Sonnig war’s, warm war’s. Eitel Sommerwetter am Freitag, 16. September, für ein kleines Fotoshooting am Hauptbahnhof. Mit Bus in diesem Fall, einem Mini-Bus der LVB, der jetzt eine auffällige Werbung am Hinterteil trägt: „Hier ist Platz für Klimaschutz und 67 Autofahrer“. Die passen auch alle rein, wenn sie sich ganz dünn machen. Offiziell passen 57 rein.

Aber um die konkrete Maximalzahl geht es gar nicht. Nur ums Umdenken. Denn jeder Bus ist ein umweltfreundliches Fahrzeug im Vergleich mit 57 oder 67 Pkw. Erst recht, wenn er abgasarm ist, gar schon hybrid fährt oder mit Elektrobatterie.

Anlass für den Fototermin mit Ronald Juhrs, den fürs Technische zuständigen Geschäftsführer der LVB, war der 4. Deutschland-Tag des Nahverkehrs. Dazu haben der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Infrastrukturinitiative „Damit Deutschland vorne bleibt“ gemeinsam mit rund 40 Verkehrsunternehmen am Freitag Bund und Länder aufgerufen, sich vor dem Hintergrund der Klimadebatte stärker für den Öffentlichen Verkehr zu engagieren.

Denn darum steht es nicht gut. Alle reden über Energiewende, Klimawandel und Abschied von den fossilen Energieträgern. Doch wenn es konkret wird, wird gespart. Die Fahrpreise im ÖPNV sind ja nicht deshalb so drastisch angestiegen, weil Benzin, Strom oder Fahrpersonal so teuer geworden sind. Bund, Länder und Kommunen haben sich massiv aus der Finanzierung des ÖPNV zurückgezogen. Das begann schon in den 1990er Jahren, als Politiker an die Schaltknöpfe der Politik kamen, die ihre platten Formeln von effizientem Wirtschaften alle in neoliberalen Lehrveranstaltungen gelernt hatten. Da war es um Privatisierung und Deregulierung gegangen und um die herrliche Wirkung, die es hat, wenn der Staat sich aus der Finanzierung öffentlicher Strukturen zurückzieht. Dann wird alles effizienter und es gibt dieselbe Leistung zum halben Preis.

Eine fatale Weichenstellung in dem Moment, in dem eigentlich heftig über die Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes und einen umweltfreundlichen Verkehr der Zukunft diskutiert wurde. Den bekommt man aber nicht, wenn man ihm die Finanzierungsbasis entzieht. Die deutschlandweite Aktion zielt jetzt erst einmal auf eine Bundesregierung, in der die einen wollen und die anderen sich komplett verweigern.

Am 16. September, zeitgleich mit dem Beginn der Europäischen Woche der Mobilität, fiel der Startschuss für die bundesweite Kampagne „Der Bus bewegt besser“. Zum Ende der Europäischen Woche der Mobilität treffen sich die Branchenvertreter des VDV dann mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in Berlin, um für eine weitere Förderung eines modernen Bussystems bei der Bundesregierung und im Parlament zu werben.

„Wir benötigen vom Bund Unterstützung für die Entwicklung der Elektrobusse, denn diese sind noch lange nicht so wirtschaftlich und zuverlässig wie unsere anderen Fahrzeuge. Das ist bei dieser noch relativ jungen Technologie aber auch ein Stück weit normal und gehört zum Entwicklungsprozess. Zugleich müssen und wollen wir auch vielerorts die vorhandenen Busflotten modernisieren, um den Fahrgästen eine möglichst hohe Qualität anzubieten und unseren Beitrag zum Klimaschutz weiter zu verbessern. Dabei sehen wir vor allem die Bundesländer in der Pflicht, die bislang keine Busförderung bereitstellen“, erklärt Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Leipzig ist zwar Straßenbahnstadt, betont Juhrs. Aber ohne Busse geht es hier auch nicht. Die großen Buslinien 60, 70, 80 und 90 schaffen die wichtigen Querverbindungen zwischen den radial ausstrahlenden Straßenbahnlinien.

