Da ging es der Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Landtag, Kerstin Köditz, genauso wie dem Grünen-Abgeordneten Valentin Lippmann: Auf ihre Landtagsanfragen zu Übergriffen auf Journalisten am Rande fremdenfeindlicher Demonstrationen in Sachsen antwortete Innenminister Markus Ulbig (CDU) nur ausweichend. Als interessiere ihn das einfach nicht.

Eine Antwort fand Kerstin Köditz regelrecht frech. Nämlich als Ulbig konkret zur Frage nach den Übergriffen auf Journalisten sagte: “Der Beruf eines Tatbetroffenen wird weder grundsätzlich noch regelmäßig erhoben und recherchierbar erfasst. Selbst eine Durchsicht aller einschlägigen Vorgänge seit Beginn der Pegida-Versammlungen würde deshalb eine vollständige Antwort nicht ermöglichen.”

Da hatten einige Medienschaffende in Sachsen das durchaus spürbare Gefühl, dass dieser Innenminister dann, wenn es wirklich brandgefährlich wird, keinen Schutz und keine Sicherheit geben wird. Er glänzt – wie sein Amtsbruder in Berlin – mit starken Worten, ist aber nicht einmal alarmiert, wenn die Angriffe auf berichtende Journalisten immer gewalttätiger werden.

“Dass sich Angriffe auf Reporter in Sachsen am Rande rechter Aufmärsche und Gida-Demonstrationen häufen, ist alarmierend – Gewerkschaften und Medienverbände sehen nicht zu Unrecht die Pressefreiheit in Gefahr. Genauso alarmierend ist, dass entsprechende Ermittlungsverfahren offenbar nicht gezielt bearbeitet werden: Kein einziger Fall – darunter fast ein Dutzend Körperverletzungen – wird bei dem auf Polit-Straftaten spezialisierten Operativen Abwehrzentrum (OAZ) geführt”, kommentiert nun Kerstin Köditz die Antwort auf ihre gezielte Nachfrage. Denn mit der Null-Antwort aus dem Herbst wollte sie sich nicht zufrieden geben. So viel Ignoranz kann man keinem Innenminister einer demokratisch gewählten Regierung durchgehen lassen.

Nur machte sie es in ihrer Nachfrage dem Innenminister nicht so leicht wie beim ersten Mal, sondern gab die ganze Liste von Vorfällen mit, die das Medienmagazin “Funkturm” zusammengetragen hatte.

“Nach wie vor hat das Innenministerium keinen eigenen Überblick über die Bedrohungslage. Meine erste Anfrage zum Thema war daher schlicht unbeantwortet geblieben. Darauf lasse ich es nie beruhen und habe der Staatsregierung eine Auflistung vorgelegt, die das Dresdner Medienmagazin ‘Funkturm’ recherchiert hat”, betont sie jetzt. Und siehe da: Sie bekam endlich ein paar Aussagen. “Ergebnis der Nachfrage: Von insgesamt 26 Vorfällen aus dem vergangenen Jahr sind acht der Polizei gar nicht bekannt, tatsächlich bearbeitet werden nur 18. In zehn dieser Fälle sind zwar Tatverdächtige ermittelt worden. Aber zwei Verfahren wurden auch schon wieder eingestellt. Und: Bisher wurde kein einziger Angriff juristisch geahndet.”

Besonders obskur findet sie an dieser Nichtermittlung durch das eigentlich für extremistische Straftaten zuständige Operative Abwehrzentrum (OAZ): “In den meisten Fällen wird ein rechter Tathintergrund ausdrücklich angenommen. Aber die Akten liegen dennoch nicht bei den Fachermittlern des OAZ, die sonst für ihre hohen Aufklärungsquoten gerühmt werden. Dafür mag es im Falle des Innenministeriums eine ebenso bewährte wie beschämende Erklärung geben: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. Eine eigene Statistik über Bedrohungen und Angriffe gegen Journalisten wird nach wie vor nicht geführt. Das wirkt geradezu wie eine Einladung, sich an Medienvertretern zu vergehen. Zu befürchten haben die Täter in Sachsen offenbar fast nichts.”

