Im Februar kündigte die Bundesregierung vollmundig ein Insektenschutzgesetz an, das eigentlich nur eine „Änderung in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung im Bundesnaturschutzgesetz“ ist. Aber nicht einmal das ist eine gute Botschaft für die Insekten, stellt das Umweltinstitut München fest. Denn Glyphosat und andere Insektenvernichter bleiben auch nach 2024 im Einsatz. Das Insektensterben geht also weiter, wenn es nach dieser Bundesregierung geht.

Das Umweltinstitut München hält die geplanten gesetzlichen Änderungen zum Insektenschutz für ungeeignet, um das Insektensterben aufzuhalten.

Dazu der Kommentar von Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut:

„Die Änderungen zum Insektenschutz sind nicht mehr als ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Um eine tatsächliche Trendwende beim Insektensterben einzuleiten, werden sie bei weitem nicht genügen. Auf dem allergrößten Teil der landwirtschaftlichen Flächen kann genauso schädlich weiter gewirtschaftet werden wie bisher.

Dies zeigt sich unter anderem am Einsatz des Totalherbizids Glyphosat: Der Umgang mit dem Wirkstoff wurde neu geregelt – verboten wurde er aber nicht. Irreführend ist dabei die Darstellung der Bundesregierung, mit der Verabschiedung des Insektenschutzpakets sei das Ende von Glyphosat ab 2024 besiegelt worden.

Tatsächlich läuft die derzeit gültige Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene im Dezember 2022 aus, was unabhängig von den beschlossenen Änderungen ohnehin automatisch passieren wird. Durch sogenannte Abverkaufs- und Aufbrauchfristen wird Glyphosat aber erst 2024 endgültig vom Markt verschwunden sein – immer vorausgesetzt, es wird auf EU-Ebene nicht wieder genehmigt. Doch das Verfahren für die weitere Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene läuft bereits.

Derzeit ist noch völlig offen, ob das Totalherbizid noch über 2022 hinaus weiter zugelassen werden wird. Sollte dies geschehen, so wird es durch die bestehenden Regelungen ziemlich sicher auch in Deutschland keinen Glyphosat-Ausstieg geben. Das wird so auch in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung angedeutet und die Bundesregierung hat immer wieder betont, dass es nicht möglich ist, Glyphosat in Deutschland zu verbieten, solange es auf EU-Ebene zugelassen ist.

Auch das „sofortige Glyphosat-Verbot“ in Haus- und Kleingärten ist kein echtes Verbot. Denn der Einsatz von Glyphosat in Privatgärten und auf öffentlichen Plätzen wird mit Inkrafttreten der abgeänderten Verordnung nicht grundsätzlich verboten. Vielmehr bleiben die glyphosathaltigen Mittel, die schon vorher für diese Bereiche zugelassen waren, auch weiterhin für diese Anwendungen erlaubt.

Derzeit sind 38 verschiedene glyphosathaltige Mittel zugelassen, die somit auch weiterhin auf privaten und öffentlichen Flächen eingesetzt werden dürfen. Von einem Verbot kann also keine Rede sein und die Verabschiedung des Insektenschutzpakets als sicheres Aus für das Totalherbizid zu feiern, ist schlichtweg irreführend.

Der Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten wird ebenfalls neu geregelt – aber nicht verboten. Die Verwendung vieler Pestizide bleibt selbst in Naturschutzgebieten auch in Zukunft erlaubt. Hier gibt es lediglich Verbote für besonders schädliche Pestizide. In Vogelschutzgebieten dagegen wird es überhaupt keine Einschränkungen für den Pestizid-Einsatz geben.

Laut der aktuellen Roten Liste, die diese Woche veröffentlicht wurde, gelten 43 Prozent aller 259 regelmäßig in Deutschland brütenden Vogelarten in ihrem Bestand gefährdet. Besonders stark bedroht sind demnach unter anderem Insektenfresser und Vögel der Agrarlandschaft. Insekten dienen zahlreichen Vögeln und ihrer Brut als Nahrungsgrundlage. In FFH-Gebieten gibt es indes so viele Ausnahmen für die Beschränkungen des Pestizid-Einsatzes, dass nur sehr wenig Fläche wirklich betroffen ist.

Selbst Pestizide, die als besonders bienengefährlich gelten und die mittlerweile EU-weit verboten wurden (einige Neonicotinoide wie beispielsweise Thiamethoxam), kommen in den Mitgliedstaaten durch sogenannte Notfallzulassungen wieder zum Einsatz – auch in Deutschland. Um die Artenvielfalt und die Insektenwelt zu schützen ist es unabdingbar, dass die Art und Weise, auf die auf dem größten Teil der genutzten Fläche Landwirtschaft betrieben wird, grundsätzlich geändert wird.

Zur Erinnerung: Das Ziel dieses Gesetzes war ein besserer Schutz von Insekten insbesondere vor den Auswirkungen der Landwirtschaft. Mit diesem mühsam ausgehandelten Kompromiss lässt sich dieses Ziel nicht erreichen. Die Verabschiedung des Insektenschutzpakets darf nun auf keinen Fall dazu führen, dass das gravierende Problem des Insektensterbens in Deutschland jetzt als erledigt betrachtet wird.“

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Mehr zur Bewertung des „Insektenschutzgesetzes“ durch das Umweltinstitut München.

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