Dass Leipzig als Großstadt im Osten eine wichtige Rolle spielt, wird auch daran deutlich, dass es regelmäßig in großen Erhebungen zu Mietpreisen und Immobilienmärkten auftaucht und dort mit den üblichen Top 10 aus dem Westen verglichen wird. Das passiert auch wieder in der Mai-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Capital“, in dessen zehntem „Immobilien-Kompass“.

Dazu sprechen die Redakteure vor allem mit Immobilienvermarktern. Sie tragen die aktuellen marktgängigen Preise zusammen für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, aber auch die aktuellen Mieten für Neu- und Altbau. Dabei haben sie nicht den Mieter selbst im Blick, sondern all jene Leute, die ihr Geld in Immobilien anlegen möchten. Dabei picken sie vor allem jene Stadtquartiere heraus, in denen es für Immobilienanleger besonders interessant ist, weil hier die Post abgeht und die Wohnlage besonders schön ist. Was logischerweise die Bewohner anlockt, die gern schön und gut wohnen möchten. Und damit – naja – steigen die Mietpreise. Was dann Bauen und Sanieren wieder interessant macht.

Für Leipzig ist das ja bekanntlich schon seit Jahren für Ortsteile wie die Südvorstadt, das Waldstraßenviertel, Schleußig und das Musikviertel so. Aber in den letzten Jahren sind auch Stadtquartiere dazugestoßen, die vor zehn Jahren noch als echte Aschenputtel galten: Lindenau (das im Sog von Plagwitz zu neuen Ehren kommt) und das Grafische Viertel, das sich zur neuen zentrumsnahen Alternative für Gutverdiener gemausert hat.

Interessant ist das Alles natürlich auch deshalb, weil derzeit tausende Anleger nach Möglichkeiten suchen, mit Immobilien entweder eine sichere Geldanlage oder sogar einen Renditebringer zu finden. Denn gebaut wird in der Regel mit dem Geld von Leuten, die Häuser und Wohnungen schon kaufen, bevor auch nur gebaut wird. Und natürlich suchen sie diese Wertanlagen vor allem in Städten, in denen sich die Wohnviertel nicht nur verdichten, sondern auch verteuern. Denn am Ende sind es ja die zahlungskräftigen Mieter, die den Bauboom erst ermöglichen. Und Leipzig ist – genauso wie Dresden – seit ein paar Jahren nicht nur mit dabei, sondern zählt auch zu den gefragteren unter den 40 großen deutschen Städten.

Wobei die Auswahl von „Capital“ schon verblüfft: Es dominieren die westdeutschen Städte. Neben Dresden, Leipzig und Berlin hat es nur noch Potsdam in die 40-Städte-Liste geschafft. Städte wie Jena, Halle, Magdeburg und Rostock vermisst man. Wohl zu Recht. Was dann eine Karte zu einem ganz anderen Thema im Magazin deutlich macht: „Was tun mit Omas Häuschen?“

 

Mai-Ausgabe von „Capital“, Foto: Ralf Julke
Mai-Ausgabe von „Capital“, Foto: Ralf Julke

 

Denn natürlich bestimmt die Nachfrage nach Immobilien in den großen Städten auch das Kaufpreisniveau für Immobilien im Umfeld. Es gibt Gegenden – vor allem in Bayern und Baden-Württemberg – wo es kein Problem ist, das ererbte Häuschen zu einem ordentlichen Preis weiterzuverkaufen. Und es gibt riesige Regionen von Hessen bis zur Nord- und Ostseeküste, wo man das ererbte Häuschen gar nicht oder nur mit hohen Abschlägen loswird. Da ist dann auch der Osten großflächig blau. Doch es gibt einige Punkte auf der Karte, wo das Immobilienpreisniveau auch in den ländlichen Räumen überdurchschnittlich ist. Und das betrifft konsequenterweise all jene Regionen, wo eine zugkräftige Großstadt im Zentrum die Entwicklung bestimmt. Neben Berlin/Potsdam sind das im Osten eben auch Leipzig und Dresden, aber auch Rostock und die Region Jena/Weimar/Erfurt. Nicht ganz in die Kategorie fällt natürlich die Ostseeküste von Hiddensee bis Rügen. Die entwickelt sich mittlerweile zu einem völlig eigenen Urlauberdomizil.

Aber die Karte zeigt auch, dass die Leipziger Entwicklung auch auf Halle ausstrahlt, auch wenn das erst mal nur heißt, dass die Gutverdienenden auch gern im Saalkreis wohnen.

Aber die Karte zeigt überdeutlich, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik zusehends auf die großen Städte konzentriert. Und je knapper dort der Wohnraum in beliebten Lagen wird, umso stärker steigen die Kaufpreise für Grundstücke und Wohnungen – und im Gefolge auch die Mieten. Wobei überall – auch in Düsseldorf oder Hamburg – deutlich wird, dass das Mietpreisniveau extrem von der Einschätzung der Lage abhängig ist. Die richtig deftigen Monatsmieten von 20 und 30 Euro je Quadratmeter werden auch in westdeutschen Städten nur in den Top-Lagen erzielt. Was auch heißt: Es gibt die zahlungskräftige Kundschaft dafür.

