Man kann der LVZ alle Fakten geben, alle notwendigen Zahlen – und sie macht trotzdem wieder etwas draus, was mit der Realität nichts zu tun hat, reineweg nichts. So wie am 18. April wieder, als sie über die zunehmenden Verspätungen im Netz der LVB berichtete, aber einen Generalverriss zur umgebauten Karl-Liebknecht-Straße draus machte. Obwohl die „KarLi“ eigentlich nichts damit zu tun hat. Auch wenn Autofahrer das glauben.

„Ausgerechnet auf der Leipziger Südmeile, wo Millionen von Euro in die Infrastruktur flossen, fahren die Straßenbahnen am unpünktlichsten“, behauptete die LVZ. „Was sind die Ursachen, was lernen die Leipziger Verkehrsbetriebe daraus?“

Eine schematische Darstellung der Verspätungszeiten der Straßenbahnlinie 10 diente der Zeitung als Grundlage für die Behauptung. Danach sammelt die Linie 10 gerade in den Hauptzeiten des Berufs- und Schülerverkehrs (6 bis 8 Uhr und 15 bis 17 Uhr) heftige Verspätungen auf der Strecke ein. Und zwar nicht erst ab Peterssteinweg oder Karl-Liebknecht-Straße, sondern ab Hauptbahnhof. Und die Aussagen der LVB-Mitarbeiter im Text gehen auch genau darauf ein: Übervolle Bahnen, Langsamfahrstellen im Netz und natürlich das Nadelöhr Innenstadtring, wo sich die Verspätungen regelrecht aufschaukeln.

Dass dann hinterher die Strecke auf der KarLi knallrot wird, weil die Bahnen ihre Verspätungen nicht wieder loswerden, ist Ergebnis dieser Gemengelage, nicht wirklich Ursache für die Verspätungen.

Wie solche falschen Wertungen dann aber gleich wieder Resonanz in der Politik finden, zeigte dann die Reaktion von FDP-Stadtrat René Hobusch, der glaubte, die LVZ habe mit ihrer Behauptung Recht.

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Als „von einer breiten schwarz-rot-grün-roten Mehrheit im Stadtrat so gewollt“ bezeichnete er die Ergebnisse der Pünktlichkeitsuntersuchung bei den Leipziger Verkehrsbetrieben auf der Karl-Liebknecht-Straße. Danach gäbe es nach dem Umbau keine verbesserte Pünktlichkeit.

„Dies war absehbar. Dies war erwartbar. Dies war durch die bewusste Auswahl der Umbauvariante so vom Stadtrat und der Stadtverwaltung gewollt“, beschreibt Hobusch die Situation, „bei aller Freude und Euphorie vor sechs Jahren, dass es endlich losgeht, ist eine klare stadtgestalterische Entscheidung ausgeblieben. Stattdessen wurde fast nur darauf geschaut, dass man möglichst viele Fördermittel einsammeln kann. Dafür mussten unterschiedliche Prioritäten in den Abschnitten gesetzt werden. Am Ende gab es ein Kuddelmuddel und keine klare Entscheidung für die Förderung des ÖPNV. Auch nicht für den Radverkehr. Und auch nicht für den Auto- oder Fußverkehr.“

Am Ende hätten am 19. April 2012 alle Stadträte für die Mischmaschvariante gestimmt. „Bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen“, so Hobusch und ergänzt: „Viele Bürger haben uns damals gefragt: Warum hat die FDP nicht dafür gestimmt. Bereits damals haben wir erklärt, dass die Mischmaschvariante keinem wirklich hilft. Wir dürfen langfristig wirkende Entscheidungen nicht unter dem Eindruck kurzfristiger Notwendigkeiten treffen. Stadtentwicklung wirkt Jahrzehnte. Wohin so ein kurzfristiges Denken führt sehen wir jetzt. Die KarLi wird auf lange Sicht ein Nadelöhr bleiben.“

Mit Blick auf die Debatte zur Stadt- und Verkehrsentwicklung in der Messestadt spricht sich der Freidemokrat für eine langfristige Folgenabschätzung aus. „Blenden wir doch Fördermittelszenarien erst einmal aus. Es geht um die besten Ideen, die auch in 50 Jahren einen positiven Beitrag leisten. Wenn wir die gefunden haben, dann sollten wir schauen, wie wir das finanziert bekommen. Nicht umgekehrt. Die Entwicklung auf der KarLi sollte uns ein mahnendes Beispiel sein.“

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Tatsächlich funktioniert die „Mischvariante“ auf der „KarLi“ sogar recht gut. Tatsächlich zeigt das Verspätungs-Bild der LVB sogar sehr anschaulich, wie die Straßenbahn schon ab Möckern beginnt, die Verspätungen einzusammeln und „dem Fahrplan hinterherzufahren“, wie es die Fahrer nennen. Für diese übrigens eine andauernde Stresssituation, die man in den Bahnen oft auch mitbekommt – vom Abklingeln der Türen, während die Fahrgäste noch versuchen, überhaupt in die volle Bahn zu kommen, über das Klingeln beim Überfahren von Kreuzungen, wenn doch noch Linksabbieger unbedingt bei Rot über die Kreuzung wollen.

Deswegen bauen sich die Verspätungen eben schon auf der Georg-Schumann-Straße auf. Schon am Chausseehaus fahren die Bahnen um zwei Minuten ihrem Fahrplan hinterher, am Hauptbahnhof sind es schon vier Minuten, am Wilhelm-Leuschner-Platz schon deutlich drüber. Wenn man weiß, dass die Bahnen auf dieser Strecke im Berufsverkehr eigentlich im 5-Minuten-Takt fahren, sieht man hier regelrecht, was passiert, wie sich die Bahnen mit solchen Verspätungen regelrecht mit ihren nachfolgenden Bahnen ins Gehege kommen.

Die können dann nicht in die Haltestelle einfahren, weil in der voranfahrenden Bahn noch alles am Ein- und Aussteigen ist. Die vorausfahrende Bahn wird regelrecht zum „Lumpensammler“ und braucht an allen Haltestellen immer länger, weil die Ein- und Aussteigevorgänge immer länger dauern. Drinnen aber stehen die Fahrgäste wie die Heringe.

Oft würde wahrscheinlich schon eine direkte Kommunikation der Fahrzeuge helfen und ein Umlenken der wartenden Fahrgäste auf das oft deutlich leerere Nachfolgefahrzeug, um die Lage etwas zu entspannen.

Was erzählt uns also der LVZ-Artikel? Eine völlig andere Geschichte, als Überschrift und Einleitung behaupten. Er ist ein typisches Beispiel dafür, was ahnungslose Autofahrer aus den Fakten machen, wenn sie nicht mal mehr verstehen, wie der ÖPNV in Leipzig funktioniert.

Fahrgastzahlen der LVB stiegen 2017 auf 156 Millionen

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