Sachsen hat bis heute keine Ausstiegsstrategie aus der Braunkohle, obwohl selbst den Landesregierungen in Dresden und im benachbarten Brandenburg inzwischen klar ist, dass der Strukturwandel (mindestens) auf die Lausitz mit unausweichlicher Wucht zurollt. Doch statt die Bergbaubetreiber in die Pflicht zu nehmen, fordert man lieber sicherheitshalber schon 1,2 Milliarden vom Bund. Also vom Steuerzahler. Jana Pinka kann nur den Kopf schütteln.

Dr. Jana Pinka ist Sprecherin der Linksfraktion für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft im Sächsischen Landtag. Und genauso beharrlich wie ihr Fachkollege Dr. Gerd Lippold von den Grünen versucht sie herauszubekommen, welche Sicherheiten die sächsischen Bergbaubetreiber eigentlich zurückgelegt haben für den Tag, an dem der Bergbau zu Ende geht und die riesigen Löcher in der Erde wieder rekultiviert werden müssen.

Nur nutzen große Unternehmen listig aus, dass sie Landesregierungen durch Klauseln in Verträgen zum Schweigen bringen können. Die Vertragsinhalte werden als geheim deklariert und die Regierung darf nicht mal, wenn die elementarsten Bedürfnisse des Freistaats berührt sind, Auskunft geben.

Was auch jede Auskunft an die Landtagsmitglieder blockiert. Selbst dann, wenn der Regierung möglicherweise belastbare Zahlen vorliegen.

Mit dem Hauptbetriebsplan für den Braunkohletagebau Nochten in der Lausitz (Bescheid vom 23. Dezember 2015) wurde der Betrieb des Tagebaus für 2016 und 2017 genehmigt. Das Oberbergamt fordert darin den Bergbautreibenden auf, bis zum 31. Januar 2017 ein Konzept vorzulegen, wie die vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen wieder nutzbar gemacht werden sollen und wie es mit bergbaubedingten Auswirkungen umgehen will.

Nachdem die Staatsregierung Jana Pinka die Herausgabe dieser Informationen auf ihre Anfrage im März verweigert hatte, bat diese am 12. April 2017 per Auskunftsersuchen nach Umweltinformationengesetz um Einsicht in das Wiedernutzbarmachungskonzept und in die Zusammensetzung der Rückstellungen.

Aber das Sächsische Oberbergamt reagierte genauso wie die Staatsregierung: Die Auskünfte wurden verweigert. Mit dem Hinweis, dass es sich um Geschäftsgeheimnisse handle, wurde Pinka mit dem nun ergangenen Bescheid die Akteneinsicht verweigert.

„Das Parlament muss verantwortungsvoll entscheiden können, schon damit die Allgemeinheit nicht am Ende für die Folgeschäden des Braunkohlebergbaus haften muss. Deshalb müssen die Abgeordneten erfahren, in welchem Umfang das Bergbauunternehmen LEAG Rückstellungen gebildet hat und wie es für die Zeit nach dem Kohleabbau vorsorgt. Das Oberbergamt hält diese Informationen allerdings genauso zurück wie die Staatsregierung. Für dieses Armutszeugnis verlangt die Behörde auch noch 71,96 Euro als Verwaltungsauslage“, kommentiert die Landtagsabgeordnete dieses seltsame Vorgehen, das am Ende die sächsischen Steuerzahler wieder Milliarden Euro kosten kann.

Denn nur wenn die Bergbaubetreiber wirklich die nötige Summe für die Sanierung der Bergbaufolgelandschaften auch sicher zurückgelegt haben, können diese auch für diesen Zweck eingesetzt werden. Vattenfall, von dem die LEAG die Lausitzer Braunkohlesparte übernommen hat, hatte noch 1,2 Milliarden Euro auf diese Weise „angespart“, eine Summe, von der niemand weiß, ob sie tatsächlich noch existiert oder längst an die Aktionäre der LEAG-Mutterfirma EPH ausgeschüttet wurde. Wenn nicht einmal die Staatsregierung, die eigentlich über diese Rücklagen informiert sein müsste, bereit zu Auskünften ist, ist Spekulationen natürlich Tür und Tor geöffnet.

„Zwar wird der ,Stand der Bilanzierung bergbaubedingter Rückstellungen zum Jahresabschluss 2015‘ zum 4. April 2016 übermittelt, jedoch sind fast alle Zahlen geschwärzt. Es ist nur bekannt, dass 278,9 Millionen Euro an Rückstellungen für Nochten vorliegen, die allerdings nicht insolvenzfest sind“, kommentiert Jana Pinka die Nicht-Auskunft des Oberbergamtes. „Gerade die Absicherung dieser Rückstellungen bleibt weiterhin ein Geheimnis. Problematisch sind auch die laschen Vorgaben des Oberbergamtes: Die von der LEAG gelieferte Aufstellung stammt vom 4. April 2016 und betrifft das Jahr 2015. Der Jahresabschluss 2015 lag da bereits seit knapp vier Monaten vor. Was wäre, wenn sich die Zahlen plötzlich dramatisch verschlechtern und das Oberbergamt auf dem Dienstweg erst viel später davon Kenntnis erhält? So ist der Umgang mit einer Bergbau-Heuschrecke nicht zu meistern.“

Bis Anfang 2017 wollte das Oberbergamt von der LEAG eigentlich auch ein belastbares Wiedernutzbarmachungskonzept bekommen. Darin hätte ja alles aufgeführt sein müssen, was an Investitionen notwendig ist, um die Landschaft nach Ende des Bergbaus wieder zu reparieren.

„Das Gutachten zum Wiedernutzbarmachungskonzept liegt laut Oberbergamt noch nicht vor und soll bis Ende 2017 abgeschlossen werden. Es soll jedoch ohnehin nicht herausgegeben werden, weil die LEAG das nicht möchte“, benennt Pinka die nächste deprimierende Auskunft. „Offenbar sollen sich Parlament und Öffentlichkeit damit abfinden, weiter nicht zu wissen, ob das Unternehmen ausreichend für die Behebung der Bergbau-Folgeschäden vorsorgt. Die Staatsregierung muss schnellstens für Transparenz sorgen und das Unternehmen in die Pflicht nehmen, bevor es zu spät ist!“

Aber die gemeinsame Forderung der Regierungen in Sachsen und Brandenburg an die Bundesregierung zum Strukturwandel deutet eher darauf hin, dass beide Regierungen mittlerweile ein ganz dummes Gefühl haben, was die Bergbaufolgekosten betrifft. Und möglicherweise auch all jene Zahlen, die die Landtagsabgeordneten nicht bekommen.

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