Von wegen kürzertreten! Im vergangenen Jahr erst hatte Anja Kreitczick ihre aktive Handball-Karriere beendet. Die 25-jährige ehemalige HCL-Torhüterin brauchte mehr Zeit. Sie wollte sich stärker auf ihr Studium konzentrieren. So ganz ohne Sport ging es allerdings auch nicht. Also schnupperte Kreitczick spaßeshalber beim Flag Football rein. Die Folge: ein Platz im Perspektivkader des Frauen-Nationalteams. Und das hat ein klares Ziel: Olympia-Teilnahme 2028 in Los Angeles!
Anja Kreitczick ist gebürtige Regensburgerin und hütete Handball-Tore. Im jugendlichen Alter von 16 Jahren wechselte sie vom heimatlichen ESV 1927 hinüber zum HC Leipzig und in das hiesige Sportgymnasium. Bereits in ihrer ersten Saison gewann sie mit ihrem neuen Team die Deutsche Meisterschaft der B-Jugend. Zwei Jahre später folgte der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Mitte 2021 verließ Kreitczick die Leipzigerinnen wieder und stand daraufhin wenige Kilometer weiter beim Juniorteam des SV Union Halle-Neustadt zwischen den Pfosten.
Im Sommer – während der Saisonpausen – zieht es die 1,78 Meter große Keeperin zudem regelmäßig auf das sandige Spielfeld des Beachhandballs. Dort avancierte sie sogar zur Nationalspielerin und holte mit den „Minga Turtles“ des TSV Ismaning die Deutsche Meisterschaft 2021.
Als Kreitczick zum Saisonende 2024 ihre Hallenhandball-Karriere für beendet erklärte, sollte (eigentlich) das Studium in den Fokus rücken. Immerhin stehen hier gleich zwei verschiedene Abschlüsse auf der Agenda: zum einen das Lehramt (Sport und Latein), zum anderen der Bachelor Sportwissenschaften.
Und klar, das Studium bekommt natürlich die erforderliche Aufmerksamkeit. Doch als bekennender Fan des American Football reizte sie dennoch die Idee, es nebenbei selbst einmal mit Flag Football zu versuchen. Das ist die kontaktarme Variante des klassischen American Football, bei der statt eines herzhaften Tacklings, am Gürtel befestigte Fähnchen abgezogen werden müssen. Den passenden Verein dazu fand Anja Kreitczick bei den Leipzig Lions in Grünau.
Passend dazu entdeckte die Sportlerin eine Ausschreibung des American Football Verbands Deutschland (AFVD). Dieser veranstaltete 2024 offene Tryouts, also Testtrainings, um auch den Kader der weiblichen Flag Football-Nationalmannschaft zu verstärken. Kurz überlegte Kreitczick, sich einfach mal dafür anzumelden. Aber dann kamen ihr Zweifel und sie sah davon ab. Deshalb staunte sie nicht schlecht, als zwei Wochen später Post vom Verband eintrudelte: Es war eine persönliche Einladung zu den Tryouts. Ein Wink des Schicksals!
Der AFVD hatte gezielt nach Kandidatinnen aus anderen Sportarten Ausschau gehalten, die ins Football-Profil passen könnten. Neben Leichtathletinnen oder Fußballerinnen waren das auch Handballerinnen wie Anja Kreitczick. Mit ihrer Athletik und Ballsport-Erfahrung hatte sie dann bei den Leistungstests überzeugen können. Ende März kam deshalb erneut Post vom Verband: Die Leipzigerin ist in den Perspektivkader des Nationalteams berufen worden!
Dazu muss man wissen: Flag Football (5er Team) wird bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles (USA) erstmals olympische Sportart sein. Die deutsche Nationalmannschaft hat also viel vor. In den kommenden Monaten wird der jetzt formierte erweiterte Kader auf den finalen 12er-Kader schrumpfen. Dieser fliegt im Juni schon mal nach Los Angeles ins Trainingslager und spielt Ende September in Paris um den EM-Titel und die WM-Qualifikation. Selbstredend, dass Anja Kreitczick dann noch Teil des Teams sein will.
Die Leipzig Lions sind jedenfalls mächtig stolz auf ihre neue Athletin und loben in einem Beitrag deren Qualitäten: „Mit ihrer Versatilität, Schnelligkeit und Spielintelligenz wurde die Sportstudentin schnell zu einer Leistungsträgerin im Senior Flag Team der Lions. Auf und neben dem Feld bringt Anja Leadership, Energie und eine riesige Portion Teamgeist mit.“
Auch die 25-Jährige fühlt sich in ihrem neuen sportlichen Umfeld sichtlich wohl. Nicht nur auf dem Platz, wo sie in einem gemischten Team spielt, ergreift sie die Initiative, sondern auch in der Vereinsarbeit, wo sie die Lions als „Social Media Managerin“ unterstützt. Mit beiden Tätigkeiten verfolgt sie nicht zuletzt das Ziel, Flag Football sichtbarer zu machen, vor allem auch in der eigenen Stadt.
„Ich will etwas dazu beisteuern, dass es präsenter wird“, sagt sie im Gespräch mit der LZ. „Leipzig ist so eine Sportstadt, gerade hier sollte man es doch hinbekommen, ein vernünftiges Team auf die Beine zu stellen. Es gibt im Osten noch nicht so viele Frauenteams, das würde ich gern ändern.“ Die Zeichen stehen günstig, denn vom großen olympischen Ziel beflügelt, ist auch Bewegung in den AFVD gekommen.
Im vergangenen Jahr wurde eine eigene Flag Football Frauen-Liga (DFFLF) ins Leben gerufen, die mit vorerst sechs Teams an den Start ging. Es ist also noch Luft nach oben. Und vielleicht mischen ja dort schon nächstes Jahr die Leipzig Lions mit einem Frauenteam mit. Anja Kreitczick jedenfalls stünde bereit.
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