Mit Blick auf die am Montag, 11. Oktober, von Sachsens Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vorgelegte Studie zu den Auswirkungen des Mindestlohns auf den Freistaat, sieht sich auch der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach darin bestätigt, dass der Mindestlohn keine negativen Auswirkungen auf Sachsen hat. Doch gäbe es nach wie vor massive Mängel in dessen Durchsetzung. Und mit der Kritik steht er nicht allein.

Die Kritik des DGB zum Stand des Mindestlohns in Sachsen

„Jetzt gilt es, den Mindestlohn armutsfest zu machen und auf 12 Euro die Stunde anzuheben und gleichzeitig den Kontrolldruck in allen Branchen zu erhöhen und Verstöße stärker zu ahnden. Dafür ist der Ausbau des Personals bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit dringend erforderlich,” sagte Schlimbach am Montag.

Wie die Daten zeigen, sei die Gefahr einer Mindestlohnunterschreitung in Sachsen höher als im bundesweiten Vergleich. Als Ursache werden die niedrigere Tarifbindung, die kleinteilige Wirtschafts- und Unternehmensstruktur und die Grenzlage zu Polen und Tschechien genannt. Aber auch auf die geringere Mitbestimmung in Sachsen werde als Risikofaktor verwiesen.

DGB: Rahmenbedingungen schaffen

„Klar ist, dass in Unternehmen mit Tarifbindung und mit Betriebsräten die Gefahr der Unterschreitung der Mindestlöhne deutlich geringer ist. Das ist ein klarer Auftrag an die Politik, jetzt die Rahmenbedingungen für eine höhere Tarifbindung in Sachsen zu schaffen. An erster Stelle steht dabei eine Tariftreueklausel im sächsischen Vergabegesetz”, betont Schlimbach.

„In mitbestimmten Betrieben sind die Betriebsräte eine wichtige Kontrollinstanz der Einhaltung von Tariflöhnen und der Mindestlöhne. Im kommenden Jahr stehen in vielen Betrieben die Betriebsratswahlen an und wir erwarten von der Politik, dass sie sich bei Verstößen durch die Arbeitgeber klar hinter die verbrieften Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz stellt. Es darf keine Behinderung von Betriebsratswahlen und Betriebsratsgründungen geben. Das ist im Interesse aller Beschäftigten in Sachsen.“

Grenzen zu Polen und Tschechien als Besonderheit

Zum erhöhten Risiko durch die Grenzlage Sachsens zu Polen und Tschechien sagt Schlimbach: „Die Beschäftigten aus Polen und Tschechien haben selbstverständlich den gleichen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn und die Branchenmindestlöhne. Durch sprachliche Hürden sind sie aber besonders von Lohndumping gefährdet.”

Und weiter: „Dem wirken wir als DGB Sachsen mit Informationen zu den Mindestlöhnen in tschechischer und polnischer Sprache entgegen. Die vom Freistaat Sachsen finanzierte Beratungsstelle für ausländische Beschäftigte in Sachsen (BABS) berät die Beschäftigten individuell in tschechischer, polnischer, rumänischer und ungarischer Sprache.”

Grüne: Mindestlohn ist ein wichtiger Baustein im Wettlauf um Fachkräfte

„Der Mindestlohn ist eine unverzichtbare gesellschaftliche Errungenschaft. Dreizehn Prozent der sächsischen Bevölkerung profitierten laut der nun vorgelegten Studie von der Einführung des Mindestlohns seit 2015. Die Einführung des Mindestlohns wirkte sich zudem in einigen Branchen positiv auf das Tarifniveau aus. Der Mindestlohn zieht eine absolute Lohnuntergrenze ein und bietet Arbeitnehmenden die Sicherheit, nicht in Erwerbsarmut zu fallen“, kommentiert Gerhard Liebscher, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, die vorgelegte Studie.

„Klar ist aber auch: Der Mindestlohn stellt noch kein existenzsicherndes Einkommen oder auskömmliches Rentenniveau sicher.”

Die Grünen stünden für die Erhöhung des bundesweiten Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde.

„Um sich im Wettlauf um Fachkräfte als konkurrenzfähiger Standort aufzustellen, reicht es allerdings nicht aus, sich auf der bundesweiten Lohnuntergrenze auszuruhen: Durch Tarifpartner erstrittene und tarifvertraglich festgelegte Entgelte bieten attraktive Bedingungen zur Bindung von Fachkräften. Die schwache Tarifbindung bei grassierendem Fachkräftemangel erweist sich aktuell als zentraler Hemmschuh für die sächsische Gestaltungskraft“, betont Liebscher.

„Noch ist Sachsen Schlusslicht bei der Tarifbindung. Hier müssen wir als Land deutlich vorangehen und die Tarifbindung unserer landeseigenen Unternehmen sichern. Wir stehen in der Verantwortung, die öffentliche Vergabepraxis von Steuermitteln sozial und nachhaltig zu gestalten und an Tariftreue zu binden. Zudem sollte auch für Solo- und Kleinst-Selbstständige eine Absicherung durch ein Mindesthonorar geprüft werden.”

Linke: Noch immer sind viele Sachsen trotz Vollzeit-Job arm

„13 Euro sind das Mindeste, damit aus heutiger Sicht niemand im Arbeitsleben und im Alter arm sein muss“, erklärt Nico Brünler, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Wir sind gespannt, was auf der Bundesebene passiert. Gerade für die Beschäftigten im Niedriglohnland Sachsen ist die Untergrenze enorm wichtig, aber weil sie weiterhin zu niedrig ist, sind trotzdem noch viele Menschen in Sachsen arm – obwohl sie einen Vollzeit-Job haben. Es ist bis heute kein Ruhmesblatt für Sachsen, dass in keinem anderen Bundesland so viele Menschen per Mindestlohn aus extremer Lohndrückerei gerettet werden mussten.”

Brünler zeigt sich sicher: „Ohne die Linke, die als erste Partei das Projekt Mindestlohn auf die Tagesordnung gesetzt hat, wäre auch das nicht zustande gekommen. Ich erwarte, dass die Staatsregierung alle notwendigen Schritte geht, damit kein Unternehmen den Mindestlohn unterschreiten kann. Dazu ist ein stetig hoher Kontrolldruck notwendig. Um die Tarifbindung wieder zu steigern, müssen Tarifverträge wieder leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können.“

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