Die Karre steckt ziemlich tief im Morast. Und das nicht zufällig. Eine Menge Leute haben sich in den vergangenen Jahren bemüht, den öffentlichen Nahverkehr tief in die Sackgasse zu manövrieren. Am 1. August sind die Fahrpreise bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) wieder um 3,5 Prozent angehoben worden. So geht das einfach nicht, stellt jetzt auch der Leipziger Ökolöwe fest.

In den letzten Jahren stiegen die Preise im Leipziger Nahverkehr rapide an. Und zwar deutlich über den jährlichen Inflationsraten und auch deutlich über den sonstigen Kosten für Verkehr. Während Autofahrer im Juli 2016 nur ganze 5 Prozent mehr für ihre Pkw-Mobilität bezahlen mussten als noch 2010 (was auch mit dem niedrigen Ölpreis zu tun hat), sind die Preise für ÖPNV (statistisch betrachtet: „Kombinierte Personenbeförderungsdienstleistungen“) im selben Zeitraum um 19,9 Prozent gestiegen. Also um 3,3 Prozent jedes Jahr.

Und das bei einer Gesamtinflation von 7,8 Prozent, pro Jahr also nur 1,3 Prozent.

Natürlich ist es immer so, dass sich unterschiedliche Warengruppen oft auch preislich unterschiedlich entwickeln.

Aber beim ÖPNV sind es nicht die normalen Preissteigerungen, die die Tarifentwicklungen befeuerten, weder was Benzin- und Strompreise betrifft noch die Kosten für Fahrzeuge oder Personal.

Dass die Preissteigerungen in den Verkehrsverbünden so heftig sind, hat damit zu tun, dass Bund, Länder und Kommunen ihre Beiträge für den ÖPNV entweder eingefroren haben oder gar gesenkt haben. Die gewachsenen Kosten im Betrieb und bei den Investitionen werden also nicht mehr zwischen Fahrgästen und öffentlicher Hand paritätisch geteilt, sondern komplett auf die Fahrpreise abgewälzt. Womit diese spezielle Teuerungsrate sich schlicht verdoppelt.

„Seit dieser Woche kostet die Einzelfahrt nun stolze 2,60 Euro. Im Jahr 2002 kostete der Fahrschein noch 1,30 Euro – eine Steigerung von über 100 Prozent“, zieht der Leipziger Ökolöwe jetzt Bilanz für 14 Jahre Sparen auf Kosten des ÖPNV. „Ein wesentlicher Grund ist die drastische Kürzung der Betriebskostenzuschüsse der Stadt Leipzig an die LVB. Im Jahr 2002 zahlte die Stadt Leipzig aus den Erträgen der Stadtwerke und der Wasserwerke noch rund 70 Millionen Euro an die LVB. Heute sind die Zuschüsse bei nur noch 45 Millionen Euro jährlich eingefroren – Kostensteigerungen werden über immer höhere Ticketpreise abgefangen.“

Oder einmal so formuliert: Die 25 Millionen Euro, die sich die Stadt „erspart“ hat, zahlen mittlerweile die Fahrgäste der LVB zusätzlich. Was natürlich Folgen hat: Wer sich das Preisfeuerwerk nicht mehr leisten kann, steigt aus. Die LVB freuen sich zwar immer wieder über steigende Fahrgastzahlen. Aber die resultieren vor allem aus dem Bevölkerungswachstum der Stadt.

Innerhalb der Konkurrenz der Verkehrsträger stagniert der ÖPNV in Leipzig: Nach 18,8 Prozent Anteil aller Wege im Jahr 2008 (Modal Split), wurden 2013 nur noch 17,1 Prozent gemessen, 2015 dann 17,6 Prozent. Bis zum Jahr 2025 wollten die LVB eigentlich wieder einen Anteil von 25 Prozent erreichen. Die Zielzahl aber wurde 2015 im Zusammenhang mit der Diskussion um den Stadtentwicklungsplan „Verkehr und öffentlicher Raum“ auf 23 Prozent gesenkt.

Aber eigentlich ist selbst dieser Wert utopisch, denn mit den saftigen Preisaufschlägen wird man die Fahrgastzahlen für diese Größenordnung nie erreichen. Und dazu kommt: Um den ÖPNV so attraktiv zu machen, dass er mehr Leipziger zum Umsteigen bewegt, muss investiert werden: in neue Fahrzeuge, in neue Gleise, in neue Haltestellen, in Taktzeitverdichtung. Aber für so ein wirklich ambitioniertes Ausbauprogramm fehlt das Geld.

Fazit für den Ökolöwen aus dieser jahrelang geübten Politik der Zuschussreduzierung: „Die Zahlen aus dem Evaluationsbericht zum Nahverkehrsplan zeigen, dass die LVB aufgrund der unverhältnismäßig hohen Preise seit Jahren keine Marktanteile mehr gewinnen können. Das müssen sie aber, damit die wachsende Stadt nicht im Autoverkehr erstickt.“

Immer wieder gab es Anträge im Stadtrat, die Zuschüsse der LVB wieder anzuheben. Aktuell sind 48 Millionen Euro statt der 45 Millionen Euro im Gespräch. Aber wahrscheinlich wird die Diskussion um den neuen Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig zeigen, dass auch diese Summe viel zu gering ist, um die propagierten Ziele zu erreichen.

Es sei denn, das Thema wird wieder abmoderiert, wie das bei so vielen Bürgerbeteiligungsmodellen der Fall ist, weil ein echter Politikwechsel von der politischen Spitze der Stadt nicht gewollt ist.

Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen, sagt dazu: „Der Oberbürgermeister muss endlich umdenken und die Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr zurücknehmen, damit die Preisentwicklung wieder auf ein normales Niveau einschwenkt. In einem ersten Schritt müssen wir wieder auf die 60 Millionen Euro aus dem Jahr 2006 kommen.“

Denn die Gelder, die die LVB insbesondere als Fördermittel vom Land erwarten können, müssen immer auch gegenfinanziert werden. Um wieder in Vorlauf zu kommen, geht das nicht ohne eine belastbare Finanzierung durch die Stadt. Die Leipzigs Stadtspitze nicht haben will, was ja dann der Grund dafür war, dass vor zwei Jahren der MDV beauftragt wurde, nach alternativen Finanzierungsquellen Ausschau zu halten. Irgendjemand anders soll also tiefer in die Tasche greifen, damit der ÖPNV weiter attraktiv bleibt. Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

„Klar ist, dass Leipzig für den Nahverkehr einer 720.000-Einwohner-Stadt, die wir in 14 Jahren sein werden, heute schon deutlich mehr investieren muss“, sagt Tino Supplies zu dieser wohl sehr realistischen Forderung nach einem 60-Millionen-Grundzuschuss. „Manche glauben offenbar weiterhin alles ablehnen zu können, was die finanzielle Basis für den notwendigen Ausbau sichern hilft. Sie glauben, sie können den Leipzigern schadlos weitere Preissteigerungsrunden zumuten. Sie täuschen sich.“

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