Es ist wohl keine Übertreibung, vom Ende einer Ära zu sprechen: Die neue Bundesregierung für Deutschland steht – und wenn nichts Unerwartetes passiert, wird Olaf Scholz morgen als neunter Kanzler der Bundesrepublik gewählt und das ganze Kabinett vereidigt. Mitten in der Coronakrise warten nicht nur deshalb immense Aufgaben auf Sozialdemokraten, Liberale und Grüne. Sachsen will unterdessen die Bestimmungen für die Corona-Notfallverordnung ausbauen und die Berliner Humboldt-Universität geht per Beschwerde beim Presserat gegen das Boulevardblatt BILD vor. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 7. Dezember 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Deutschland vor dem Regierungswechsel – und eine Erinnerung an 1998

„‚Kneif mich‘, flüsterte ich meinem neben mir stehenden Ministerkollegen und Freund Otto Schily zu. ‚Ich kann es einfach nicht glauben. Sag mir, dass es kein Traum ist.‘“ – mit literarischem Pathos beschrieb der Grüne Joschka Fischer (heute 73) in seinen Erinnerungen jenen Tag im Herbst 1998, als die rot-grüne Regierungskoalition auf Bundesebene vereidigt wurde.

Die Generation der Rebellen und 68er war in der höchsten Verantwortung angekommen und sollte Deutschland nach 16 Jahren bleierner Helmut-Kohl-Herrschaft mit Kanzler Gerhard Schröder (heute 77, SPD) an der Spitze bis 2005 regieren. Fischer war grüner Außenminister des einmaligen Projekts.

Ob sich morgen ein ähnliches Gefühl des Aufbruchs wie damals einstellen wird? Auf jeden Fall scheint der neuen Allianz aus SPD, FDP und Grünen nun nichts mehr im Weg zu stehen, nachdem alle Posten für Ministerinnen und Minister besetzt sind und der Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre unterschrieben wurde.

An Arbeit wird es jedenfalls nicht mangeln, denn neben der grassierenden Pandemie stehen auch die Themen Klimawandel, Digitalisierung, Wohnraum, soziale Sicherungssysteme, Außenpolitik, Flucht und Migration und vieles mehr auf der Agenda. Und damit die große Frage: Können die das? Sind sie den Aufgaben gewachsen? Die Presse blickt am Vortag jedenfalls schon mal kritisch bis gespannt auf die neue Führungsspitze des Landes.

Und Scholz, ehemals Erster Bürgermeister Hamburgs und für viele Inbegriff hanseatisch kühler Sachlichkeit, hat sich mit seinen designierten Kollegen schon mal warmgelaufen – unter anderem mit einer Ansage an die Ungeimpften in der Bevölkerung und seiner Sorge über russische Truppenbewegungen in der Ukraine.

Neue Verordnung in Sachsen: Schließung der Gastronomie in Corona-Hotspots

Richten wir den Blick nach Sachsen: Hier hat das Regierungskabinett am Dienstag – mal wieder – eine Änderung der derzeit geltenden Notfallverordnung zum Schutz gegen COVID-19 verabschiedet. Der Beschluss steht noch unter dem Vorbehalt, dass das neue Infektionsschutzgesetz durch den Bund beschlossen wird.

Wichtigste Neuerung: Während viele der geltenden Maßnahmen fortgesetzt werden sollen, kommt auf die sächsische Gastronomie in Infektions-Hotspots mit einer Inzidenz von über 1.500 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner die zwangsweise Schließung zu. Bisher gilt für Bars und Restaurants eine pauschale 2G-Regel (Zutritt für nachweislich Geimpfte und Genesene) sowie Öffnungszeiten zwischen 6 und 20 Uhr.

Die Schließung der Gastronomie würde – nach heutigem Stand – zwei Landkreise Sachsens betreffen, die eine Inzidenz über 1.500 aufweisen: die Landkreise Meißen und Mittelsachsen mit Inzidenzen von 2.380 und 1.606 am heutigen 7. Dezember.

