Ein Fonds zum Schutz der Wälder, wie ihn Brasiliens Präsident Lula da Silva auf dem Klimagipfel in Dubai vorgeschlagen hat, kann sinnvoll sein, findet Waldmodellierer Friedrich Bohn vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig. Vor allem aber müssten die Treiber der Entwaldung bekämpft werden. Für den deutschen Wald sei der Klimawandel zudem nicht das größte Problem, sagt er im Interview.

Herr Bohn, das Pariser Klimaabkommen lässt sich ohne „negative Emissionen“, also die CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre, nicht mehr einhalten, da sind sich Expert/-innen einig. Welche Rolle können sogenannte naturbasierte Lösungen, also zum Beispiel der Waldschutz, dabei spielen?

Ich stimme meinen Kolleg/-innen zu. Wir werden das Ziel, die Erderwärmung bei „deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst 1,5 Grad“ zu stoppen, nicht halten können und damit wahrscheinlich auch einige Kipppunkte im Erdsystem überschreiten.

Selbst wenn naturbasierte Lösungen umfangreich genutzt werden, verfehlen wir die Klimaziele?

Der Haupthebel in den nächsten Jahrzehnten ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen. Doch leider sieht es im Moment nicht so aus, als ob auf dem Klimagipfel in Dubai ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen erreicht werden würde.

Naturbasierte Lösungen werden vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen und uns helfen, die Temperaturen wieder zu senken, falls wir es bis dahin geschafft haben, die Treibhausgasemission deutlich zu vermindern.

Sie sind nicht nur effektive und kostengünstige CO₂-Senken, sondern helfen in der Regel auch bei anderen Problemen der Erdsystemkrise wie zum Beispiel dem Artenschutz. Diese zusätzlichen „Leistungen“ der naturbasierten Lösungen und ihre sofortige Verfügbarkeit und Kosteneffizienz machen sie gegenüber technischen Lösungen überlegen.

Wälder sind nach den Ozeanen die wichtigsten CO₂-Senken. Sie fixieren zwischen zehn und 20 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen. Eine nachhaltige Holznutzung und langlebige Holzverwendung, etwa als Bauholz, kann diese Leistung auch in Zukunft aufrechterhalten.

Würde man die weltweiten Wälder sich selbst überlassen, könnten sie nur das Vierfache der jährlichen Emissionen aufnehmen. Danach wären ihre Kohlenstoffspeicher voll.

Eine nachhaltige Bewirtschaftung hätte also mehr Vorteile für das Klima als gar keine Bewirtschaftung?

Wenn wir das geerntete Holz verbauen, ist das CO₂ lange gespeichert. Gleichzeitig würde der Wald nie aufhören zu wachsen, weil ältere Bäume abgeholzt werden würden. Das würde die Leistung des Waldes als CO₂-Senke erhöhen.

Brasiliens Präsident Lula da Silva hat hier auf dem Klimagipfel COP 28 in Dubai einen Fonds zum Schutz tropischer Wälder vorgeschlagen. Ein sinnvoller Vorstoß?

Wir brauchen Konzepte zum Schutz der Wälder. Eine Möglichkeit ist, ihnen einen monetären Wert zuzuweisen. Statt CO₂-Ströme als Grundlage zur Bemessung der Finanzhöhe zu nehmen – so passiert es bei CO₂-Zertifikaten – ist es tatsächlich viel sinnvoller, Waldfläche als Kriterium zu nehmen. So ist es in dem Vorschlag von Lula da Silva vorgesehen.

Ich bin aber skeptisch, ob das Konzept des brasilianischen Präsidenten am Ende aufgeht und tatsächlich die erhofften Gelder aus den Ländern Europas und Nordamerikas, aber auch aus China, fließen werden. Denn diese Länder sind durch ihren Überkonsum, Ressourcenhunger und Treibhausgasausstoß die eigentlichen Treiber der Entwaldung.

Ein weiteres Problem bei diesem Ansatz ist: Es lässt sich kaum garantieren, dass das Geld tatsächlich für den langfristigen Schutz der Wälder eingesetzt wird. Das hängt ja auch immer davon ab, welche Regierung in Brasilien gerade an der Macht ist.

Wichtig für den Schutz der Regenwälder wäre, die eigentlichen Treiber herunterzufahren. Bereits vor zwei Jahren auf der COP 26 in Glasgow haben 145 Länder, die zusammen rund 90 Prozent der Waldfläche repräsentieren, vereinbart, die weltweite Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Auch Deutschland ist dabei.

Daher sollten wir unseren Fleischkonsum auf ein gesundes Maß – um mindestens 50 Prozent – reduzieren und den Ressourcenverbrauch senken, indem wir die Qualität der Produkte steigern. Das heißt, die Langlebigkeit von Produkten erhöhen und die Recyclingquoten verbessern.

Damit würden wir die Ursache der Entwaldung angehen und könnten so einen Fonds mittelfristig überflüssig machen.

Aber auch bei den anderen Zielen der Vereinbarung von Glasgow müssen wir weiter vorankommen: Stärkung der Rechte indigener und lokaler Gruppen, Bekämpfung von Waldbränden und Kriminalität sowie eine Neuordnung der Finanzmärkte, die entwaldungsfördernde Investitionen deutlich erschwert.

Auf dem freiwilligen Kompensationsmarkt werden bereits seit Jahren CO₂-Zertifikate aus Waldschutz- und Aufforstungsprojekten gehandelt. Hier auf der COP 28 geht es darum, ob auch Nationen in diesen Handel einsteigen können. Halten Sie das für sinnvoll?

Die Idee des freiwilligen Kompensationsmarktes hat den positiven Effekt, dass Gelder in den globalen Süden transferiert werden. Diesen Aspekt muss auch der zukünftige CO₂-Markt erfüllen, der auf der COP ausgehandelt wird.

Allerdings hat der freiwillige CO₂-Markt in seiner bisherigen Ausgestaltung einige Nachteile.

Welche sind das?

Die Wälder der CO₂-Zertifikate werden nur für einen begrenzten Zeitraum geschützt, sodass sie im schlimmsten Fall die Emissionen nur „bremsen“, statt welche zu kompensieren.

Außerdem wird bei der Erstellung der Zertifikate ein viel zu hohes Maß an Entwaldung angenommen. Das führt dazu, dass Zertifikate für Wälder ausgestellt werden, die auch ohne Zertifikate nicht abgeholzt worden wären.

Sinnvoller wäre es, die Annahmen aus der beobachteten Entwaldung an ähnlichen Orten abzuleiten, um so die wahrscheinlichste Entwaldungsrate abzuschätzen, statt den Worst Case als Grundlage zu nehmen.

Wenn Bäume etwa einem Waldbrand oder Schädlingen zum Opfer fallen, wird das gesamte gespeicherte CO₂ wieder an die Atmosphäre abgegeben. Wie lässt sich mit diesem Risiko umgehen?

Einige Zertifikate beinhalten einen sogenannten „Versicherungswald“. Das bedeutet, dass im Falle eines Schadens an dem Wald, für den die Zertifikate ausgestellt wurden, dieser Schaden durch den Versicherungswald kompensiert wird.

Theoretisch kann aber auch der Versicherungswald geschädigt werden, sodass diese Maßnahme das Risiko, dass die Zertifikate wertlos werden, lediglich reduziert. Würde der Wald hingegen wirklich langfristig geschützt, würde sich auf den geschädigten Waldflächen neuer Wald etablieren und der Atmosphäre wieder CO₂ entziehen.

Auch hier ist es wichtig, bei der Berechnung der Zertifikate nicht von der maximal möglichen, sondern von der durchschnittlich gespeicherten Kohlenstoffmenge des jeweiligen Waldtyps auszugehen.

Auch die deutschen Wälder leiden unter dem Klimawandel. Was setzt ihnen am meisten zu?

Der Klimawandel ist ein Problem, aber aktuell nicht das größte. Viel problematischer sind hochgradig gemanagte Monokulturen – und da vor allem die Fichte. Das sind Wälder, die von nur einer Baumart dominiert werden.

Solche Wälder sind viel anfälliger für Schädlinge, die sich dort schnell ausbreiten können. Auch die geringe Strukturvielfalt ist ein Problem, denn alte Bäume leiden stärker unter der Hitze als junge und sind so anfälliger für Schädlinge.

Allerdings sind alte Bäume die größeren Kohlenstoffspeicher. Junge Bäume hingegen können schneller CO2 einlagern. Man braucht also beide.

Der Wald muss sich also an den Klimawandel anpassen. Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

So genau können wir das natürlich nicht vorhersagen. Vor allem aber muss der Wald der Zukunft vielfältiger werden. Je nach Boden, Standortklima und waldbaulichen Zielen brauchen wir lokal unterschiedliche Wälder. Fichtenbestände sollten deutlich zurückgehen.

Da wir nicht wissen, welches Klimaszenario letztlich eintritt, müssen die Wälder der Zukunft auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein. Arten, die heute noch nicht bei uns heimisch sind, sollten bei der Baumartenwahl berücksichtigt werden.

Außerdem sollte der Wald strukturreicher werden, also aus Bäumen unterschiedlichen Alters bestehen, um hohe CO₂-Bindungsraten UND hohe Kohlenstoffspeicherung zu gewährleisten.

Damit solche Wälder auch wirtschaftlich genutzt werden können, müssen wir die Sägewerke an die neuen Hölzer und veränderten Stammdurchmesser anpassen.

Die Fragen stellte die Pressestelle des UFZ.

Friedrich Bohn ist Wissenschaftler im Helmholtz-Zentrum für Umwelt­forschung (UFZ) in Leipzig. Der Ökosystemwissenschaftler und Waldmodellierer forscht zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und möglichen Anpassungsstrategien und nutzt dazu Waldmodelle und Fernerkundungsdaten.

Er befasst sich zudem seit Jahren mit der Einbeziehung von Wäldern als Kohlenstoffsenke in den Handel mit CO₂-Zertifikaten.

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