Sie träumen. Sie träumen von großem Wassertourismus, hunderttausenden Besuchern an Tourismusattraktionen im Leipziger Neuseenland. Jede Gemeinde für sich. Immer neue phantastische Großprojekte an einem Tagebaufolgesee werden hochgezogen, egal, ob sich das jemals rechnet oder nicht. Und auch Simone Luedtke, die Oberbürgermeisterin von Borna, hält an einem solchen Projekt fest, das am Ende zerstören wird, was wirklich wertvoll ist am Bockwitzer See.

230.000 Besucher will der Investor jedes Jahr in die bislang noch ruhige Gegend bei Borna lotsen, 28 Millionen Euro investieren. Dem Stadtrat hat er schon vor einem Jahr den Mund wässrig gemacht. Und die Gemeinden in Sachsen greifen zu, wenn ihnen jemand so ein Prachtstück offeriert, hoffen auf eine sprudelnde Einnahmequelle und sehen nicht, wie sie eigentlich genau das verscherbeln, was das Leipziger Neuseenland attraktiv macht: Eine sich regenerierende Landschaft, die ideal ist für eine naturnahe Naherholung.Und genau das war ursprünglich auch für den Bockwitzer See geplant. Jedem einzelnen Tagebaurestsee war in den 1990er Jahren eine ganz konkrete Nutzung zugewiesen. Der eine sollte zum Badesee für die Großstadt werden, an anderen mehr Wassersport möglich sein, an einigen aber der Natur wieder Raum zur Regeneration gegeben werden.

Doch als dann die kleinen Männer mit ihren Werbekoffern begannen herumzureisen, zerfiel die ganze Absprache zwischen Kommunen und Landkreisen im Neuseenland. Jeder betrachtet nun seinen See vor der Haustür als potenziellen Umsatzbringer, lässt bauen und investieren.

Doch anders als die Oberbürgermeisterin von Borna im LVZ-Interview behauptete, beschränkt sich der Widerstand gegen die wilden Baupläne am Bockwitzer See nicht auf vereinzelte Stimmen.

Die Planungen der Stadt Borna, am Bockwitzer See ein Surfparadies zu etablieren, stoßen auch weiterhin auf Widerstand beim NABU Sachsen. Rund 25.000 Mitglieder sind in dem Naturschutzverband organisiert – also keinesfalls eine Kleinigkeit. Dennoch hatte Bornas Oberbürgermeisterin Simone Luedtke in dieser Woche gegenüber der Leipziger Volkszeitung allenfalls von „vereinzelten Stimmen“ gesprochen, die gegen den geplanten Surfpark am Bockwitzer See sind.

„Der Bockwitzer See ist der einzige Tagebaurestsee südlich von Leipzig, der eine natürliche, vom Menschen weitgehend ungestörte Entwicklung genommen hat“, erklärt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. „Dies schlägt sich nieder in der Ausweisung eines Naturschutzgebietes, eines europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebietes und schließlich eines Europäischen Vogelschutzgebietes. Besondere Schutzwürdigkeit kommt dabei der Förderung der Unzerschnittenheit und der Vermeidung von inneren und äußeren Störeinflüssen auf das Gebiet zu.“

Das Vogelschutzgebiet „Bergbaufolgelandschaft Bockwitz“ ist eines der bedeutendsten Brutgebiete Sachsens für den Brachpieper und die Sperbergrasmücke. Zudem stellt das Vogelschutzgebiet ein bedeutendes Rast- und Nahrungsgebiet für Saatgänse dar. Insgesamt sind im Gebiet über 180 Vogelarten, zwölf Amphibienarten, vier Reptilienarten, 31 Libellenarten, 20 Heuschreckenarten und fast 400 Arten der Höheren Pflanzen erfasst. Viele Menschen finden zudem Ruhe und Erholung im Gebiet.

