Jubiläen sollte man feiern. Sie machen den Menschen bewusst, wie sehr sie selbst in ihrer kleinen Gemeinde in den Weltläufen verankert sind. Und dass selbst im kleinsten Ort Geschichte greifbar ist. Meist mit der Kirche im Dorf, um die sich Generationen gekümmert, sie immer wieder umgebaut und repariert haben. Und selbst die Orgel in St. Kilian erzählt nun von 300 Jahren sächsischer Orgelbautradition.

Mit Johann Ernst Hähnel und Johann George Friedlieb Zöllner hat der Sax-Verlag ja gerade zwei namhafte sächsische Orgelbauer gewürdigt. Mit der Orgel in der Kirche St. Kilian in Bad Lausick kommen jetzt gar zwei der berühmtesten zu einer Würdigung. Zwei, die natürlich deutlich machen, warum die Kirchgemeinde Bad Lausick sich dieses Jubiläum gar nicht entgehen lassen konnte.

Denn erbaut wurde die Orgel von Sachsens berühmtesten Orgelbauer, Gottfried Silbermann. Es ist die Nr. 18 auf seiner Werkliste, die er 1722 für die (alte) Johanniskirche in Chemnitz baute. Weshalb sie ursprünglich auch einen kleineren Umfang hatte und Silbermanns Schüler Adam Gottfried Oehme 1770 davor warnte, sie in die neue, viel größere Johanniskirche umzusetzen. Was dann aber trotzdem geschah – mit den zu erwartenden Folgen: Sie füllte den großen Kirchenraum nicht mehr mit ihrem Klang, musste also erweitert werden, was dann 1792 durch den ebenfalls berühmten sächsischen Orgelbaumeister Johann Gottlob Trampeli erfolgte.

Wirkung bedeutender Familien

Mit der Konsequenz, dass die Johanniskirche eine Orgel mit doppelt klangvollen Namen besaß. Zumindest bis 1879, als man mit der alten Orgel nicht mehr so recht zufrieden war und diese nach Auligk bei Pegau verkaufte, um dann quasi zehn Jahre auf eine neue Orgel für die Johanniskirche zu warten.

Die ganze Orgelgeschichte und die Wanderung der ursprünglichen Silbermann-Orgel durch vier Kirchen erzählt in dieser Festschrift Klaus Gernhardt. Ein Beitrag, der eingebettet ist in Texte zur 900-jährigen Geschichte der Kirche St. Kilian, die damit auch für Sachsen ein Unikum ist, und einen Kurzabriss der Wirkungsgeschichte der Familien Silbermann und Trampeli in Mitteldeutschland.

Eine Fundgrube für Orgelfans

Und selbst noch das letzte Kapitel, wie die für die Kirche in Auligk viel zu große Orgel dann 1956 nach Bad Lausick verkauft wurde, wo sie heute Schmuckstück der liebevoll restaurierten Kirche und Stolz der Kirchgemeinde ist, steckt voller Spannung. Und natürlich ist diese Orgel eine Attraktion für begabte Organistinnen und Organisten, die einmal auf der Silbermann-Trampeli-Orgel spielen wollen. Auch die Geschichte der anderen Orgeln, die einst in St. Kilian aufgestellt waren, wird erzählt. Wer Orgeln mag und sich für die sächsische Orgelgeschichte interessiert, kommt mit dieser Festschrift ganz auf seine Kosten.

Bis hin zu den Dispositionen der einzelnen Orgel-Phasen und einer kleinen Orgelkunde. Wer die Orgel freilich einmal hören möchte, der sollte die Veranstaltungen in der Kirche St. Kilian aufmerksam verfolgen. Mit dem Wissen aus der Festschrift lohnt sich die Fahrt in den Kurort südlich von Leipzig erst recht, dessen Geschichte – auch als Kurort – natürlich ebenfalls erzählt wird.

Vereinigte Ev.-Luth. Kirchgemeinde Bad Lausick (Hrsg.) „Die Silbermann-Trampeli-Orgel in der St. Kilianskirche Bad Lausick“, Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2022, 9,90 Euro.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar