LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 85, seit 20. November im HandelStell dir vor, du wirst als Landesliga-Trainer verpflichtet – darfst aber nicht trainieren. Genau so ergeht es momentan unserem LZ-Fußballexperten Marko Hofmann. Ausgerechnet zwei Tage vor dem November-Lockdown bekam der 36-Jährige das für ihn bisher höchstklassige Traineramt bei den Männern der Kickers Markkleeberg angeboten. Er nahm diese Offerte an, doch war unmittelbar zum Nichtstun verdammt.

„Die Situation ist natürlich absolut skurril“, so Hofmann, der bei den Markkleebergern bereits im Nachwuchsbereich einige Erfolge als Coach zu verzeichnen hatte und die Trainer B-Lizenz besitzt. „Du freust dich total darauf, als Trainer in deinem ‚alten‘ Verein die Dinge anzupacken, freust dich auf die Landesliga, auf die Gegner und auf die Wettkämpfe – denn Fußball ist nun mal für Wettkämpfe gemacht. Doch dann ist plötzlich Lockdown, und du fragst dich: Was machst du jetzt?“

Seine Mannschaft weiß zwar, dass sie kürzlich einen neuen Trainer bekommen hat und wer es ist, doch der persönliche Erstkontakt muss wohl noch etwas warten. „Die Mannschaft kennenzulernen wäre aktuell nur über die Zoom-Fitnesstrainings möglich, die einmal wöchentlich abgehalten werden“, erklärt Hofmann im LZ-Interview.

„Aber mich vor den Rechner zu setzen und aus meinem Arbeitszimmer der Mannschaft zuzuwinken, finde ich dann auch nicht so sinnvoll. Ich hätte es schon gerne, dass wir uns persönlich kennenlernen. Das geht im Moment leider nicht, sodass die direkte Vorstellung bei der Mannschaft bisher noch nicht stattgefunden hat.“

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 85, Ausgabe November 2020. Foto: Screen LZ

Der Kontakt zum Team wird momentan vom Trainer-Kollegen Christian Sund aufrechterhalten. „Wenn der Lockdown aber noch in den Dezember hineingeht, werde ich mich bei den Führungsspielern auch telefonisch persönlich vorstellen, damit wir dann im Januar nicht im Urschleim anfangen müssen“, kündigt Marko Hofmann an. So ganz untätig sind er und sein Trainerteam trotz der Umstände natürlich nicht.

„Wir als Trainerteam telefonieren regelmäßig, haben uns inzwischen auch zweimal getroffen. Dabei haben wir z. B. das Thema Neuzugänge in der Winterpause besprochen und was dahingehend möglich ist. Wir haben abgesteckt, wie wir in Zukunft Fußball spielen wollen, wie wir das Training planen. Das ist quasi alles fertig. Gleichzeitig habe ich mir so viele Aufnahmen von den Spielen wie möglich kommen lassen. Dabei werde ich nicht nur auf die Kickers schauen, sondern mich noch intensiver über die bisher gelaufenen Spiele und die Art und Weise des Fußballs der Gegner informieren“, beschreibt der neue Kickers-Coach seine Aktivitäten.

In der 22 Mannschaften umfassenden Landesliga haben die Markkleeberger bisher sechs Spiele absolviert und rangieren mit drei Punkten aktuell auf dem vorletzten Tabellenplatz. Als „Retter“ will sich Hofmann trotz dieser unkomfortablen Situation dennoch nicht verstanden wissen. „Es ist natürlich eine schwierige Situation. Aber es sind erst sechs Partien gespielt, also kommen – wenn man nur die Hinrunde betrachtet – noch mindestens 15 dazu.

Es werden somit noch 45 Punkte vergeben. Wir haben momentan erst drei Punkte, aber eben auch nur drei Punkte Rückstand auf den 16. Platz und fünf Punkte auf den 13. Platz. Es ist noch alles eng beieinander. Zudem haben die Kickers gegen die aktuell ersten Vier bereits gespielt. Von daher ist ‚Retter‘ vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen.“

In welchem Modus die Landesliga-Saison im kommenden Jahr zu Ende gespielt werden kann, weiß aktuell niemand. „Da musst du als Trainer extrem flexibel sein und die Trainingsinhalte je nach Modus priorisieren“, ist sich Hofmann bewusst. „Denn wenn nur eine einfache Runde gespielt werden würde, bedeutet das für die Teams, die unten stehen, dass sie nur 15 Spiele Zeit haben, um Tabellenplatz 14 zu erreichen, da bis zu acht Teams absteigen könnten. Da wirst du über deinen Trainingsplan sicherlich noch mal anders nachdenken, als wenn du nach dieser einfachen Runde noch die Playoffs oder Playdowns spielen kannst. Das hat unter anderem mit Belastungen zu tun oder mit Schwerpunkten, die du in deiner Spielphilosophie setzt.“

Verrückt machen lässt sich der Coach durch diese Unklarheiten allerdings nicht: „Es betrifft ja alle Teams, da hat keiner einen Masterplan in der Tasche. Du musst deine Rahmenbedingungen, deine Tabellensituation und deine Spielphilosophie flexibel organisieren können“, so Hofmann. „Wer das am besten beherrscht und die richtigen Entscheidungen trifft, wird bei gleichem ‚Spielermaterial‘ – die Teams in der Landesliga sind, bis auf die Ersten, auf einem relativ ähnlichen Niveau – auf jeden Fall Vorteile haben.“

Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit

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