Für diesen Beitrag können wir einfach die Karte mit der Zufriedenheit mit den Radverkehrsanlagen im Ortsteil aus dem Bericht zur Bürgerumfrage 2019 übernehmen. Sie sagt im Grunde alles. Und sie erklärt auch, warum so viele Menschen eben doch lieber aufs Fahrradfahren verzichten in Leipzig: Es ist zu gefährlich.

„Aus Abbildung 4–17 wird ersichtlich, dass der Grad der Zufriedenheit mit dem Angebot an Radverkehrsanlagen im eigenen Ortsteil lokal sehr unterschiedlich bewertet wird“, schreiben Leipzigs Statistiker zu diesem Thema im Bericht.„Die höchste Zufriedenheit mit den Radverkehrsanlagen vor Ort wird im Stadtbezirk West (Grünau) geäußert, hohe Zufriedenheitswerte über 50 Prozent finden sich außerdem in Paunsdorf und Heiterblick, in Wahren, sowie den Quartieren südlich und südöstlich des Zentrums. Am wenigsten zufrieden mit den Gegebenheiten vor Ort sind die Bewohner/-innen von Plagwitz (13 Prozent), Lindenau (14 Prozent) sowie in Mölkau und Baalsdorf (14 bzw. 15 Prozent).“

Und dann machen die Statistiker/-innen das, was sie gern tun, wenn sie der Verkehrsverwaltung mal eine freundliche Kritik servieren wollen: „In Tabelle 4-4 ist außerdem der Vergleich mit dem Jahr 2017 dargestellt. Auffällig ist, dass in mehreren Ortsteilen mit sehr geringen Anteilen regelmäßiger Radfahrer/-innen die Infrastruktur am positivsten beurteilt wird. Umgekehrt sind die überdurchschnittlich häufig radfahrenden Bewohner/-innen von Plagwitz am unzufriedensten mit der Radinfrastruktur vor Ort. Bedenklich ist, dass die Zufriedenheit mit den Radverkehrsanlagen in 44 der 63 Ortsteile gegenüber 2017 zurückgeht (Änderungen von mind. +/- 5 Prozentpunkten), teilweise sogar drastisch.“

Und weiter: „Offenbar sind die Anforderungen der Leipziger/-innen an ein attraktives und sicheres Radwegenetz im Zuge der Debatte um eine klimafreundliche Mobilitätswende deutlich gestiegen. Die These, dass sich vorhandene Mängel erst im Zuge verstärkter und regelmäßiger Nutzung des Fahrrads in negativen Bewertungen manifestieren, wird im folgenden Abschnitt näher untersucht. Ebenfalls eine Rolle spielen dürften kommunalpolitische Diskussionen zum Umgang mit Unfallschwerpunkten für Radfahrer/-innen, etwa der Inneren Jahnallee und zur Schaffung weiterer Fahrradstraßen.“

Das kann man machen. Aber in den drastisch verschlechterten Bewertungen steckt eben auch ein massives Versäumnis in der Radverkehrspolitik, die nun einmal in acht Jahren praktisch keine Fortschritte brachte. Und das bei tatsächlich steigendem Radfahrer-Aufkommen gerade in zentralen Stadtbereichen wie Zentrum-Süd: Mehr Radfahrer/-innen müssen sich auf viel zu klein bemessenen Radanlagen drängen. Das empfindet man nicht nur als Verschlechterung, das ist eben auch eine. Ergebnis: Die Zufriedenheit mit den Radanlagen in Zentrum-Süd sank von 55 auf 36 Prozent. In Schleußig sank sie von 49 auf 33 Prozent, in Plagwitz stürzte sie von 34 auf 13 Prozent ab.

Natürlich steckt in den Aussagen auch die Erfahrung mit einem zunehmendem Auto-Aufkommen in allen Stadtteilen. Autos, die meist auch noch verkehrsbehindernd auf Radwegen, Fußwegen und Kreuzungen geparkt werden. Was ja der Hauptgrund dafür ist, dass die Debatte über das Abschleppen verkehrsbehindernd geparkter Kfz im Stadtrat so hochgekocht ist. Die Leipziger Ordnungsverwaltung hat eine gehörige Aktie daran, dass die Stimmung bei den Leipziger Radfahrer/-innen derart gekippt ist.

Und dass viele Leipziger/-innen, die gern aufs Rad umsteigen würden, um ihres körperlichen Heils wegen lieber verzichten.

Das hat nicht nur mit den spektakulären Unfällen zu tun, sondern mit einem ganzen Netz voller problematischer Radwege, Übergänge und Kreuzungen, bei dem die zuständigen Planer seit Jahren so tun, als sei Eile nicht nötig.

„Ein wirksames Mittel, die Frequenz der Fahrradnutzung zu steigern, wären nach Aussage der Leipzigerinnen und Leipziger verbesserte Radverkehrsanlagen und Fahrradabstellmöglichkeiten“, heißt es im Bericht.

„Für jede der drei Aussagen ergibt sich eine Zustimmungsrate (Anteile trifft voll und ganz zu und trifft eher zu) von 60 Prozent oder höher: Vor allem jüngere Erwachsene (77 Prozent Zustimmung) und Erwachsene unter 50 Jahren (69 Prozent) geben an, dass sie häufiger auf das Fahrrad zurückgreifen würden, wenn Fahrradwege besser ausgebaut wären. Unter Schüler/-innen und Studierenden erreicht die Zustimmung zu dieser Aussage 88 Prozent. Die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen ist in ihrer Bewertung gespalten, während Personen im Rentenalter als einzige Gruppe mehrheitlich ablehnend antworten (44 Prozent Zustimmung zur Aussage).“

Und dasselbe Zögern gibt es ja auch bei den Radwegen abseits des Straßennetzes: „Die Zustimmung zum Nutzen weiterer straßenunabhängiger Radrouten und Radschnellwege zur Steigerung der Fahrradnutzung fällt mit 66 Prozent noch etwas höher aus. Das Antwortverhalten der einzelnen Gruppen fällt qualitativ identisch aus wie bei der ersten Aussage.“

Da staunt man dann nicht wirklich, wenn von den regelmäßigen Radfahrer/-innen über 60 Prozent sagen, dass die Stadt einfach (viel) zu wenig tut für den Radverkehr.

Besser ist die Bewertung nur bei den Selten- oder Nie-Radfahrern, bei denen das nur 39 Prozent sagen.

Was einmal mehr zeigt, dass die, die das Drama jeden Tag erleben, deutlich kritischer sind als die, die nur mal im Sommer ein bisschen herumfahren.

Oder so formuliert: Das Leipziger Radwegenetz ist dem Anspruch, eine Fahrradstadt sein zu wollen, nicht im geringsten angemessen. Aber das wissen wir ja, seit der ADFC vorgerechnet hat, dass nur ein Viertel der Maßnahmen aus dem Radverkehrsentwicklungsplan 2010–2020 umgesetzt wurde. Das ist einfach nur noch peinlich. Und sorgt eben auch für das manifeste Bild aus Sicht der Autofahrer, dass es keinen wirklichen Anreiz gibt, aufs Auto zu verzichten. Der bestünde erst, wenn Leipzig ein sicheres Radwegenetz bekommt, das seinen Namen verdient.

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