„Die Busverkehre sind in der wachsenden Stadt Leipzig eine tragende Säule des öffentlichen Personennahverkehrs, die das leistungsstarke Straßenbahnsystem sinnvoll ergänzen“, wirbt Juhrs beherzt für das hiesige ÖPNV-System. „Um die Region mit der Stadt zu verbinden und um Wohnquartiere zu erschließen, ist es erforderlich, dass der Freistaat seine Busförderung wie andere Bundesländer ausbaut und wirtschaftlich sinnvoll gestaltet. Die Weiterentwicklung umweltfreundlicher und wirtschaftlicher Antriebe bedarf der weiteren Förderung, damit die Energie- und Mobilitätswende gelingt. Deshalb engagieren wir uns als Leipziger Verkehrsbetriebe gerne erneut am Deutschland-Tag des Nahverkehrs.“

Denn ÖPNV ist, so Juhrs, unverzichtbares Instrument für den Klimaschutz. Mit jedem neuen Busbeschaffungsprogramm schaut man, dass man deutlich umweltfreundlichere Fahrzeuge bekommt. „Mit der nächsten Runde von 14 neuen Bussen werden wir die Bedingungen für die Umweltzone erfüllen”, sagt Juhrs. Dann werden die alten Fahrzeuge mit EURO-Norm 2 und 3 aussortiert. Die neuen Busse haben dann schon die EURO-Norm 5.

Und wenn 2019/2020 die nächsten 17 Busse dran sind, dann ist der große Traum natürlich, dass es möglicherweise gleich Elektrobusse sind. Aber das Problem: Die Technik ist noch nicht ausgereift. Es gibt verschiedene Testmodelle in Deutschland. Alle haben sie ihre Kinderkrankheiten. In Leipzig wird ja auf der Linie 89 ein Elektrobus des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) getestet. Einerseits mit Erfolg: Fahrgäste und Fahrpersonal, so Ronald Juhrs, sind glücklich mit dem Bus.

Die Wehwehchen aber tauchten dort auf, wo der Bus wirklich ein Novum ist: bei der Nutzung des Stroms aus den Oberleitungen der Straßenbahn. In Dresden ist der Bus mit Mittelspannung gefahren. Da schnurrte er wie eine Miezekatze. Aber – „damit haben wir auch nicht in dem Ausmaß gerechnet“, so Juhrs – die starken Schwankungen im Fahrstrom der Leipziger Straßenbahn machen ihm zu schaffen. Darauf reagiert das System mit Stottern. Jetzt, so Juhrs, seien die Experten vom Fraunhofer-Institut dabei, das System auszujustieren, dass es lernt, auch mit starken Schwankungen umzugehen und einen Abfall der Spannung nicht gleich als Stromausfall zu werten.

Der Geschäftsführer jedenfalls ist zuversichtlich, dass der Test in Leipzig Erfolg haben wird.

Was dann noch nicht heißt, dass es 2019 auch schon serienreife Elektrobusse geben wird, mit denen man ein Liniennetz stabil aufrechterhalten kann.

Was wieder auf den Bund verweist, der zwar viele millionenteure Projekte zur Elektromobilität fördert. Aber manchmal vermisst man einfach die eindeutige Zieleinstellung und die Schwerpunktsetzung. Denn die Nahverkehrsunternehmen in Deutschland wären die ersten, die eine funktionierende E-Bus-Flotte aufbauen würden, wenn die Fahrzeuge schon marktreif wären.

