Es hatte doch für einiges Erstaunen gesorgt, dass es Mitte Februar nicht einfach nur formell Winter war, sondern Leipzig plötzlich auch mit einer ungewöhnlich dicken Schneeschicht überzogen wurde. Ebenso erstaunt waren viele Spaziergänger/-innen über die scheinbar aus dem Nichts auftauchende große Zahl an Skisportler/-innen, die auf dem kühlen Weiß mit Langlaufbrettern elegant ihre Bahnen zogen.

Ab und zu waren einige von ihnen in Vereinskleidung des SC DHfK unterwegs, was an sich nicht besonders erstaunlich ist – dass da aber auch „Skisport“ draufstand, dann doch. Denn dass ausgerechnet in der Leipziger Tieflandsbucht ein Skisportverein aktiv ist, klingt zunächst kurios. Doch Skifahren geht nicht nur auf Schnee, sondern mit Rollski eben auch auf Asphalt. Daher ist es dann doch nicht ganz so erstaunlich, dass es beim SC DHfK Leipzig eine Abteilung Skisport/Biathlon gibt, die immerhin rund 60 Mitglieder hat. Der bisher sportlich Erfolgreichste unter ihnen ist Moritz Kirschner. Der (fast) 20-jährige Leipziger hat mit den Rollski bereits an der Junior/-innen-WM teilgenommen und durfte sich im vergangenen Jahr über seine erste Einzel-Top-10-Platzierung in einem Weltcup freuen. Seine Begeisterung für den Skisport war bereits seit seiner frühesten Kindheit entfacht, denn Langlauf und Biathlon zogen vor dem Fernsehapparat die gesamte Familie in ihren Bann.

„Als ich zwei, drei Jahre alt war, bin ich mit Plastik-Schienen von der Autorennbahn unter meinen Füßen durch die Wohnung gerannt, hatte mir irgendwas auf den Rücken geklemmt und habe so Fritz Fischer im Fernsehen beim Biathlon zugeguckt“, erinnert sich Moritz Kirschner im Interview mit der „Leipziger Zeitung (LZ)“ an die Anfänge.

Umso erstaunlicher, dass er den eigenen aktiven Weg zum Skisport erst recht spät eingeschlagen hat. Denn zunächst probierte er sich im Breakdance aus. Zu diesem Zeitpunkt waren seine drei jüngeren Geschwister Lasse (15), Selma (12) und Klara (17) schon längst auf den schnellen Rollen bzw. Brettern unterwegs. Als Moritz sie dann einmal zur Regionalmeisterschaft nach Johanngeorgenstadt begleitete, hat er sich so sehr darüber geärgert, nur zuschauen und nicht mitmachen zu können, dass er im Alter von elf Jahren schließlich auch auf die Bretter stieg und im darauffolgenden Jahr dann selbst aktiv bei der Regionalmeisterschaft mitmischte.

„Und dann hat alles seinen Lauf genommen“, sagt Moritz Kirschner. Ein ganz besonderes Erlebnis führte außerdem dazu, dass auch Vater Matthias aktiv ins Ski-Geschehen einstieg. Der Anlass: Sein Sohn Lasse war in einem Rennwettkampf an ihm vorbeigezogen. „An diesem Tag hat sich Papa fest vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören und regelmäßig Sport zu machen. Das war auch ein Knackpunkt dafür, dass sich das alles so weit entwickelt hat“, verrät Moritz. Matthias Kirschner ist inzwischen Leiter der Skisport-Abteilung und Trainer für Biathlon.

Die neue „Leipziger Zeitung (LZ)“, VÖ 26.02.2021
Die neue „Leipziger Zeitung (LZ)“, VÖ 26.02.2021

Normalerweise trainieren die Skifreund/-innen jeden Dienstag auf der Festwiese oder auch im Clara-Zetkin-Park. Dabei geht es vor allem um Ausdauer und Athletik. „Wir machen viel Koordinatives und Kraft, aber auf einer spielerischen Basis“, erklärt Moritz, der seit zwei Jahren die Jüngsten trainiert. „Ich versuche, den kleinen Kids die Erfahrung und das Wissen, das ich erlangt habe, beizubringen und vielleicht den einen oder die andere mit hochzuziehen. Das wäre schön.“

Donnerstags geht es zum Training dann an den Markkleeberger oder Cospudener See, wo auf kilometerlangen Asphaltbändern ausgiebig gerollt werden kann. Sein eigenes Training ist aber noch etwas umfangreicher. „Ich persönlich nutze zum Beispiel auch den Fockeberg, wenn ich Bergintervalle mache. Außerdem gehe ich schwimmen, fahre Rad und kann beim SC DHfK ins Fitnessstudio, um Kraft zu trainieren. Ich laufe durch die Parks, auf den Dämmen entlang oder auch wieder auf dem Fockeberg und ich fahre natürlich Rollski am See.“

Ganz leicht fällt ihm das nicht immer, denn: „Mein größtes Problem, mit dem ich seit Jahren hadere und worunter manchmal auch die Motivation leidet, ist, dass ich einfach keinen Trainingspartner habe. Der einzige aus dem Verein, mit dem ich auch schon ein paarmal unterwegs war, ist vier Jahre jünger. Aber das ist eben nicht dasselbe als mit einem 20-Jährigen zu trainieren, der schon ein paar Kilometer mehr auf dem Buckel hat – gerade wenn es um Intervalle oder ähnliches geht. Ich glaube, 95 Prozent meines gesamten Trainings sind von mir alleine gestaltet.

