Eigentlich hat Sachsen mit den eigenen Braunkohletagebauen genug Ärger. Allein die ökologischen Schäden werden noch Milliarden kosten und Generationen beschäftigen. Aber seit Jahren wirkt sich auch der polnische Kohletagebau Turów schädigend aus – nicht nur auf das Zittauer Gebiet in Sachsen, sondern auch auf das benachbarte Tschechien. Die tschechische Beschwerde wurde von der EU-Kommission jetzt bestätigt.

Am Donnerstag, 17. Dezember, hat die EU Kommission im Beschwerdeverfahren zum Braunkohletagebau Turów die Einwände der Tschechien Republik gegen Polen bestätigt. In einer begründeten Stellungnahme sieht die EU Kommission an mehreren Stellen rechtliche Bestimmungen der EU verletzt. Diese begründete Stellungnahme ermöglicht es Tschechien nun, zur Durchsetzung des EU-Rechts vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.

Anna Cavazzini, sächsische Europaabgeordnete von Die Grünen/EFA im Europaparlament, kommentiert die Entscheidung mit den Worten: „Endlich haben wir es schwarz auf weiß. Der Braunkohletagebau Turów verletzt das EU-Recht. Seit der Verlängerung der Bergbaulizenz im März 2020 haben wir – sowohl NGOs als auch Politiker/-innen – grenzüberschreitend auf die Vertragsverletzungen aufmerksam gemacht. Die Bestätigung durch die EU Kommission heute gibt unserer Kritik recht.

Die EU Kommission kommt mit ihrer Stellungnahme endlich ihrer Aufgabe als Hüterin der Verträge nach. Jetzt müssen dieser Entscheidung Handlungen folgen und der illegale Bergbau in Turów gestoppt werden bis alle rechtliche Angelegenheiten geklärt sind. Die Tschechische Republik erhält somit vollste Rückendeckung um ihre Beschwerde als fundierte Klage vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. Auch für Sachsen ist das eine wichtige Bestätigung.“

In der Stellungnahme der EU-Kommission kann man dazu lesen:

„Erstens ist die Kommission der Ansicht, dass das polnische Recht die Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (2011/92/EU) nicht ordnungsgemäß umsetzt. Die mangelnde Vereinbarkeit des einschlägigen polnischen Gesetzes mit der Richtlinie 2011/92 ist auch Gegenstand eines anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 258 AEUV.

Zweitens ist die Kommission im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Verlängerung der Bergbaukonzession für den Braunkohletagebau Turów der Auffassung, dass die polnischen Behörden die Bestimmungen der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (2011/92/EU) und der Richtlinie über den Zugang zu Informationen (2003/4/EG) in Bezug auf die Unterrichtung der Öffentlichkeit und der an grenzüberschreitenden Konsultationen beteiligten Mitgliedstaaten, den Zugang zu Gerichten sowie den in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht korrekt angewandt haben.

Andere von der Tschechischen Republik behauptete Verstöße, insbesondere in Bezug auf die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (2001/42/EG) und die Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG), wurden von der Kommission auf der Grundlage der von den beiden Mitgliedstaaten vorgelegten Beweise und Argumente als unbegründet angesehen.“

Dabei sorgte gerade der fahrlässige Umgang mit Grundwasser für Ärger in Sachsen. Denn der Bergbaubetrieb ist nicht nur illegal, er pumpt auch seit Jahren das Grundwasser aus der Region Zittau ab.

Ein klarer Fall, dass auch die Bundesregierung einmal Rückgrat zeigt, findet Dr. Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Die von der EU-Kommission bestätigte Vertragsverletzung Polens ist auch für Sachsen von enormer Bedeutung. Wir haben einen illegal betriebenen Tagebau vor unserer Tür – und der hat schließlich direkten Einfluss auf Sachsens Städte und Umwelt. Um länderübergreifende Bergbaufolgeschäden zu vermeiden, sollte die Bundesregierung jetzt Verantwortung wahrnehmen und die Bundesrepublik Deutschland der Tschechischen Republik im Verfahren als Streithelfer beistehen.“

Was kann der Freistaat Sachsen jetzt tun?

Am Freitag, 18. November, nahm auch Europaministerin Katja Meier zu dem Verfahren Stellung, das ja mittelbar auch Sachsen betrifft: „Die Erweiterung des Tagebaus, wie von polnischer Seite derzeit vorgesehen, führt zu erheblichen grenzüberschreitenden Umweltschäden auf tschechischer und deutscher Seite. Gerade die nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt werden erheblich sein. Den tschechischen Vorstoß für die Einhaltung europäischer Umwelt- und Umweltinformationsrichtlinien vor dem Europäischen Gerichtshof begrüße ich daher nachdrücklich. Unser Ziel ist eine einheitliche Anwendung europäischen Umweltrechts durch alle Mitgliedstaaten der EU. Dies liegt auch im ureigenen Interesse des Freistaates Sachsen. Die Bundesregierung sollte jetzt die Tschechische Republik als Streithelfer unterstützen.“

Der Betrieb des erweiterten Tagebaus könnte laut einem Gutachten den Boden eines großen Gebietes der Stadt Zittau weiter um bis zu 1,2 Meter absinken lassen. Neben schweren Schäden an Gebäuden im Stadtgebiet würden demnach außerdem große Mengen an durch den Tagebau entstehendem saurem Grubenwasser das ökologische Gleichgewicht der Lausitzer Neiße bedrohen und die umliegenden Schutzgebiete gefährden.

Und Klimaschutzminister Wolfram Günther betonte: „Darüber hinaus ist die Erweiterung des Tagebaus ein fatales Signal für die Erreichung der europäischen Klimaziele. Angesichts der Einigung der 27 Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember, den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um 55 statt 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, wirkt die Genehmigung wie aus der Zeit gefallen.“

Dem Freistaat Sachsen ist es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, dem Verfahren als Streithelfer beizutreten. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen könnte die Tschechischen Republik als Streithelfer unterstützen.

Der polnische Braunkohletagebau Turów gräbt der Region Zittau das Wasser ab

Der polnische Braunkohletagebau Turów gräbt der Region Zittau das Wasser ab

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