„Bundesweit befördern über 36.000 ÖPNV-Busse jährlich mehr als vier Milliarden Fährgäste. Der Bus ist damit nach wie vor das am häufigsten genutzte Nahverkehrsmittel“, umreißt Jürgen Fenske das Arbeitsfeld, wo der Bund deutlich wirksamer handeln könnte, wenn er nur wollte. „Durch seine Flexibilität und sein gutes Preis-/Leistungsverhältnis ist er vielerorts das Rückgrat eines funktionierenden und leistungsstarken ÖPNV-Systems. Und er ist, gemessen am Pkw, ein echter Klimaschützer. Leider wird der Bus immer wieder mal zu Unrecht als Verursacher von Schadstoffproblemen im Straßenverkehr kritisiert, dabei ist genau das Gegenteil der Fall.“

Denn selbst die älteren Modelle (und Busse werden in der Regel nur 12 Jahre alt im Diensteinsatz) sind deutlich umweltfreundlicher als Pkw, allein schon weil sie mehr Fahrgäste auf einmal transportieren.

Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes spart jede Fahrt mit dem Linienbus mindestens die Hälfte der Emissionen an Treibhausgasen gegenüber dem Pkw. Während ein durchschnittlicher Pkw mit einer zugrunde gelegten Auslastung von 1,5 Personen 142 Gramm pro Personenkilometer ausstößt, fallen beim herkömmlichen Linienbus mit einer Auslastung von 21 Prozent lediglich 76 Gramm an. Bei einer durchschnittlichen Fahrt über 10 Kilometer werden so 660 g weniger Treibhausgase ausgestoßen als bei der Fahrt mit dem Auto.

Das sind die kleinen Säckchen, die auf dem Foto von Ronald Juhrs und LVB-Pressesprecher Marc Backhaus gezeigt werden. Es ist aber keine Kohle drin, sondern liebevoll abgewogenes Vogelfutter. Aber die 660 Gramm stimmen.

Man muss also auch keine 67 Autofahrer in den Bus stopfen, um ein umweltfreundliches Verkehrsmittel draus zu machen. 20 bis 30 reichen schon völlig.

Neben den mit EURO VI-Norm äußerst abgasarmen Dieselbussen stehen zahlreiche weitere innovative Antriebsarten in den Startlöchern. Allen voran der Elektrobus, der momentan bereits in 30 Verkehrsunternehmen bundesweit ausgiebig getestet wird, darunter eben auch bei den LVB. Die Elektromobilität ist seit jeher eine Domäne des Nah- und Eisenbahnverkehrs, betont der VDV, über 60 Prozent der Verkehre fahren elektrisch.

In Leipzig ist es noch besser: Rund 80 Prozent der LVB-Passagiere fahren elektrisch mit der Straßenbahn, rund 20 Prozent sind mit den Bussen unterwegs.

Was das heißt, haben die LVB auch mal ausgerechnet: Im Leipziger Buslinienverkehr sind die Fahrgäste in den 160 Bussen der Verkehrsbetriebe mit durchschnittlich 4,3 Liter pro 100 Personenkilometer unterwegs. Mit der kontinuierlichen Neuanschaffung von Bussen und Durchführung von Trainingsprogrammen zur energiesparenden Fahrweise, wollen die Verkehrsbetriebe weiter ihr Ziel verfolgen, die Energieverbräuche auch im Busverkehr noch weiter zu reduzieren. Die Leipziger Verkehrsbetriebe betreiben 46 Buslinien mit einer jährlichen Fahrleistung von circa 10,3 Millionen Kilometern.

Man kann jetzt also im Stadtverkehr darauf achten, ob man am Hinterteil diverser Busse die großen Aufkleber sieht, die zum Umsteigen animieren sollen.

Das hat auch ein gewisses psychologisches Moment, betont Ronald Juhrs. Denn die neuen Busse – auch die Hybrid-Fahrzeuge – finden bei den Fahrgästen ein deutlich positives Echo. Nicht nur, weil die Technik neu ist, sondern auch das Fahrgefühl ein anderes ist – deutlich weicher und leiser (gerade im Strombetrieb) als bei den alten Dieselbussen.

Es geht also nicht nur um ein gutes Gewissen, sondern auch um ein Stück Fahr- und Lebensgefühl.

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