Mitten im Frühjahr gilt in weiten Teilen Sachsens schon die höchste Waldbrandstufe. Landkreise verhängen Wasserentnahmeverbote für Bäche und Teiche. Straßenbäume vertrocknen reihenweise. Der Klimawandel ist längst angekommen in Sachsen. Und die meisten Leute spielen Vogel Strauß, auch weil sie ahnen, dass das auch ihr Leben verändern wird. Aber wie? Dabei liegen die Lösungen längst auf der Hand. Nur mit den Nonsens-Vorschlägen von Konzernen und konservativen Parteien haben sie nichts zu tun. Reineweg gar nichts.

Auch nicht mit dem Schwafelwort „Technologieoffenheit“. Denn um Technologie geht es schon längst nicht mehr. Mit all den technologischen Systemen, mit denen die Menschheit das Klima erst aus dem Gleichgewicht gebracht hat, kann man es eben nicht auch reparieren. Das ist der Größenwahn von Ingenieuren, die sich seit 200 Jahren eingeredet haben, sie wären die Meister des Universums und es bräuchte nur einer von ihnen die geniale Idee haben, wie man das Erdklima wieder abkühlt – und dann bräuchte man es nur mit ein paar Milliarden Dollar oder Euro umsetzen. Dann klappt das auch noch im allerletzten Moment.

Doch so eine Technologie ist nirgendwo zu sehen. Und was unter dem Label alles angepriesen wird, ist seinerseits unheimlich teuer, energiefressend und – ineffizient. Lauter Alibiprojekte, die vor allem zu einem dienen: Den Menschen Sand in die Augen zu streuen und einfach wegzudiskutieren, dass die Lösungen ganz woanders liegen. Dort nämlich, wo unser Erdklima in den vergangenen 300 Millionen Jahren so „geschaffen“ wurde, wie es ist.

Die „Klimamaschine Erde“

Es ist menschlicher Hochmut, einfach zu ignorieren, wie eigentlich die „Klimamaschine Erde“ funktioniert. Im Ingenieurstudiengang kommt so etwas in der Regel nicht vor. Damit beschäftigen sich Ökologen, Klimatologen, Meteorologen, Waldforscher, Bodenkundler … all die Wissenschaftsdisziplinen, die sich letztlich mit dem Kreislauf des Wassers auseinandersetzen. Den lernen Kinder zwar im Heimatkundeunterricht kennen. Aber sie erfahren nicht, was diese Wasserkreisläufe eigentlich in Gang setzt und dafür sorgt, dass riesige „Flüsse“ in der Atmosphäre dafür sorgen, dass das wertvolle Nass auch dorthin kommt, wo es knochentrocken ist.

Der Geograf Stefan Schwarzer und die Ökologin Ute Scheub erklären in diesem Buch anschaulich (gern auch in der Rolle eines Wassertropfens), wie diese Wasserkreisläufe funktionieren. Oder eben funktionierten. Denn die zunehmenden Dürren, die wir erleben, erzählen ja schon von zerstörten Wasserkreisläufen. Und davon, dass die Fixierung auf den CO₂-Gehalt in der Luft eben nur die Hälfte der Geschichte erzählt, wie wir als Menschheit gerade unseren blauen Planeten zerstören.

Die andere Hälfte ist nämlich genau diese Zerstörung von natürlichen Wasserkreisläufen, in denen Bäume als Produzenten von Wasserdampf eine ganz zentrale Rolle spielen. Und deshalb ist dieses Buch sogar ein optimistisches Buch, weil es zeigt, wie wir mit der Wiederherstellung natürlicher Wasserkreisläufe unseren Planeten, ein aushaltbares Klima und am Ende uns selbst retten. Denn vom Wasser hängt alles ab. Wirklich alles. Und weltweit wächst so langsam das Bewusstsein dafür, dass wir als Menschen lernen müssen, das Wasser in der Landschaft zu halten.

Bislang verschwenden wir es nur, pumpen unterirdische Reservoirs leer, holzen Wälder ab, die eigentlich riesige Wasserspeicher sind, zerstören Moore, entwässern unsere leer geräumten Felder – und schicken das kostbare Wasser dann in kanalisierten Flüssen und Kanälen schleunigst Richtung Meer.