Und man kann jetzt schon Wetten darauf abschließen, dass auch der nächste Bericht des Sächsischen Verfassungsschutzes an dieser Stelle wenig bis nichts aussagen wird. So langsam fällt es auf, wie schwer sich die Ermittler im Verantwortungsbereich von Markus Ulbig tun, die Vorfälle im Bereich rechtsmotivierter Kriminalität aufzuklären. Das scheint nicht ins Denkschema zu passen. Tatsächlich aber schwächt es die Demokratie und stärkt die Rassisten und Chauvinisten, die in Sachsen öfter als in anderen Bundesländern dazu neigen, gesetzliche Grenzen zu überschreiten.

Die Fraktion Die Linke zumindest will dem Thema weiter nachgehen. Derzeit ist ein Antrag der Linksfraktion zum Schutz der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung im Antragsverfahren des Landtages. Wenn der im Landtag mal eine Mehrheit findet, wäre das schon eine echte Überraschung. Denn der würde die Staatsregierung dazu zwingen, über Angriffe auf Medienschaffende in Sachsen offiziell vorm ganzen Landtag Bericht zu erstatten.

Die Nicht-Antwort von Markus Ulbig aus dem Oktober. Drs 2895

Die Antwort auf die Nachfrage von Kerstin Köditz vom 5. Januar. Drs 3528

Der Antrag der Linken zum Schutz der Pressefreiheit in Sachsen. Drs 3203

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Es gibt 4 Kommentare

Ich gehe davon aus, dass Sie die Tragweite des Themas einfach nicht verstehen können………?????????????????

Was diese Aussage mit meinen Bemerkungen zur Pressefreiheit allgemein zu tun hat ist ihr Geheimnis. Ich habe weder eine Bemerkung zu den Angriffen auf Journalisten der L-IZ bzw. sonstiger Medien gemacht, noch zur Gewaltausübung gegen Vertreter von Medien überhaupt!!!!!

Ich habe ausschließlich etwas zur Pressefreiheit geschrieben und wie ich diese in den letzten 2 Jahren erleben durfte. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu dem, was Sie mir nun wieder in die Schuhe schieben wollen, weshalb auch immer.

Lieber Klaus,

Sie wissen aber schon, das drei der aufgeführten Fälle in der Anfrage direkt mit dieser Zeitung zu tun haben? Vielleicht haben Sie auch nur wieder Ihr eigenes Thema vor Augen, aber es gibt auch noch andere. Und wenn meine Kollegen auf der Straße angegriffen werden, kann ich durchaus auch mal persönlich werden. Nichts für ungut. Ich gehe davon aus, dass Sie die Tragweite des Themas einfach nicht verstehen können, denn wir leben halt alle nicht in der Haut des Anderen.

Ihr M.F.

“Gewerkschaften und Medienverbände sehen nicht zu Unrecht die Pressefreiheit in Gefahr.”

Darüber kann ich nur laut lachen.

Ich wäre beispielsweise schon froh, wenn die Medien mit Rang und Namen diese Pressefreiheit auch halbwegs nutzen würden.

Ich habe in der Zwischenzeit kein Problem mit dem Wort “Lügenpresse”. Für mich fällt unter diesen Begriff auch die bewusste Zurückhaltung von Informationen, die völlig einseitige Bewertung von Sachverhalten und das Verbot von Chefredakteuren zur Veröffentlichung brisanter Beiträge / Interviews. Ich haben dazu in den letzten beiden Jahren so viele bittere Erfahrungen gemacht, dass mir diese Zeilen locker von der Hand gehen.

Es besteht das Gefühl, dass immer mehr Gewalt herrscht und manche ihre Meinung nur mit Schlägen verbreiten können, weil das Gehirn zum Denken nicht mehr reicht und keine Kommunikation auf Augenhöhe stattfinden kann. Die meisten bei den Gida-Demos sind sowieso Rechte, die haben kein Hirn.

Die Journalisten haben einen gefährlichen Beruf. Wieso schützt die Polizei nicht die Journalisten, damit sie ihrem Beruf nachgehen können? Man versteht die Welt nicht mehr!

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