Mit dem Klimawandel rückt eine Forschungsgruppe an der Uni Leipzig immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit, die sich mit etwas beschäftigt, was in den meisten Geschichtsbüchern nicht vorkommt: Wie haben große Klimaveränderungen eigentlich die Geschichte der Menschheit verändert? Ganze Zivilisationen sind durch solche drastischen Veränderungen untergegangen. Zum Beispiel in Nordafrika. Das ist das Arbeitsthema von Prof. Dr. Christoph Zielhofer.

Nicht nur Wetter macht Geschichte, wie Ronald D. Gerste in seinem Buch „Wie das Wetter Geschichte macht“ anschaulich macht. Auch Klimaveränderungen verändern menschliche Geschichte. Oft genug drastisch. Man denke nur an die wohl durch Klimaunbilden und Missernten ausgelösten Völkerwanderungen, die letztlich zum Untergang des Römischen Reiches führten, oder die Kriegszüge der „Seevölker“, die zum Zusammenbruch der Hochkulturen im östlichen Mittelmeerraum rund 1.200 Jahre vor unserer Zeitrechnung führten.

Aber oft genug war es auch scheinbar friedliches menschliches Handeln, das langfristig dazu führte, dass einstmals fruchtbare Länder verdorrten oder zumindest waldarm und öde wurden.

Alle Sagen und Legenden der Antike erzählen von dichten Wäldern rund um das Mittelmeer – auch dort, wo man heute nur noch karge Berghänge und Steppenlandschaften findet. Noch heftiger hat es Nordafrika getroffen. Bis in die römische Zeit hinein war es die Kornkammer der Welt. Nur deshalb war die Eroberung auch für die Römer interessant.

Das hat sich sichtlich geändert.

Aber was ist da passiert?

Genau mit dieser Frage beschäftigt sich ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Manchester in Kooperation mit dem Leipziger Geographen Prof. Dr. Christoph Zielhofer. Das hat sich jetzt intensiv mit der Waldgeschichte des Mittleren Atlas in Marokko beschäftigt.

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Das Wissen um vergangene Klimaphasen und korrespondierende Ökosystemveränderungen ist essentiell notwendig, um den Einfluss der globalen Erwärmung auf die Verletzbarkeit von einzelnen Pflanzenarten oder auch von gesamten Ökosystemen verstehen zu können.

Und damit auch die Verletzbarkeit menschlicher Zivilisationen. Denn von der Fruchtbarkeit der Erde hängt das Überleben aller Gesellschaften ab. Wirklich aller. Wenn Staaten die Nahrungsversorgung nicht mehr gewährleisten können, zerbricht die Zivilisation, kommt es zu Aufständen, Hungerrevolten, Bürgerkriegen, Wanderbewegungen.

In der Vergangenheit der nordafrikanischen Wälder spiegelt sich eine mögliche Zukunft.

Wir könnten was draus lernen.

Das internationale Forscherteam der Universitäten Manchester, Leipzig, Montpellier und Meknes hat mit seiner Studie die bestaufgelöste und womöglich bestdatierte Vegetationsgeschichte Nordafrikas erstellt. Die Umweltdaten haben die Wissenschaftler aus hochaufgelösten Pollen- und Holzkohlezählungen gewonnen, die aus dem Bohrkern eines Sees im Mittleren Atlas Marokkos stammen.

„Die Pollenzählungen aus der Bohrung des Sidi Ali-Sees belegen eindrucksvoll, wie sich die Zusammensetzung des Waldes im Verlauf der Klimageschichte innerhalb der vergangenen 12.000 Jahre verändert hat“, sagt Christoph Zielhofer, Professor für Physische Geographie am Institut für Geographie der Universität Leipzig. „Unsere Studie zeigt wechselnde Anteile von immergrünen Eichen, die den Warmphasen mit vermehrtem Trockenstress zugeordnet werden. Zugleich entdeckten wir, dass die Anzahl an Atlas-Zedern in regelmäßig wiederkehrenden, kühleren Phasen zunahm.“

Die Ergebnisse verdeutlichen die Empfindlichkeit der nordafrikanischen Wälder gegenüber vergangenen Klimawandeln. Besonders die Atlas-Zeder ist betroffen: Die Folgen der globalen Erwärmung bedrohen den Nadelbaum, welcher in den mediterranen Berglagen Nordafrikas heimisch ist.

Die Studie zeigte auch, „dass die Waldbedeckung im Mittleren Atlas Marokkos aktuell ihr geringstes Ausmaß seit dem Ende der letzten Eiszeit erreicht hat“, so der Leiter der Studie, Geograph und Pollenspezialist Dr. William Fletcher von der Universität Manchester.

Und daran ist der Mensch nicht ganz unschuldig.

Eine Kombination aus trockenerem Klima, vermehrten Waldbränden und wachsendem Einfluss des Menschen auf das Ökosystem führte zu einem allmählichen Rückgang des Waldbestands während der vergangenen 4.000 Jahre. Die Beweidung nahm insbesondere in den vergangenen 1.300 Jahren deutlich zu, wahrscheinlich verbunden mit gesellschaftlichen Umbrüchen in Nordafrika, beginnend mit der Islamischen Expansion während des frühen Mittelalters, vermuten die Forscher.

Trotz Zunahme des menschlichen Einflusses auf das Waldökosystem im Mittleren Atlas Marokkos zeigen sich unabhängig davon für den gesamten Beobachtungszeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit klimabedingte Fluktuationen in der Zusammensetzung der Waldvegetation, deren wiederkehrende Muster bis heute andauern.

„Das bedeutet, dass wir mit den Pollenaufzeichnungen aus der Vergangenheit auch ein Instrument haben, annähernd zyklische Veränderungen der Waldökosysteme zu generieren. Wir beobachten verschiedene mittel- bis langfristige Zyklen auf Skalen von mehreren Jahrzehnten, Jahrhunderten bis hin zu zweitausend Jahren, in denen sich die Artenzusammensetzung der marokkanischen Bergwälder verändert hat“, so Zielhofer

Wie der Wald auf klimatische Veränderungen und den Einfluss des Menschen im Verlauf der Jahrhunderte reagiert hat, lässt dann eben auch Rückschlüsse auf die aktuellen und zukünftigen Umweltveränderungen im Zuge der globalen Erwärmung zu, betont der Geograph.

Die antiken Zivilisationen haben oft gar nicht gemerkt, wie sie mit dem Verfeuern der Wälder ihre eigenen ökologischen Grundlagen zerstörten. Sie sahen das Vordringen der Wüste und die Verödung der Berglandschaften eher als Fatum, nicht als einen Prozess, den man aufhalten könnte.

Heute wissen wir zwar mehr über die Folgen menschlichen Wirtschaftens für die Biosysteme. Aber auf politischer Ebene wird die Herausforderung meist nicht begriffen. Stattdessen entfacht man zum Teil sinnlose Debatten über Existenz oder Nichtexistenz des Klimawandels. Oder gibt sich naseweis wie die AfD, die den Klimawandel honorig zugesteht, um im nächsten Programmsatz zu sagen, das sei doch natürlich. Da müsse man nichts machen.

Was ausgeklammert wird, ist der seit 4.000 Jahren stetig wachsende Einfluss des Menschen auf Klima und Ökosysteme. Die dramatischen Veränderungen, deren Vorläufer wir erleben, gehen zum größten Teil auf Veränderungen zurück, die der Mensch durch seine rücksichtslose Art des Wirtschaftens erzeugt hat.

Man kann gegensteuern. Zumindest punktuell.

Das internationale Wissenschaftler-Team will auf Grundlage seiner Forschungsergebnisse auch Schutz- und Managementempfehlungen für den aktuellen Waldbestand in Nordafrika erstellen, um die Auswirkungen des aktuellen Klimawandels mittelfristig zu lindern.

Die Studie wurde finanziell gefördert vom britischen Naturforschungsrat (NERC) und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Zusammenarbeit mit den beteiligten Universitäten in Manchester, Leipzig, Montpellier und Meknes.

Veröffentlicht hat die Forschungsgruppe ihre neuesten Erkenntnisse in „Frontiers in Ecology and Evolution“.

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