So langsam arbeitet sich der Landtagsabgeordnete der Grünen, Volkmar Zschocke, hinein in das leidige Thema der sächsischen Abfallpolitik. Die eigentlich keine Politik ist, so wie so vieles im Ministerium des Thomas Schmidt (CDU). Man ignoriert die Verstöße, sitzt aus, gestaltet nichts. Und so gelangen weiter hunderttausende Tonnen gefährliche Abfälle über sächsische Autobahnen auf Sachsens Deponien. Besonders viele auf die Zentraldeponie Cröbern.

Anfang November 2018 wurde am Hermsdorfer Kreuz ein schrottreifer Sattelzug aus dem Verkehr gezogen, welcher illegal 18 Tonnen Dämmmaterial aus gefährlichen Stoffen zur Deponie Cröbern transportieren wollte. Die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Volkmar Zschocke, abfallpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, ergab nun, dass die Spedition in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen illegaler Abfälle und mangelhafter Fahrzeuge aufgefallen ist. Bei Kontrollen wurden immer wieder unter anderem defekte „Big Bags“, lose umherliegendes Dämmmaterial, Mängel am Sattelauflieger oder defekte Hydraulik festgestellt. Über das Ergebnis der Anfrage berichteten wir am 14. Januar.

Zudem hat sich an der Praxis, hunderttausende Tonnen gefährlicher Abfälle aus Italien nach Sachsen zu importieren, seit Ende des Landtags-Untersuchungsausschusses im Jahr 2014 bis heute nicht wirklich etwas geändert. Der Untersuchungsausschuss hatte sich unter anderem wegen der riesigen Müllimporte aus Italien gegründet, bei denen erhebliche Zweifel bestanden, ob diese Müllimporte legal waren.

Tatsächlich legte der Ausschuss eine ganze Welt von augenscheinlich höchst lukrativen Müllverschickungen in Mitteldeutschland offen. Dazu einen sichtlich fehlenden Kontrollwillen der staatlichen Aufsichtsbehörden. Aber Folgen hatte es nicht. Die Landtagsmehrheit verhinderte mit ihrem Mehrheitsvotum im Abschlussbericht auch Folgen für die Verantwortlichen in der Staatsregierung.

Es wurde also weiter ausgesessen und nur höchst sporadisch kontrolliert.

Und es gelangen – ganz offiziell – weiter hunderttausende Tonnen von gefährlichen Abfällen aus dem Ausland nach Sachsen. In den Jahren 2010 bis 2017 wurden durchschnittlich eine Million Tonnen Sonderabfälle pro Jahr nach Sachsen importiert.

Von den im Jahr 2016 nach Sachsen importierten 1.011.975 Tonnen Sonderabfall stammten 173.227 Tonnen aus Italien. Von den im Jahr 2017 importierten 1.045.631 Tonnen waren 164.460 Tonnen aus Italien. So geht es aus der Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt auf die Anfrage von Volkmar Zschocke hervor.

„Grenzüberschreitende Transporte von gefährlichen Abfällen aus Italien durch diese Spedition gehen überwiegend zur Deponie Cröbern. Durch Transporte über so weite Entfernungen entstehen unnötige zusätzliche Belastungen durch Verkehr, Lärm, Dreck und Gestank. Transporte von gefährlichen Abfällen über die Straße stellen zudem ein erhöhtes Risiko bei Unfällen dar“, erklärt Volkmar Zschocke.

„Obwohl direkte Bahnanlieferung zur Deponie Cröbern möglich wäre, fährt die genannte Spedition offensichtlich hunderte Mal gefährliche Abfälle die gesamte Strecke von Italien nach Cröbern auf dicht befahrenen Autobahnen – und dann auch noch ungesichert und mit defektem LKW.“

Das Argument, gefährliche Abfälle doch besser in Deutschland zu behandeln, als in Ländern mit niedrigen Umweltstandards, könne er so nicht gelten lassen, sagt Zschocke. „Denn hohe Entsorgungsstandards in Sachsen nützen wenig, wenn es an entschlossener Durchsetzung und behördlicher Überwachung mangelt. Mit der Zerschlagung der staatlichen Umweltverwaltung 2007/2008 hat sich eine Mentalität entwickelt, die auf die Eigenüberwachung der Recyclingwirtschaft setzt. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit von ‚schwarzen Schafen‘ in der Abfallentsorgung ist bei dieser Praxis eher gering.“

Und statt den Mülltourismus zu beenden, will Sachsen sogar neue Abnahmekapazitäten schaffen. Obwohl Cröbern ja deshalb Ziel der Italien-Müllfahrten ist, weil diese Deponie in Westsachsen viel zu groß dimensioniert wurde – damals noch in Alleinregie der Landkreise, mit prognostizierten Abfallmengen, die mit der Realität einer schrumpfenden Region nichts zu tun hatten.

Letztlich wurde die Großstadt Leipzig, die ihre Müllkreisläufe lieber in Eigenregie gelöst hätte, regelrecht dazu genötigt, in die Betreiberschaft der Deponie Cröbern einzusteigen und damit auch die Leipziger für diese überdimensionierte Deponie mitzahlen zu lassen. Um diese Kosten wenigstens zu dämpfen, wird seit Jahren Müll aus halb Europa angenommen.

„Es ist zudem nur schwer zu verstehen, wenn aktuell eine neue Deponie bei Crimmitschau (Lkr. Zwickau) für Dämmstoffabfälle, faserkontaminierte Abfälle und asbesthaltige Baustoffe aus dem Raum Sachsen und Thüringen geplant wird, während die vorhandene, leistungsfähige Deponie in Cröbern mit Dämmmaterial und asbesthaltigen Abfällen aus dem fernen Italien gefüttert wird“, kritisiert Volkmar Zschocke.

„Es bedarf dringend einer Strategie, die kommunalen Betreibern wie die der Deponie Cröbern eine wirtschaftliche Auslastung ihrer Kapazität mit Abfällen aus der Region und ohne dieses enorme Ausmaß an Importen ermöglicht, Gefahren durch die beschriebenen halsbrecherischen Transportpraktiken zurückdrängt sowie den Menschen in Sachsen neue Deponien erspart. Notwendig ist auch mehr behördliche Kontrolle abfallrechtlich relevanter Aktivitäten.“

Sachsens Regierung will lieber nichts Genaueres über Abfallimporte auf sächsische Deponien wissen

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