Ich schreibe auch meine Trainingspläne selbst, weil nicht die entsprechenden Trainer vor Ort sind. Deshalb freut es mich umso mehr, wenn mal ein paar Sportler, die ich aus dem Erzgebirge kenne, in Leipzig sind. Da machen wir uns direkt etwas aus und gehen gemeinsam trainieren. Ansonsten habe ich hier wirklich keinen. Das ist echt schade, aber ich muss mich da durchkämpfen. Das wird allerdings von Jahr zu Jahr immer zäher, alles alleine stemmen zu müssen.“

Zusätzlich stellen die finanziellen Anforderungen, die der Sport mit sich bringt, die Motivation auf die Probe, denn auch diese müssen selbst gestemmt werden. „Ein Weltcup mit Flug, Unterkunft und Verpflegung kostet so um die 700 Euro. Letztes Jahr war ich bei zwei Weltcups, das Jahr davor bei drei. Das sind schon mal fast 2.500 Euro, nur um dort sein zu können“, rechnet Moritz Kirschner vor.

Moritz Kirschner ist aktuell der erfolgreichste Athlet in der Ski-Abteilung des SC DHfK. Foto: privat
Moritz Kirschner ist aktuell der erfolgreichste Athlet in der Ski-Abteilung des SC DHfK. Foto: privat

„Dann braucht es natürlich noch das ganze Equipment. Ein Paar Rollski habe ich von einem Partner gestellt bekommen. Das kostet sonst auch um die 350–400 Euro. Die halten zwar lange, aber du musst dir die Rollen dazukaufen, da kostet das Set mit vier Paar rund 60–70 Euro. Richtig teuer sind die Carbon-Stöcke. Die kosten 350 Euro und können beim Training oder im Wettkampf auch schon mal zerbrechen. Und so läppert sich das dann eben. Daher bin ich unheimlich dankbar dafür, dass mir das meine Eltern die letzten Jahre bezahlt haben. Jetzt bezahle ich das selber und gehe dafür nebenbei arbeiten. Leider kommt aber auch keine andere Finanzierung rein.“

Auf spürbare Unterstützung vom Deutschen Skiverband (DSV) können die Rollski-Athlet/-innen nicht zählen. Denn im Gegensatz zum Biathlon, Langlauf, Skispringen und der Nordischen Kombination werden der Rollski-Sport und seine Wettbewerbe vom Verband nicht gefördert, wie Moritz bemängelt. Selbst die zwingend zu tragende Wettkampfkleidung des Nationalteams muss von den Sportler/-innen anteilig bezahlt werden. „In Deutschland ist Rollski noch eine absolute Randsportart“, bedauert Moritz Kirschner.

Das liegt vor allem auch daran, dass hierzulande Rollski und Langlauf getrennte Nationalteams haben. In den Ski-Nationen Norwegen, Schweden, Italien oder Russland sind beide Disziplinen in einem gemeinsamen Team vereint – entsprechende Förderung inklusive. „Ich wünsche mir, dass der Deutsche Skiverband endlich aktiv wird, um den Rollski-Sport zu fördern, denn der wird in den nächsten zehn, zwanzig Jahren durch die Decke gehen, weil es einfach immer weniger Schnee gibt.“

All diese Widrigkeiten machen Moritz Kirschner aber umso stolzer auf seine im letzten Jahr erreichte Top-10-Platzierung im Weltcup. „Es musste alles selbst organisiert und finanziert werden, daher ist es für mich umso schöner, jetzt sagen zu können: Diese Weltcup-Platzierung habe ich wirklich alleine geschafft und ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut.“ Nun ist er heiß auf die kommende Saison und hofft, dass diese in Zeiten von Corona auch wirklich über die Bühne gehen kann.

Für Moritz wird es zudem das erste Jahr im Männerbereich sein – und er weiß: „Das ist eine komplett andere Liga! Da ist taktisches Rennen gefragt, aber eben auch eine unheimliche Ausdauer und Kraft. Es wird sich nach den ersten Rennen zeigen, wo ich stehe.“ Neben den anstehenden Weltcups freut sich der Leipziger ganz besonders auf die Weltmeisterschaft in Chanty-Mansijsk (Russland). „Das wäre ein Highlight für mich, dort wieder gut abzuliefern und zu sehen, wie das Training gewirkt hat.“

Seinen rasanten Sport, bei dem er auf Abfahrten schon mal mit bis zu 70 Stundenkilometern über den Asphalt heizt, will Moritz Kirschner nicht mehr missen. „Rollski ist einfach ein cooler Sport“, ist der junge Leipziger nach wie vor begeistert. „Du brauchst zwar eine Weile, bis du dabei nicht mehr so oft hinfällst, aber wenn du es einmal kannst, hast du mit Rollski wirklich den Spaß deines Lebens!“

Homepage der Skisport-Abteilung:
https://scdhfk-skisport.de

„Du hast auf Rollski den Spaß deines Lebens!: Moritz Kirschner über die Freuden und Leiden in einer (noch) Randsportart“ erschien erstmals am 26. Februar 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 88 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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