Am liebsten hätte Sachsens CDU 2019 ganz allein weiterregiert. Die CDU-Fraktion tat sich damals schon schwer, einige Kompromisse mit den kleineren Koalitionspartnern SPD und Bündnis 90/Die Grünen in das gemeinsame Koalitionspapier mit aufzunehmen. Doch im September sind Landtagswahlen und immer mehr gemeinsame Vereinbarungen kündigt die CDU-Fraktion auf. Auch die Sächsische Mobilitätsgesellschaft hat es erwischt.

Das ist eines der Projekte, um die SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig auch schon in der Legislaturperiode davor gerungen hat. 2019 kam es wenigstens schwarz auf weiß in den Koalitionsvertrag: CDU, Grüne und SPD vereinbarten dort die Gründung der Sächsischen Mobilitätsgesellschaft, die vom Freistaat und den Kommunen getragen werden sollte.

Sie sollte verbindliche Regeln in einem Landesnahverkehrsplan definieren und darüber hinaus beispielsweise einen Sachsentarif einführen, Qualitäts- und Mindestbedienstandards festlegen und stillgelegte Strecken reaktivieren. Doch auf Anfrage des mobilitätspolitischen Sprechers der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Marco Böhme, kam nun heraus: Die notwendige Gesetzesänderung hat es noch nicht einmal ins Kabinett geschafft (Drucksache 7/16001).

Die Themen der Anderen

„Schon zur Mitte der Wahlperiode zeichnete sich ab, dass die Koalition an diesem zentralen Projekt scheitern würde. Nun ist es amtlich“, stellt Marco Böhme fest. „Ich hätte darauf wetten können, dass neben dem Vergabegesetz oder dem Agrarstrukturgesetz auch die Mobilitätsgesellschaft auf Kretschmers Liste des Versagens landet. Die Koalition hat fünf Jahre verbummelt, obwohl es dringend ist, die fünf Verkehrs-Zweckverbände zu harmonisieren, den Tarifdschungel zu entwirren und das Angebot überall auszubauen.“

Das Ergebnis: Es gibt weiterhin keine Mindestbedienstandards, die Bereitstellung von ÖPNV-Verbindungen ist keine kommunale Pflichtaufgabe und etwa zwei Millionen Menschen in Sachsen sind nicht an ein ordentliches Nahverkehrsnetz angeschlossen, stellt Böhme fest: „Immer noch fahren Reichsbahnzüge zwischen Chemnitz und Leipzig, keine der versprochenen Strecken wurde elektrifiziert. Auch eine zentrale Fahrzeugbeschaffung und einheitliche Qualitätsstandards fehlen.“

Gebremst wurde die Vorlage zur Mobilitätsgesellschaft auch durch einige Verkehrsverbände, die ihre Bedenken äußerten, wie sie es auch in den Vorjahren schon getan haben. Denn auch hier wirken politische Interessen und bei einigen Lokalpolitikern ist der Wille, Kompetenzen im Nahverkehr an eine übergeordnete Mobilitätsgesellschaft abzugeben, nicht besonders ausgeprägt.

„Die Kabinettsvorlage zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG) mit wesentlichen Gründungsinhalten für die Sächsische Mobilitätsgesellschaft (SMG) konnte dem Kabinett aufgrund von Bedenken und Hinweisen, die im Rahmen der Anhörung der Verbände geäußert worden sind, nicht zugeleitet werden“, hieß es in der Antwort der Staatsregierung.

Mehr wolle man nicht sagen, die Gründung der SMG sei „weiterhin Gegenstand von Meinungsbildungs- und Verhandlungsprozessen innerhalb der Staatsregierung“. E ist also nicht mehr ernsthaft damit zu rechnen, dass eine entsprechende Vorlage noch vor der Landtagswahl zur Abstimmung in den Landtag kommt. Und danach geht dasselbe Spiel wahrscheinlich von vorne los.

Weiter mit Flickenteppich

Sachsen brauche aber eine zentrale Landesverkehrsgesellschaft, die Verbundgrenzen überwindet, Takte besser abstimmt und flächendeckend weitere Linien schafft, erklärt Böhme.

„Qualitätsmerkmale wie WLAN, Barrierefreiheit, gut bezahltes Personal und ebensolche Ausbildungsbedingungen müssen Standard werden“, fordert der Landtagsabgeordnete. „Wir haben mit unserem ÖPNV-für-alle-Gesetz gezeigt, wie das gehen kann. Es ist ein langer Weg, bis in Sachsen der Öffentliche Nahverkehr aus einer Hand geplant wird. Das betrifft sowohl fahrgastgerechte Vergabeverfahren für Fahrzeuge und Strecken als auch die Senkung der Ticketpreise, die Barrierefreiheit und einen Taktfahrplan.“

Mit dem Deutschlandticket spielen zwar die vielen Tarifgrenzen für viele Nutzer nicht mehr die teure und hemmende Rolle wie in der Vergangenheit. Aber damit ist der darunter liegende Flickenteppich eben noch nicht aufgelöst.

„Es ist auch ein Irrglaube, dass das Deutschlandticket den Sachsentarif überflüssig gemacht hätte“, sagt Böhme. „Wer sich das Ticket im Abo leisten kann, muss sich um das Tarif-Dickicht nicht mehr sorgen, das stimmt. Doch bei weitem nicht alle heutigen wie potenziellen Fahrgäste können sich das Ticket leisten. Sie leiden weiter unter den Tarifstrukturen und müssen Sonderregelungen beachten.“

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