So geht es nicht. Das hätten Grüne, Linke und Freibeuter auch über ihren gemeinsamen Änderungsantrag zum Doppelhaushalt 2021/2022 schreiben können. Ende 2020 hatte die Freibeuter-Fraktion extra angefragt, ob die Stadt die nötigen Personalstellen zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie geschaffen hat. Aber die Antwort der Verwaltung war an Unverbindlichkeit kaum zu überbieten.

„Dem Verkehrs- und Tiefbauamt wurden u. a. für die Mobilitätsstrategie 2030 16 Mehrbedarfsstellen anerkannt. Darüber hinaus wird das VTA insbesondere auch bei der Entwicklung quartiersbezogener Konzepte und der bürgerschaftlichen Beteiligung von den anderen Ämtern des Dezernates Stadtentwicklung und Bau unterstützt. Dies betrifft vor allem das Stadtplanungsamt und das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung“, hatten Verwaltungs- und Baudezernat gemeinsam geantwortet.„Zuerkannt“ heißt aber eben nicht „geschaffen“. Und dass die Stellen wohl gar nicht erst entstanden sind, ließ die „Zusammenfassung“ der Antwort ahnen: „Die Einschätzung einer bedarfsdeckenden Ausstattung der Ämter mit Stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Blick auf die Gesamtverwaltung und das Gesamtaufgabenportfolio obliegt der Verwaltung und ist im Zuge der Stellenplanung mittels einer umfassenden Abwägung aller Erfordernisse und Rahmenbedingungen erfolgt. Angesichts der aktuellen Haushaltssituation der Stadtverwaltung bedingt durch die Covid-19-Pandemie waren im Stellenplanentwurf in seiner vorliegenden Form über die bereits vorgenommenen Ergänzungen hinaus leider keine zusätzlichen Ressourcen ergänzbar.“

Da grübelten nicht nur die Freibeuter, was diese Antwort eigentlich bedeuten sollte.

Der Blick in die Planung für den Doppelhaushalt 2021/2022 zeigte dann, dass an dieser Stelle schlicht ein großes Loch klaffte. Das Nachhaltigkeitsszenario für die Mobilitätsstrategie 2030 hat der Stadtrat übrigens schon 2018 beschlossen. Erste Folgen fanden dann 2019 im fortgeschriebenen Nahverkehrsplan ihren Niederschlag. Aber auch da war schon klar, dass Leipzigs Verkehrsplaner keines der gesetzten Ziele erreichen, wenn die entscheidenden Planungsabteilungen zum ÖPNV und zum Radverkehr nicht deutlich personell aufgestockt werden.

Im Juni 2020 beschloss der Stadtrat dann das Sofortprogramm des OBM zum Klimanotstand (welchen der Stadtrat ja 2019 ausgerufen hatte). Auch da spielten wichtige Investitionen zur Mobilitätswende eine Rolle.

Umso enttäuschender war dann für die drei Fraktionen, als sie die personelle Untersetzung im Doppelhaushalt 2021/2022 nicht finden konnten.

„Der Stadtrat hat einstimmig die nachhaltige Mobilitätsstrategie beschlossen. Ebenso wurde der Rahmenplan zur Umsetzung vom Stadtrat in großer Einigkeit beschlossen. Die Umsetzung der Mobilitätsstrategie ist unbestritten notwendig vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen und im Einklang mit den Zielen der Stadt Leipzig. Diese ergeben sich aus der Ausrufung des Klimanotstands, dem geltenden Lärmaktionsplan und dem geltenden Luftreinhalteplan, um nur die wegweisenden geltenden Beschlüsse zu nennen. Es gilt, keine Zeit in der Umsetzung zu verlieren, um die Mobilitätswende für Leipzig zu erreichen“, mahnen sie deshalb in ihrem gemeinsamen Antrag an.

