Ein ebenso spektakuläres wie zähes Verfahren um die Tötung eines Geschäftsmannes im Leipziger Norden vor fast sechs Jahren wird komplett neu aufgerollt. Dabei schien der Prozess nach über zwei Jahren seinem Ende nahe. Doch nun meldete sich überraschend ein mutmaßlicher Mittäter zu Wort, der seit Jahren untergetaucht ist. Bringt er eine Wende in den verworrenen Fall?

Seit Mai 2018 standen Hüseyin D. (heute 51) und Hasan M. (heute 47) vor dem Leipziger Landgericht. Der 47-Jährige soll den türkischen Geschäftsmann Mehmet I. (42) im September 2014 gemeinsam mit Ismail Ö. (heute 25) gefesselt haben, anschließend hätte der jüngste der Männer das wehrlose Opfer erwürgt.

Den Befehl zur Tötung seines Rivalen habe dabei Hüseyin D. erteilt. Mutmaßliches Motiv: Ein Streit beider Männer um 8.000 Euro.

Leiche vergraben und einbetoniert

Kurz darauf wurde der Leichnam des Händlers auf einem Areal an der Dessauer Straße verbuddelt und einbetoniert. Die Polizei stieß dort erst über drei Jahre später auf seine sterblichen Überreste. Der Gruselfund war kein Zufall: Hasan M. hatte sich nach längerem Ringen den Ermittlungsbehörden anvertraut und ausgepackt – laut seinem Anwalt plagten ihn Gewissensbisse. Er wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und belastete seinen Bekannten im Prozess schwer.

Doch der Prozessauftakt im Mai 2018 wurde von heftigem Krach überschattet, denn die Verteidigung des mutmaßlichen Mord-Auftraggebers warf der Staatsanwaltschaft schwere Ermittlungsfehler vor. Zudem konnte sich Ismail Ö. nach seiner Freilassung aus der Untersuchungshaft ungehindert absetzen, er soll sich aktuell in der Türkei aufhalten. Bis heute wird mit internationalem Haftbefehl nach dem jungen Mann gesucht – der Tatverdacht gegen ihn hatte sich im Laufe der Zeit wieder erhärtet.

Ruhestand des Richters lässt Zeitplan platzen

Nach 75 Verhandlungstagen, die unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen stattfanden, nun die brisante Überraschung: Der untergetauchte Ismail Ö. wandte sich über seinen Anwalt und per Schreiben an das Gericht und verkündete seine Aussagebereitschaft. Die Hauptverhandlung, die eigentlich am 28. August mit einem Urteil hätte enden sollen, wird nun von vorn gestartet. Denn Ende August geht der Vorsitzende Richter der zuständigen Strafkammer in den Ruhestand. Die verbleibende Zeit reiche nicht aus, um den Prozess unter den geänderten Umständen ordnungsgemäß zu beenden, so das Landgericht am Donnerstag.

Was bei vielen für Unverständnis und Kopfschütteln sorgen dürfte: Der Richter selbst wäre von sich aus bereit gewesen, den Prozess auch über den Tag seines Ausscheidens aus dem Amt weiterzuführen und abzuschließen. Das aber sei, so die Pressestelle des Landgerichts, „aus rechtlichen Gründen“ nicht möglich. Auf L-IZ-Nachfrage verwies das Landgericht am Freitag auf §5 des Richtergesetzes für den Freistaat Sachsen, der Altersbeschränkungen festlegt.

Hüseyin D. und Hasan M., die seit Herbst 2017 in Untersuchungshaft saßen, kamen am Donnerstag auf freien Fuß. Termine für den Neustart des Prozesses gibt es laut Landgericht noch nicht.

Hauptverdächtiger soll eigenen Tod per Foto inszeniert haben

Skurril und geradezu unglaublich: Offenbar geriet Hüseyin D. schon 2014 selbst ins Visier eines rivalisierenden Großhändlers, der ihn mit Hilfe eines tschechischen Auftragsmörders aus dem Weg räumen wollte. Doch der angeheuerte Killer soll sein Zielobjekt gewarnt haben – und täuschte dann gemeinsam mit dem auserkorenen Opfer dessen Tod vor. Die Mittel der filmreifen Inszenierung: Schminke, Ketchup und ein gestelltes Leichen-Foto.

Tod eines Geschäftsmannes: Verhandlung fortgesetzt – Kronzeuge erleidet Kollaps

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