Die aufmerksamen Beobachter des Leipziger Verkehrs haben es ja mitbekommen: Keine Verkehrsart verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren so ein Wachstum wie der Radverkehr. Das hatte Folgen - auch in der Unfallbilanz der Stadt. Und 2012 beim Beschluss zum Radverkehrsentwicklungsplan der Stadt, denn der beinhaltete auch die Aufgabe, das Radhauptnetz der Stadt zu überarbeiten.

Denn dass die Zahl der Unfälle gestiegen ist, hat auch damit zu tun, dass ein gut ausgebautes Radhauptnetz fehlt. Immer wieder gibt es Fehlstellen, unübersichtliche Wegeführungen, Provisorien und echte Konfliktpunkte. Und selbst da, wo erste Hauptrouten schon Gestalt annehmen, werden die Wege von rücksichtslosen Kraftfahrern ignoriert.

Bestes Beispiel: die Karl-Liebknecht-Straße, erst im November in ihrem Nordteil nach zweijähriger Modernisierung wieder eröffnet. Doch das scherte einige motorisierte Zeitgenossen nicht, die sich in den letzten Jahren angewöhnt hatten, Radstreifen generell als Parkstreifen zu betrachten.

Zumindest an dieser Stelle reagierte die Stadtverwaltung erstaunlich konsequent.

“Aufgrund zahlreicher Verstöße seit der Verkehrsfreigabe wird derzeit die Karl-Liebknecht-Straße verstärkt durch das Ordnungsamt kontrolliert”, gab es deshalb am 11. Dezember eine Meldung, die im Leipziger Verkehrsgeschehen durchaus selten ist. “Ergebnis der täglichen Überwachung sind für den Zeitraum vom 16. November zum 11. Dezember insgesamt 462 zur Anzeige gebrachte Falschparker und 19 abgeschleppte Fahrzeuge. Die vielen Verstöße führen insbesondere zu Gefährdungen der Radfahrer, Störungen des Straßenbahnverkehrs und Behinderung der Liefertätigkeit. Die Kontrollen werden fortgeführt.”

Das Durchgreifen hat seinen Grund auch darin, dass die Karl-Liebknecht-Straße auch jetzt schon die Funktion einer innergemeindlichen Hauptradverbindung (IR III) hat. Der Sinn des Umbaus bestand eben auch darin, diese Funktion einer Hauptverbindung zu stärken, weil hier nun einmal die meisten Radfahrer aus dem Süden in Richtung Zentrum unterwegs sind.

Aber solche Vorgänge erinnerten dann auch die SPD-Fraktion im Stadtrat daran, dass eigentlich noch eine Hauptaufgabe der Stadtverwaltung offen ist. Seit 2010 eigentlich, dem Jahr, in dem ursprünglich mal der Radverkehrsentwicklungsplan für die Jahre 2010 bis 2020 beschlossen werden sollte. Aber den Beschluss gab es dann erst 2012.

“Mit RB V-1261/12 wurde festgelegt, dass dem Stadtrat bis II. Quartal 2015 eine Radverkehrsnetzplanung vorzulegen ist”, stellte nun die SPD-Fraktion fest. “Mit dem Doppelhaushalt des Freistaates Sachsen wurden für 2015/16 erstmalig wieder Mittel für die Radverkehrsförderung bereitgestellt. Aktuell überarbeitet der Freistaat das SachsenNetzRad und deren Wegweisung. Für eine funktionierende Infrastruktur ist eine Übereinstimmung beider Netze unabdingbar.”

Aber: Wo bitte schön bleibt die Radverkehrsnetzplanung?

Gut Ding will Weile haben, teilt nun das Dezernat Stadtentwicklung und Bau mit. Das versprochene Werk kommt ein Jahr später. Man arbeite ja dran. Aber die Abstimmungsprozesse, Sie wissen ja …

Und so gibt es jetzt einen kleinen Einblick in den Fahrplan:

Stufe 1, 2013

“In 2013 erfolgte die Beauftragung eines Ingenieurbüros mit der Aufgabe, die Zentrenbestimmung, Luftlinienverbindung und die Erarbeitung eines Routenvorschlages für die IR III Verbindungen durchzuführen. Unter intensiver Beteiligung der AG Rad, sowie weiteren Mitgliedern aus dem ADFC, wurden die Zentren sowie Luftlinienverbindungen diskutiert und bestätigt. Da die umfassende Bearbeitung des Hauptnetz Rad nicht getrennt nach den Hierarchiestufen erfolgen kann, wurde die Bearbeitung der IR III und IR IV Verbindungen zusammengefasst und in einem Workshopverfahren unter umfangreicher Beteiligung des ADFC ein Vorschlag für ein Gesamtnetz des Radverkehrs entwickelt.”

Stufe 2, 2014:

“Dieses Netz wurde in 2014 durch den ADFC in ein Geoinformationssystem übertragen und verwaltungsintern geprüft.”

Stufe 3, 2015:

“In 2015 erfolgte dann aufgrund geänderter Rahmenbedingungen und noch offenen Diskussionspunkten ein erneutes zweistufiges Workshopverfahren.”

Und die berechtigte Frage der SPD-Fraktion: “Wann wird dem Stadtrat eine entsprechende Vorlage übergeben?”

Stufe 4, 2016:

“Die Bestätigung der Radrouten hinsichtlich der IR III und IR IV Verbindungen wird voraussichtlich bis zum Ende des 1. Quartals 2016 abgeschlossen. Anschließend erfolgt eine Überarbeitung der Maßnahmenlisten zur Verbesserung der Radverkehrsbedingungen. Die gesamte Netzplanung inkl. der Maßnahmenlisten wird dann voraussichtlich bis zum 4. Quartal 2016 dem Stadtrat vorgelegt.”

Die SPD hatte noch nach der Einbindung ins SachsenRadNetz gefragt. Aber da gibt es keine neuen Nachrichten. Eher dürfte die Nachricht erfreuen, dass es nun das fertige Werk zum Weihnachtsfest 2016 gibt. Vielleicht mit einem netten Lastenrad für die neugierigste Fraktion als Dreingabe. Wobei der Termin schon verwundert, denn im Dezember 2016 dürfte der Leipziger Doppelhaushalt 2017 / 2018 schon größtenteils durchgeplant sein. Und es ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass es einige Anpassungen im Leipziger Straßennetz geben wird, die zeitnah finanziert werden müssen.

Denn auch wenn der Planungsprozess so schön geordnet abläuft, entwickelt sich ja die Verkehrsmittelnutzung in Leipzig weiter. Und zwar deutlich schneller, als es der  Ausbau des Radnetzes widerspiegelt.

Die Antwort des Planungsdezernats in Gänze.

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Keine Kommentare bisher

Naja, dass das Verkehrsamt es immer recht ruhig angehen lässt, hat sich z.B. in der Errichtung des gefühlten Halbdutzends von Verkehrspollern in der Innenstadt gezeigt. Ich würde sage, das VTA hat bestimmt fünf Jahre gebraucht, bis das alles mal fertig war. Sogar die LVZ hat gelästert, ob die Poller handgeschnitzt werden…

Der Bürgerwettbewerb Stadtverkehr ist übrigens auch schon drei Jahre her. Bis auf die – zugegebenermaßen recht zahlreich gewordenen – Radbügel (1. Platz) ist aber nichts weiter passiert. Auf den fabelhaften Wendehammer in der Goethestraße (ich glaube, das war der 3. Platz) kann man sicher noch richtig lang warten.

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