„Vielfältige Outdoor-Aktivitäten und reges Treiben sind an vielen Seen in der Umgebung möglich, aber der Bockwitzer muss für derartige Freizeitgestaltungen tabu bleiben“, fordert Bernd Heinitz. „Dafür werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen.“

Und dazu kommt: Ein gutes Dutzend solcher Surfparks sind derzeit in Europa in Planung, manche auch schon von den empörten Einwohnern der betroffenen Region zu Fall gebracht. Denn die Firma, die ihren Wasserspaß Bürgermeistern andreht wie warme Suppe, versucht immer wieder auch in Regionen Platz zu bekommen, die eigentlich für ihre intakte Natur beliebt sind.

Die hohen Besucherzahlen aber erreicht man nur, wenn so ein Freizeitspaß-Projekt in der Nähe von Großstädten gebaut werden kann. Oder mit riesigen Parkplätzen daneben, denn die Nutzer werden ja nicht mit dem Fahrrad kommen, sondern mit dem Pkw. Man setzt also eigentlich wieder auf den motorisierten Tourismus. Und das auch noch in Saisonbetrieb, denn auch dieser Wasserspaß wird nur in der warmen Jahreszeit möglich sein. Da erstaunt es schon sehr, wie verzweifelt die Akteur/-innen im Neuseenland ausgerechnet auf Saisonarbeitsplätze setzen.

Auch die Grünen kritisieren die Pläne: Nachhaltigkeit sieht anders aus

Grüne Kreistagsfraktion kritisiert Surfparkpläne am Bockwitzer See – Fun, fun, fun, zu Deutsch Spaß, Spaß, Spaß, sang einst die legändere Band „Status quo.“ Und dies ist möglich an und auf den Seen in der Bergbaufolgelandschaft im Leipziger Südraum. Ob Surfen, Amphibientouren, Jetlev, Kitesurfen, Baden usw., die Angebote sind vielfältig und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die gesamte Region.

Dies betont auch Tommy Penk, Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Kreistag des Landkreises Leipzig. „Statt sich gegenseitig die Touristen abzuwerben, sollte man auch den Menschen, die Rückzugsorte und eine andere Art von Erholung suchen, Ruhe und Abgeschiedenheit anbieten. Deshalb unterstützen wir die über die Presse kolportierten Meldungen über eine Etablierung eines Surfparkes am Bockwitzer See bei Borna nicht. Zudem ist Frau Luedtkes Aussage ,Wenn der See tatsächlich zum Ziel von Surfern werden sollte, sei das durchaus umweltverträglich, weil ein Großteil der Sportler mit Zug und Bus anreisen könnte‘ gelinde gesagt, nicht nachvollziehbar. Wie viele Sportlerinnen und Sportler werden wohl das Surfbrett in den Bus mitnehmen oder den langen Fußmarsch vom Bahnhof aus in Kauf nehmen? Die Verkehrsanbindung fördert doch primär den Pkw-Verkehr.“

Sein Fraktionskollege Joachim Schruth, der lange Jahre in Borna gelebt hat, springt ihm bei: „Der Bockwitzer See ist der einzige Tagebaurestsee südlich von Leipzig, der eine natürliche, vom Menschen weitgehend ungestörte Entwicklung genommen hat. Dies manifestiert sich in der Ausweisung eines Naturschutzgebietes, eines europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebietes und schließlich eines europäischen Vogelschutzgebietes. Besondere Schutzwürdigkeit kommt dabei der Förderung der Unzerschnittenheit und der Vermeidung von inneren und äußeren Störeinflüssen auf das Gebiet zu. Die Normierungen des deutschen und europäischen Naturschutzrechtes stellen hier hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens hohe Hürden auf. Und das zu Recht. Die Umweltverbände werden sich hier positionieren und ich bin mir sicher, die Bürgerinnen und Bürger auch.“

Tommy Penk abschließend „Wir müssen hier auch an kommende Generationen, unsere Kinder und Enkel denken, welche die Folgen des Klimawandels meistern müssen. Ein Surfpark am Bockwitzer See ist hierzu das falsche Signal.“

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