Es sind nicht die Immobilienentwickler, die für die Entmischung der Städte sorgen, so seltsam das für Leipziger Verhältnisse klingen mag. Auch wenn sie natürlich allein schon aus sinnvollem wirtschaftlichen Verhalten heraus den Bau exklusiv vermietbarer Objekte in attraktiven Innenstadtlagen forcieren. Wo denn auch sonst? Sie wollen ja was verdienen mit dem Bau. Eine Immobilie, die sich nicht refinanziert, wird einfach nicht gebaut.

Das erzählen wir hier an dieser Stelle ja schon seit Jahren. Manchmal ist es schon erschütternd, wie lange es braucht, dass solche simplen Botschaften auch bis auf die entscheidende politische Ebene vordringen. Deswegen haben auch die „Capital“-Autoren nur ein Schulterzucken für die sogenannte „Mietpreisbremse“ und ähnliche Instrumente. Denn die ändern ja nichts daran, dass man auch in Leipzig keinen Neubau mehr hochziehen kann, der am Ende für mindestens 7,50 oder 8,50 Euro je Quadratmeter vermietet werden muss, um die Investitionskosten wieder einzuspielen.

Für Städte wie München oder Frankfurt sind das lächerliche Mietniveaus. Die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnraum ist dort so groß, dass jeder, der so eine Miete geboten bekommt, froh ist. Was im Umkehrschluss aber auch heißt, dass die üblichen Malocher und Niedriglöhner in diesen Städten schon längst keine Wohnung mehr in Innenstadtnähe finden. Sie fahren jeden Tag ihre 30, 50 Kilometer zur Arbeit, weil sie mit ihrem Einkommen nur noch weit jenseits der Peripherie bezahlbaren Wohnraum finden. Eine Entmischung, die durchaus auch in diesen reichen Städten als Manko begriffen wird.

Gegensteuern kann man nur, wenn man wirklich flächenmäßig sozialen Wohnungsbau fördert.

Burkhard Jung hat das zur neuen Bevölkerungsprognose in der vergangenen Woche auf den Punkt gebracht: Um allein das absehbare Bevölkerungswachstum in Leipzig aufzufangen, müssten jedes Jahr 4.500 neue Wohnungen entstehen, davon 2.000 im sozialen Wohnungsbau.

2015 aber wurden nur 1.800 gebaut. Aus gutem Grund: Erstens gab es null Euro für sozial geförderten Wohnungsbau. Und zweitens ist auch die Kundschaft für exquisite Neuvermietung im Segment 8 bis 12 Euro (das sind so die Spitzenpreislagen in Leipzig) begrenzt. Die Immobilienentwickler sind vorsichtig und bauen nur dann, wenn sie das gute Gefühl haben, den Neubau auch komplett vermieten zu können. Dass sie trotzdem nur 1.800 statt 2.500 neue Wohnungen gebaut haben, zeigt, wie vorsichtig sie sind.

Man darf sich auch nicht von den üblichen Berichten einiger Zeitungen scheu machen lassen, die einen saftigen Mietpreisanstieg in ganz Leipzig verkünden, wenn mal wieder ein Mietportal ausgewertet wurde. Dafür, dass das Gesamtniveau in die Höhe geht, sorgen vor allem die (nicht geförderten) Neubauten im Herzen der Stadt und rechts und links der Weißen Elster (wer Geld hat, wohnt gern in Wassernähe). Der Beitrag von Christian Hunziker geht explizit auch auf die Frage ein, warum das allgemeine Mietniveau für Leipzig trotzdem noch deutlich niedriger ist als selbst in Dresden und Berlin. Und benennt den ausschlaggebenden Grund: das Einkommensniveau. Denn vermietbar ist eine Wohnung nur, wenn sie dem Geldbeutel der Mietinteressenten vor Ort entspricht.

Was durchaus bedeuten kann, dass Leipzig auf diese Weise ziemlich bald in einen echten Wohnungsmangel hineinmarschiert. Das steht natürlich nicht in „Capital“, aber das ist zwangsläufig, wenn der mögliche Neubau nur auf einem Niveau zu realisieren ist, das 30 Prozent überm Leipziger Durchschnittseinkommen liegt. Dann ist die Nachfrage der wirklich zahlungskräftigen Klientel irgendwann erfüllt und der Wohnungsbau kommt wieder zum Erliegen, weil für die nächsten Neubauten die zahlungskräftige Nachfrage fehlt.

Was sich auch nicht ändert, wenn die Leipziger anfangen, ins Umland auszuweichen, weil man dort noch preiswerter mieten kann.

Wobei in der Immobilienmarktbetrachtung natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung steckt, dass das Leipziger Wirtschaftswachstum genauso forciert weitergeht wie das Bevölkerungswachstum und dann auch das Einkommensniveau steigt und damit auch die Nachfrage nach teurerem Mietraum.

Das ist Zukunftsmusik. Da aber Hunziker auf die zermürbenden 1990er Jahre eingeht, als Leipzig wirklich tief in der grauen Depression steckte, ist seine Einschätzung natürlich verständlich: Leipzig hat den Anschluss an die großen Städte der Republik geschafft. Die Frage ist nur: Geht das jetzt auch so weiter? Die „Zeit der Schnäppchen“ in Leipzig ist jedenfalls vorbei.

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