Wobei sie offenlassen, warum die Freibeuter im Dezember nur so eine diffuse Antwort bekommen haben: „Mit dem Änderungsantrag werden gegenüber den Beschlüssen des Stadtrates keine zusätzlichen Personal- und Sachmittel beantragt. Er dient lediglich der Korrektur eines Fehlers bei der Haushaltsaufstellung. Aufgrund der Weigerung des OBM, die Anfrage der Fraktion Freibeuter VII-F-02157 ,Personalstellen im Rahmen der Mobilitätsstrategie‘ nach den zusätzlichen Stellen in der gebotenen Form zu beantworten, kann der Stellenbedarf im Haushalt nur geschätzt werden.“

Und dann gibt es geradezu eine kleine Zurechtweisung für den Chef der Verwaltung: „Da der OBM bei Beachtung des Stadtratsbeschlusses im Rahmen der Haushaltsaufstellung die Deckung für die erforderlichen Mehrbedarfe im Haushalt selbst hätte benennen müssen, wird auf die Angabe derselben verzichtet, weil es ehrenamtlichen Stadträten nicht zugemutet werden kann, die Versäumnisse des hauptamtlich beschäftigten OBM auszugleichen. Die Deckung muss daher bis auf Weiteres zulasten des Ergebnishaushaltes erfolgen.“

„Der Stadtrat hat am 15. Juli 2020 in Kenntnis der finanziellen Lage der Stadt Leipzig im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hinsichtlich des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie unter anderem beschlossen (VII-DS-00547-NF-01)“, zitieren sie: „Die im Rahmenplan genannten Termine für Konzepte, Strategien, Evaluationen und Pläne sind verbindlich. Sie beschreiben den Zeitpunkt zu dem das entsprechende Dokument als öffentliche Vorlage dem Stadtrat spätestens zugegangen sein muss.“

Und: „Der OBM wird den Haushalt für das Jahr 2021 in einer Art und Weise vorlegen, dass das im Rahmenplan beschriebene Personaldefizit noch im Jahr 2021 vollständig abgebaut werden kann. Er stellt im Rahmen der Vorlage der Haushaltspläne für die Folgejahre sicher, dass das beschriebene Personaldefizit nicht erneut auftreten wird.“

Eigentlich ganz klare Versprechen, dass Leipzig endlich konsequent darangeht, die schon seit 2016 vom Stadtrat gewollte Mobilitätswende auch umzusetzen. Fünf Jahre „Warmlaufen“ dürften ja wohl genügen. Jetzt müssen Taten folgen.

„Der zeitweilige Ausschuss Verkehr hat zudem seit Beginn des IV. Quartals 2020 intensiv darum gebeten, die gewünschten Zahlen benannt zu bekommen, um sich mit den Folgen für den Rahmenplan auseinandersetzen zu können. Dies erfolgte nicht“, kritisieren die drei Fraktionen das, was aus ihrer Sicht nur wieder eine weitere Verzögerung des überfälligen Kurswechsels ist.

„Aufgrund der Informationen zur Mobilitätsstrategie ist erkennbar, dass der OBM in pflichtwidriger Weise diesen Stadtratsbeschluss nicht vollständig umgesetzt hat, da die beschlossenen Zeitpunkte nach Information der Verwaltung mit dem im Stellenplan vorgesehen Personal nicht einhaltbar sind.“

Und dann werden sie richtig deutlich, was man in dieser Form auch im Leipziger Stadtrat noch nicht erlebt hat: „Darüber hinaus kündigt der Oberbürgermeister an, den Beschluss des Stadtrates nicht umzusetzen. Dieses steht ihm nicht zu. Kann ein Stadtratsbeschluss aus Sicht des OBM nicht umgesetzt werden, muss der OBM dem Stadtrat eine Vorlage zur Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses zuleiten. Solange der Stadtrat eine solche Vorlage nicht beschlossen hat, ist der OBM zur Umsetzung des Beschlusses verpflichtet. Tut er das nicht, handelt er rechtswidrig.“

Konkret lautet der Änderungsantrag von Grünen, Linken und Freibeutern nun: „Es werden zusätzlich 5 Stellen (VzÄ) zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie unbefristet ab 2021 geschaffen. Entsprechend wird der Ansatz für Personalaufwendungen im HH-Jahr 2021 um 140.000 € und 2022 um 400.000 € erhöht.“

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Es gibt 2 Kommentare

So ein Verhalten spielt der Politikverdrossenheit prächtig in die Hände und erzeugt Wut bei Interessierten.
Ist man schon geduldig, weil die Mühlen langsam mahlen, werden hier Zeiträume verspielt, welche auch den letzten den Geduldsfaden reißen lassen. Offensichtlich befasst sich der de facto “Chef”-August lieber mit Leuchttürmen, von denen er sein Volk grüßen kann. Glaubt man einem anderen Medium, arbeitet er derzeit kräftig an der Verhunzung des Matthäikirchhofes.
Bitte dran bleiben und auf die Finger klopfen…

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