. Insgesamt wurden 2023 141 weibliche und 214 männliche Personen sowie 2024 176 weibliche und 227 männliche Personen Opfer von vollendeten und versuchten Straftaten im ÖPNV.
Betrachtet man allerdings Fälle von sexueller Belästigung im ÖPNV, sind fast ausschließlich Frauen von diesen Straftaten betroffen. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass der ÖPNV keinen Kriminalitätsschwerpunkt darstellt.“
Eine Steilvorlage, die dann die AfD-Stadträtin Sylvia Deubel zu einem Generalabwasch nutzte, um über die allgemeine Sicherheitslage in Leipzig zu schwadronieren und das „Spezialproblem“ der sich besonders unsicher fühlenden Frauen einfach vom Tisch zu wischen.
Wer ein Thema dann freilich derart aufbläht, dass erst einmal für alles Mögliche ein Sicherheitskonzept entwickelt werden soll, der negiert einerseits die besondere Betroffenheit von Frauen und sorgt andererseits dafür, dass erst recht nichts geschieht.
Hausaufgaben für Stadt und LVB
Da der unentschiedene Petitionsausschuss also eine Ablehnung der Petition vorschlug, schrieb die Grünen-Fraktion einen Änderungsantrag, um dieses Unglück zu verhindern. „Die Verwaltung wird beauftragt, sich dem Thema Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr gemeinsam mit der LVB (inklusive Flexa-Angebot), dem Taxigewerbe (auch in Bezug auf mögliche Frauentaxis), ggf. beauftragten Subunternehmen und weiteren Akteur*innen anzunehmen.
Es sollen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit, insbesondere für FLINTA*-Personen – dies umfasst Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans- sowie agender-Personen und weitere aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität von Marginalisierung betroffene Personen – definiert werden. Dabei sind auch Best Practice-Beispiele aus anderen Städten zu prüfen und hier ggf. ein Austausch zu suchen, z.B. in Bezug auf die Buchung weiblicher Fahrerinnen. Ein erster Zwischenstand wird dem Stadtrat im ersten Quartal 2026 vorgelegt“, lautete der Beschlussvorschlag der Grünen.
Denn wenn die männerdominierten Fraktionen das Anliegen zu blockieren versuchen, braucht es erst recht Unterstützung für die schwächeren Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Dazu können – wenn die Taxigenossenschaften die Idee aufgreifen – nun einmal auch Frauentaxis gehören. Warum nicht? Nichts spricht dagegen. Es muss nur jemand umsetzen.
Es geht um gleichberechtigte Mobilität
„Die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr ist eine wesentliche Voraussetzung für die gleichberechtigte Mobilität aller Menschen. Studien zeigen jedoch, dass insbesondere Frauen sich im ÖPNV häufig unsicher fühlen und ihr Mobilitätsverhalten entsprechend anpassen. Laut einer aktuellen Erhebung des Deutschen Städtetags vermeiden 68 % der Frauen bestimmte Linien oder Haltestellen zu bestimmten Tageszeiten aufgrund von Sicherheitsbedenken“, betonten denn auch die Grünen in ihrem Antrag ihr Anliegen.
„Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit stellt eine erhebliche Benachteiligung dar und steht im Widerspruch zu unseren Bemühungen, den ÖPNV als klimafreundliche Alternative zum Individualverkehr zu stärken. Eine Stadt, die für alle gleichermaßen zugänglich sein soll, muss sicherstellen, dass der öffentliche Nahverkehr zu jeder Tageszeit sicher nutzbar ist.
Die zu erarbeitenden Maßnahmen sollen darauf abzielen, sowohl die objektive Sicherheitslage als auch das subjektive Sicherheitsempfinden zu verbessern.“
Also nicht wegducken, sondern wirklich Ideen erarbeiten. Dass die beiden Macho-Fraktionen dem nicht zustimmen würden, war abzusehen. Das Ergebnis war dann trotzdem deutlich. Dem Änderungsantrag der Grünen-Fraktion stimmte die Ratsmehrheit mit 30:20 Stimmen bei sechs Enthaltungen zu.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:















Keine Kommentare bisher