Es gibt mehr Früchte, als man sich im Supermarkt so vorstellen kann. Auch heimische Früchte, die oft vergessen werden. Oder gern geklaut. Wie die Quitte, die das wohl späteste geerntete Obst in heimischen Gärten ist. Goldgelb prangen die Früchte am Baum. Und der Moment, sie rechtzeitig zu bergen, ist kurz. Denn überreif dürfen sie auch nicht vom Bau geholt werden. Dabei sind Quitten so gesund, schrieb auch Hildegard von Bingen.

Was schon einmal zeigt, wie lange Quitten schon in hiesigen Gärten gepflanzt und geerntet wurden. In einem richtigen Bauerngarten dürfen sie gar nicht fehlen. Auch wenn die Pflücker oft gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Einfach hereinbeißen?

Das ist bei den meisten Quittensorten eher ungünstig. Sie lassen sich meist nur in verarbeitetem Zustand genießen. Aber dann entfalten sie ihre Wucht und ihre Wirkung. Bis zur Erinnerung daran, dass unsere heutige Marmelade ihren Namen von einer Quittensorte hat.

Und Quittenmus und Quittengelee kommen natürlich vor in Barbara Baumanns kleinem Porträt der Quitte. Plus selbstredend die Orangen-Quitten-Marmelade. Und schon bei dem Wort ist alles klar. Auch wenn die Quitte – bis auf die porträtierte türkische Sorte Tafelquitte Ayva – für den Frischverzehr eher nicht geeignet ist, sorgt sie in verarbeiteter Form für eine Feier der Fruchtigkeit in der Küche.

Und zwar nicht nur in Marmeladenform, sondern auch als geschmackvolle Bereicherung von Gerichten, die Barbara Baumann alle schon ausgetestet hat. Und weil’s geklappt hat und die Gäste glücklich waren, hat sie die Rezepte mit in dieses Büchlein gepackt – von der exotischen Linsensuppe bis zum pikanten Herbsteintopf und den knusprigen Kartoffel-Quitten-Röstern.

Schnell auf dem Markt

Muss man nur noch irgendwoher Quitten bekommen. Und ganz ehrlich: Klauen ist nicht der ehrlichste Weg. Ehrlicher ist es da, auf den Frischemärkten der Region zu schauen, ob ein Obstbauer Quitten im Angebot hat. Vielleicht sogar schon erkennbar an der langen Schlange vor seinem Stand. Und die andere Möglichkeit ist natürlich, sich einen Quittenbaum für den eigenen Garten (so fern man einen hat) zu besorgen.

Denn unser Klima vertragen etliche Quittensorten bestens. Sowohl die Birnenquitten als auch die Apfelquitten. Und irgendwie scheint auch die Zeit vorbei zu sein, dass dieses Obst völlig ignoriert wurde. Es gibt zunehmend mehr Sorten im Angebot. Und zwar züchterisch kaum veränderte Sorten. Das ist das Glück der Quitte: Für die Markt-Konformisierung kam sie eben nie infrage, überlebte dafür glücklicherweise in vielen Bauerngärten.

Und nun lädt Barbara Baumann ein, nicht nur ihre Fruchtigkeit zu entdecken (und den behutsamen Umgang mit der gelben Frucht), sondern auch ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften zu würdigen. Denn natürlich haben solche eben nicht auf Hochleistung gezüchteten Früchte jede Menge wertvoller Inhaltsstoffe, die nicht nur schmecken, sondern auch unseren Vorrat an wichtigen Vitaminen usw. auffüllen.

Selbstverständlich erzählt Barbara Baumann auch das und zeigt auch, wie die ganzen Teile der Quitte, die man nicht mit ins Kompott steckt oder in den leckeren Quittenkuchen, trotzdem noch zu Ölen und Salben verarbeitet werden können, die unsere Küchenapotheke auffüllen.

Die Schlauheit der Quitte

Auch lindernden Quittentee kann man sich zum Beispiel aus der Schale der Quitten herstellen, oder gesunden Quittenhonig aus der Frucht. Sodass alle Kücheninhaber, die gern experimentieren, hier ein neues Betätigungsfeld finden und sich ausprobieren können mit einer Frucht, die man eben nicht einfach so im Supermarkt findet. Es lohnt sich also, Ausschau zu halten und die Händler auf dem Frischemarkt zu nerven, bis man weiß, wer regelmäßig Quitten im Angebot hat.

Und da diese späte Frucht so fruchtig ist, könnte sie genau für diese tristen grauen Novembertage die richtige Rettung sein, gern auch ein bisschen säuerlich, wie das nun einmal bei Früchten ist, in denen eine große Portion Vitamin C steckt.

Und (Hobby-)Gärtner sollten sowieso längst auf der Pirsch sein im nächsten Pflanzenmarkt, Hildegard von Bingens seltsamen Satz im Ohr: „Der Quittenbaum … gleicht der Schlauheit, die manchmal unnütz ist, manchmal nützlich.“

Dafür leuchtet sie so schön knallgelb am Baum, dass man für ein Weilchen vergisst, wie trüb das Wetter ist.

Barbara Baumann „Quitten“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2023, 6 Euro.

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