Die Brände in der Sächsischen Schweiz waren nicht der Auslöser für die Debatte, aber sie haben eine frisch gegründete Bürgerinitiative bestärkt in ihrem Bestreben, den Nationalpark Sächsische Schweiz aufzulösen und in einen Naturpark umzuwidmen, den Schutzstatus also deutlich zu verringern. 2021 hatte das der Stadtrat von Hohnstein sogar genau so beschlossen. Der NABU Sachsen ist natürlich entsetzt.

Hohnstein liegt praktisch mittendrin im Nationalpark. Aber das gefällt manchen Hohnsteinern nicht, denn das schränkt die Verfügung für etliche Grundstücke im Stadtgebiet gewaltig ein.

Was dann auch wesentlicher Inhalt des Stadtratsbeschlusses vom September 2021 war, denn der will im erste Schritt erreichen, „dass alle im Stadtgebiet befindlichen Grundstücke, welche sich nicht im Eigentum des Freistaates Sachsen oder des Bundes befinden, grundsätzlich aus dem Nationalpark ausgegliedert werden sollen“.

Damit würden sie nicht mehr den strengen Schutzregeln für den Nationalpark unterliegen, die vor allem darauf abzielen, eine ungestörte natürliche Entwicklung zu ermöglichen und das geschützte Gebiet menschlichen Eingriffen weitgehend zu entziehen.

Wenn es immer nur um touristische Nutzung geht

Bei einem Naturpark wäre menschliche Nutzung des Gebietes weiterhin möglich. Hier geht es vor allem um den Erhalt der Kulturlandschaft, die „in ihrer heutigen Form bewahrt und gleichzeitig touristisch vermarktet werden darf“. Womit der wesentliche Antrieb der Hohnsteiner benannt ist: Es geht um mehr touristische Erschließung.

Dort agieren also die politischen Verantwortlichen genauso wie im Leipziger Neuseenland – Tourismus um jeden Preis. Natürlich lebt die Wirtschaft dort in großem Maß davon. Aber gleichzeitig lebt sie auch davon, dass die Sächsische Schweiz weitgehend von solchen Eingriffen verschont wurde.

Was leider nicht bedeutet, dass der Nationalpark Sächsische Schweiz in einem guten Zustand ist. Eine Evaluierung machte schon 2012 massive Probleme im Nationalpark sichtbar, wie man auch auf Wikipedia nachlesen kann:

„Die tatsächliche Prozessschutz-Fläche, auf der keine menschlichen Eingriffe erfolgen, ist sehr stark zergliedert. Diese Flächen weisen infolge von Forststraßen, Wanderwegen, Bergpfaden und Zugangswegen zu Kletterfelsen einen außerordentlich hohen Zerschneidungsgrad mit entsprechendem Beeinträchtigungspotenzial durch Besucher auf. Hinzu kommt eine starke touristische (Über)-Nutzung.

Weiterhin erfolgte eine fast flächendeckende Bejagung des Wilds, sodass eine ‚Strenge Naturzone ohne Management‘ nach internationalem Standard praktisch nicht existiert. Es gibt bislang kein Konzept zur weiteren Reduzierung der außerordentlich hohen Wegedichte. Hoher Anteil an nicht standortgemäßen Fichtenforsten bei insgesamt noch unterdurchschnittlichem Grad an Naturnähe. Noch zu geringe Ausstattung mit Rangern führt zu unzureichender Besucherinformation und Gebietskontrolle.“

Das heißt: Schon 2012 waren auch schon entscheidende Gründe bekannt, die nun im Jahr 2022 das Feuergeschehen begünstigt haben – die Fichtenforsten, die auch in der Sächsischen Schweiz nicht die natürlich vorkommenden Baumarten darstellen, bei Trockenheit aber wie Zunder brennen und in den letzten Jahren auch unter Borkenkäferbefall litten. Und die zu geringe Gebietskontrolle, die das Entdecken von Brandherden erschwert.

Die Elbe im Gebiet der Sächsischen Schweiz. Foto: Tilly Domian
Die Elbe im Gebiet der Sächsischen Schweiz. Foto: Tilly Domian

Wenn die Natur nicht genug Platz hat

Der Vorstoß aus Hohnstein würde genau diese Fehltatbestände sogar noch verstärken, während gerade das, was einen Nationalpark auszeichnet, eigentlich fehlt: eine „Strenge Naturzone ohne Management“.

Aber am 17. August gründete sich dann auf Burg Hohnstein auch noch die Bürgerinitiative, die die Umwandlung des Nationalparks in einen Naturpark zur Forderung macht. Und sie fordert dementsprechend all die Maßnahmen, die zur Stärkung des Nationalparkcharakters ergriffen wurden, wieder rückgängig zu machen.

Ein Ansinnen, bei dem der NABU Sachsen aufs Höchste alarmiert ist.

„Durch die verheerenden Waldbrände im Nationalpark Sächsische Schweiz kommen alte Diskussionen wieder auf, denn seit seiner Gründung gibt es wiederholt Debatten zum Umgang mit den Schäden im Waldgebiet. Nun fordert eine Bürgerinitiative, zu deren Sprechern der Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade gehört, die Abschaffung des Nationalparks Sächsische Schweiz.

Die Mitglieder sprechen sich unter anderem für die Beräumung eines Großteils des Totholzes und die Schaffung und Unterstützung von touristischen Attraktionen und Infrastrukturen außerhalb der besonders schützenswerten Zonen aus. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in Hinterhermsdorf“, kommentiert der NABU Sachsen die Wortmeldung aus Hohnstein und Hinterhermsdorf.

Beim NABU Sachsen stoßen derartige Forderungen auf vollkommenes Unverständnis und werden vehement abgelehnt.

Joachim Schruth, Referent für Naturschutzrecht und -politik beim NABU Sachsen, begründet das folgendermaßen: „Das wichtigste Ziel eines Nationalparks ist der Schutz des Ökosystems. Deshalb sehen die IUCN-Kategorien (International Union for Conservation of Nature (IUCN)) grundsätzlich vor, dass die Natur auf einer Mindestfläche sich selbst überlassen ist. Daran haben sich Bewirtschaftung und Tourismus auszurichten. Was die Initiative unter Führung des Hohnsteiner Bürgermeisters plant, geht wohl mehr in Richtung Disneyland. Dies ist mit uns nicht zu machen und wir würden uns gegebenenfalls mit rechtlichen Mitteln wehren.“

Die Abschaffung des Nationalparks wäre ein ökologisches Desaster

Die Staatsregierung hat erst am Dienstag, 30. August, eine unabhängige Expertenkommission „Waldbrände Sommer 2022“ eingesetzt, deren Aufgabe es sein soll, „die Geschehnisse und Abläufe objektiv auszuwerten und daraus Maßnahmen zur besseren Prävention, Bekämpfung und Nachsorge von Waldbränden abzuleiten.“

Da ist völlig offen, welche Ergebnisse dann im Protokoll stehen werden.

„In Sachsen werden Rückzugsorte für Pflanzen und Tiere immer seltener. Deshalb haben unberührte Orte wie der Nationalpark Sächsische Schweiz einen extrem hohen Mehrwert“, geht der NABU auf die Einzigartigkeit des Nationalparks ein, die gestärkt werden müsste und eben nicht geschwächt, wie die Hohnsteiner das wollen.

„Mit 0,5 % der Landesfläche bildet der einzige Nationalpark im Freistaat eines der größten zusammenhängenden Areale, in dem die Natur sich weitgehend selbst überlassen ist, sich aus eigener Kraft regeneriert und an veränderte klimatische Bedingungen anpasst.“

Tatsächlich müsste in Sachsen eine völlig andere Diskussion geführt werden, nämlich darüber, wesentlich größere Teile der Landesfläche der menschlichen Über-Nutzung zu entziehen und darauf Biodiversität und eine naturnahe Entwicklung überhaupt erst wieder möglich zu machen.

„Die Diskussion bezüglich des Totholzes geht ebenfalls in die falsche Richtung. Totholz dient einer großen Zahl von Tieren, Pilzen und Pflanzen als Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungshabitat“, stellt der NABU Sachsen fest. „Ohne Totholz wären beispielsweise Fledermäuse, Käuze und Siebenschläfer oft wohnungslos.

Nicht die der Dürre und den Schädlingen zum Opfer gefallenen Bäume, die im Waldgebiet liegen, sind die Verursacher der Waldbrände. Menschliche Unvernunft führt oft zu solchen Katastrophen und ist zukünftig durch eine umfassende Aufklärungsarbeit und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu verhindern.

Die Abschaffung des Nationalparks wäre ein ökologisches Desaster. Neben der unvergleichlichen Schönheit dieser sächsischen Attraktion ist es nämlich genau dieser Status, der jährlich viele naturinteressierte Touristen in die Region lockt.“

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Keine Kommentare bisher

MP Kretschmer hatte ja nach einigen Tagen der verheerenden Waldbrände auch schon das Totholz als “Ursache” ausgemacht. Nun ziehen die Bürgermeister nach und wollen Natur beräumen, damit Touristen sich im aufgeräumten, mit Troubel-Bauten erfreuen können ? Die Menschheit ist unbelehrbar – aber kein Wunder, wennd er Landesvater so voran geht.

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