Am Donnerstag, 14. Oktober, dauerte die Ratsversammlung wieder so lange, dass OBM Burkhard Jung am Ende schon mal kurz andeutete, dass ein bisschen Entlastung der Tagesordnung schön wäre. Worauf dann einige Fraktionen ihre Anfragen zurücknahmen und auf deren mündliche Beantwortung verzichteten. Ein paar Anfragen waren freilich so wichtig, dass sie trotzdem noch drankamen. Wie die Anfrage der Linksfraktion zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie

Leipzig hat ja eine solche, 2018 beschlossen mit dem nachhaltigen Mobilitätskonzept, in dem auch erhebliche Finanzmittel zum Ausbau des ÖPNV vorgesehen sind. Dem folgte dann 2019 der neue Nahverkehrsplan, in dem auch die ersten Streckenerweiterungen im Straßenbahnnetz der LVB vorgesehen waren. Diese Streckenerweiterungen wurden dann am 14. Oktober 2020 auch gesondert beschlossen und priorisiert.Und priorisiert hieß eigentlich, dass sofort mit den Planungen begonnen werden sollte, weil alle im Saal wussten, dass es selbst mit beginnenden Planungen einige Jahre dauern würde bis zum ersten Spatenstich. Und eigentlich wussten auch alle, dass der Beschluss sowieso schon sieben Jahre zu spät kam, dass Leipzig sich 2012 hehre Ziele bei den Nutzerzahlen im ÖPNV gesetzt hatte, aber den Streckenausbau völlig vernachlässigt hatte.

Und weil die Zeit drängt, fragte deshalb die Linksfraktion jetzt nach dem Stand der Planungen. Entsprechend verdutzt schaute Linke-Stadträtin Franziska Riekewald drein, als Baubürgermeister Thomas Dienberg nun erzählte, dass sich an dem alten Schneckentempo nicht viel geändert hatte. Auch wenn er versuchte, es mit der Arbeitsüberlastung im Verkehrs- und Tiefbauamt und bei den LVB zu entschuldigen. Die Gründe wolle er später noch darlegen.

Erst mal die Machbarkeitsstudien

Aber die Fakten sind: Allein für die sogenannte Südsehne, also die neue Ost-West-Verbindung über den Schleußiger Weg mit ihren Anbindungen in Grünau und an der Alten Messe  – hat überhaupt erst die Arbeit an einer Machbarkeitsstudie begonnen, deren Ergebnisse erst Anfang 2022 vorliegen sollen.

Für den „Wahren4Link“ – die Anbindung des S-Bahnhofs Wahren ans Straßenbahnnetz – soll die Machbarkeitsstudie erst im vierten Quartal 2021 beginnen. Hier ist auch ein neuer Straßenbahnhof in der Diskussion. Mit Ergebnissen ist erst anderthalb Jahre später – also im Sommer 2023 zu rechnen. Und für die Verlängerung Thekla Süd ist noch nicht mal der Beginn einer Machbarkeitsstudie absehbar.

Das heißt: für die drei wichtigsten Streckenerweiterungen hängen Stadt und LVB immer noch hinterher. Und da sind noch nicht einmal die anderen Vorschläge aus dem Nahverkehrsplan untersucht, worunter ja auch der Ausbau des Straßenbahnrings um die Innenstadt gehört, das absolute Nadelöhr im heutigen Straßenbahnnetz.

Aber über die weiteren Priorisierungen soll auch erst im vierten Quartal 2021 entschieden werden. Und dann wäre eigentlich – wie vom Stadtrat gewünscht – 2022 die Evaluierung des erst 2019 beschlossenen Nahverkehrsplans fällig, von dem die Stadträt/-innen genauso wie die Verwaltung wissen, dass er dem 2018 beschlossenen Mobilitätskonzept überhaupt nicht genügt. Evaluierung heißt dann freilich noch nicht, dass er erneuert oder gar erweitert wird.

Was Dienberg andeutete, erzählt zumindest davon, dass es all die Jahre überhaupt keine Vorplanungen für mögliche Streckenerweiterungen gab. Abgesehen von den auch im VTA fehlenden Planern für den ÖPNV. Man begann also 2020 praktisch bei Null. Die priorisierten Strecken waren schlichtweg „ausgedacht“, um es mal überspitzt zu formulieren. Obwohl die drei Erweiterungen nicht ausgedacht sind, sondern bei den LVB schon lange diskutiert werden.

Auch die Fahrgäste haben sich daran gewöhnt, in einem „Netz 2000“ unterwegs zu sein, das die LVB vor 20 Jahren in Kraft setzten, um in einer schrumpfenden Stadt den Betrieb auf die Hauptlinien zu konzentrieren – ein Spar-Netz also, das in keiner Weise der wachsenden Stadt und auch nicht den Mobilitätszielen, die der Stadtrat schon 2012 beschloss, entspricht.

Die Fragestunde vom 23. Oktober 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Es gibt 3 Kommentare

Vorschriften rasieren und nur noch die notwendigen zulassen. Entbürokratisierung ist das A und O. Ob wir Deutschen das schaffen…..

Hallo Stefan,
mittlerweile ist es doch bekannt das unsere Bürokratie seeehr langsam ist. Wenn ich so mein Glas Rotkäppchen Sekt anschaue und weiß, daß ich damit immer noch die Kriegsmarine vom alten Wilhelm bezahle (mit Verlaub müsste Deutschland so viele Schlachtschiff mittlerweile haben um trocknen Fußes einmal um die Welt zu laufen). Erwartest du Ernsthaft das die viel versprochene Mobilitätswende was wird? Am Ende werden die weniger betuchten in die Röhre gucken (aus Kostengründen) und der Rest macht weiter wie bisher. Willst du etwas ändern, musst du erstmal sämtliche Vors

Die LVB sind nicht schuldlos an der Misere. Ich gehe fest davon aus, dass intern die LVB die Stadtverwaltung in den Jahren des (Wieder)Wachstums bewusst falsch beraten hat.

Seit 2000 sind sehr bald die 28, die alte 13 und der Nordast der 14 auch noch gestrichen worden. Das war vielleicht der shrinking city geschuldet.

Der Südast der 9 wurde mutwilligst verlottert, und die 14 haben die LVB mit allen Mitteln (schlechte Fahrzeuge, schlechter Fahrplan usw) bekämpft wie Unkraut.

Die LVB bespaßen sich von einem Förderprojekt zum nächsten, aber Substantielles dem Netz zu geben wie zB eine weitere Buslinie (Vorschläge gibts genügend), da kommt rein gar nichts.

Die Stadtverwaltung sollte sich Expertise von außen holen. Nicht von den LVB. Die können keinen Großstadtverkehr. Leipzig hat 600000 Einwohner, nicht 300000 (dafür wäre das LVB-Netz gerade gut).

Falls wer mit “S-Bahn” kommt: bis auf die Paradestrecke Gohlis-Markt hat das S-Bahn-Netz kaum Bedeutung für den innerstädtischen Nahverkehr.

Der Wahren-Link ist hilfreich, weil Wahren so weit draußen ist. Übrigens: die LVB schicken schon heute da einen Bus lang zu Abfahrtszeiten, die mit denen der S-Bahn aber nichts zu tun haben. Fail.

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