Daneben sind Kontaktbeschränkungen sowie ein Verbot von Feuerwerken und Ansammlungen an Silvester geplant – wo genau sich keine Menschen versammeln dürfen, legen die Kommunen demnach in Eigenregie fest. Das Paket soll am nächsten Montag in Kraft treten und bis 9. Januar 2022 gelten.

Unterdessen reißt die Mobilisierung der sogenannten Querdenker und Rebellen gegen die Schutzmaßnahmen nicht ab. Immer wieder kommt es zu Verstößen gegen die aktuelle Notfallverordnung in Sachsen, die nur ortsgebundene Versammlungen mit maximal zehn Teilnehmern gestattet.

Querdenker-Szene: Polizei meldet neue Vorkommnisse

Die Leipziger Polizeidirektion meldet einschlägige Vorkommnisse vom Montagabend in Leipzigs Innenstadt sowie Delitzsch, Grimma, Brandis, Markkleeberg, Engelsdorf, Torgau, Oschatz, Colditz, Frohburg und Geithain.

Womöglich verfolgen die „Corona-Rebellen“, die sich im Kampf gegen eine vermeintliche Diktatur wähnen, die Strategie, die Polizei durch eine Masse dezentraler Ansammlungen zu überfordern.

Und sie schauen offenbar auf Sachsen: Nach dem bedrohlichen Fackel-Aufmarsch am Grimmaer Wohnhaus von Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (63, SPD) sollte nun offenbar auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (47, SPD) an ihrer privaten Anschrift heimgesucht werden. Polizeikräfte konnten den Marsch allerdings stoppen, es wurden mehrere Strafanzeigen aufgenommen.

Humboldt-Uni Berlin wirft BILD-Zeitung Verunglimpfung von Forschern vor

Die Berliner Humboldt-Universität hat beim Deutschen Presserat Beschwerde gegen die Berichterstattung des Boulevardblatts BILD vom 4. Dezember eingereicht. Hier werden mit Dirk Brockmann, Viola Priesemann und Michael Meyer-Herrmann drei Forscher als „Lockdown-Macher“ bezeichnet.

In einer Pressemitteilung kritisiert die Humboldt-Universität die Art der Markierung von Wissenschaftlern als falsch, gefährlich und verantwortungslos. Es würde eine falsche Verantwortung der Wissenschaft für politische Entscheidungen suggeriert, was in Zeiten des ohnehin bröckelnden Zusammenhalts in der Gesellschaft Verschwörungsideologien wiederum Auftrieb geben würde.

Der Presserat hat den Eingang von insgesamt 84 Beschwerden inzwischen bestätigt und kündigte eine Prüfung an. Die 1956 gegründete Organisation kann, sollten die Beschwerden als begründet erachten werden, theoretisch einen Hinweis oder eine Missbilligung (als mildere Form der Sanktion) an die BILD richten. Im äußersten Fall ist eine öffentliche Rüge möglich.

Worüber die LZ heute berichtet hat: Was haben die Genfer Konvention, die Polizei und das Rote Kreuz gemeinsam – das erklärt dieser Beitrag. CDU und SPD in seltener Eintracht: Sie wollen die bekannte Landesgartenschau gern nach Leipzig holen. Am Unteren Elsterwehr wird die Sedimentberäumung vorbereitet. Und wer sich in dieser wirren Zeit mal wieder mit einem Buch ablenken will, könnte – wenn es den Geschmack trifft – mit bitterbösen „Mordsmärchen“ sein Glück finden.

Was heute sonst noch wichtig war: In Zwickau gab es eine Wohnungsdurchsuchung, die sich gegen das rechtsextreme Milieu richtete – offenbar mit beträchtlicher Ausbeute. Auch falsche Impfpässe waren wohl dabei.

Leipzigs Stadtreinigung wurde Ziel eines Hackerangriffs. Die EU-Behörden empfehlen Kreuzimpfungen gegen COVID-19. Und: Eine besonders skurrile AfD-Beschwerde im Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen und der morgigen Kanzlerwahl lehnte das Bundesverfassungsgericht ab.

Was morgen wichtig wird: Deutschland wird eine neue Regierung bekommen und Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) nach über 16 Jahren ihr Amt an Olaf Scholz abgeben – siehe oben.

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