Blind für die Rolle des Wassers

Das hat mit den blinden Vorstellungen des technischen Zeitalters von Wasser und Bodennutzung zu tun. Und mit einem völlig fehlenden Verständnis dafür, wie Wälder, Wiesen, Moore und Böden tatsächlich funktionieren. Dass es in Brandenburg nicht nur regelmäßig brennt, sondern auch die Ackerböden als Staubstürme davongetragen werden, hängt genau damit zusammen.

Aber Scheub und Schwarzer wollten kein Warn-Buch schreiben, sondern ihre Leser einladen, die Welt des Wassers zu verstehen. Und warum auch in Deutschland so vieles immer noch falsch läuft – auch weil mächtige Lobbyverbände wie der Bauernverband jede Reparatur in unserer mit Industrieplantagen bestückten Landschaft verhindern. Die Anführer dieses Verbandes sind weiter besessen von der alten industriellen Landwirtschaft, von Riesenfeldern, Überdüngung, Pestiziden.

Und damit von der sklavischen Abhängigkeit von riesigen Agrarkonzernen, die ihre künstlichen Produkte teuer verkaufen wollen und denen die intakte Natur in den Ländern, wo sie ihre Profite machen, egal ist.

In vier Kapitel haben Scheub und Schwarzer ihr Buch geteilt. „Blau“ beschäftigt sich mit dem Wasser, „Grün“ mit Bäumen und Wäldern und damit der eigentlichen Funktionsweise der weltweiten Wasserkreisläufe, „Schwarz“ mit den Böden, deren Wert und Vielfalt die industrielle Landwirtschaft bis heute nicht begriffen hat. Und in jedem Kapitel zeigen die beiden, wie Menschen weltweit mit dem zunehmenden Wissen über die Bedeutung des Wassers damit begonnen haben, verwüstete und vertrocknete Landschaften wieder lebendig zu machen und lokale Wasserkreisläufe wieder in Gang zu bringen.

Denn wie wasserreich eine Region ist, hängt nicht nur von den großen, weltumspannenden „Flüssen der Lüfte“ ab. Ein riesiger Anteil des Regens, der über den Kontinenten niedergeht, wird auch auf den Kontinenten selbst erzeugt – nämlich von großen, intakten Wäldern.

„Wasserdampfmaschine“Baum

Wie Bäume als „Wasserdampfmaschine“ funktionieren, wird genauso bildhaft erklärt wie die Entstehung vielfältiger Lebensräume, wenn Menschen wieder damit beginnen, Wasser lokal zurückzuhalten und zu verlangsamen. Denn nur dann dringt es in den Boden ein, speist das Grundwasser, sammelt sich in Teichen und Bächen und bringt eine vielfältige Flora hervor, die zum Lebensraum einer ebenso vielfältigen Fauna wird. Und nur so können auch die wertvollen Böden Deutschlands gerettet werden. Agroforst ist dabei nur ein Ansatz von vielen, wie Bauern ihre Felder und damit ihre Erträge retten können.

Und Gegenden, in denen das Wasser gespeichert wird und Bäume wieder wachsen können, sind nicht nur weniger anfällig für Erosion. Sie sind auch kühler. Und sie erzeugen selbst wieder Regen. Nur ist das auch in Deutschland Politikern und Landeigentümern ganz schwer beizubringen. Wenn es um Renaturierungsprojekte geht, kommen die Bedenkenträger aus allen Löchern, wollen erst einmal Prüfungen, Gutachten und Rentabilitätsberechnungen. Die Verwandlung von Natur in „Ökoleistung“ steckt fest in den Köpfen.

Und dabei rennt uns die Zeit davon. Denn die Hitzewellen kommen immer öfter – und damit ein weiterer Verlust an Wasser, das auf riesigen versiegelten und kahl geernteten Flächen zu Millionen Tonnen verdunstet und damit tatsächlich verloren geht, während sich diese kahlen Flächen auf 50 oder gar 70 Grad aufheizen.

Dabei gibt es – etwa an Isar und Havel – längst Vorzeigeprojekte, wie Flüsse renaturiert und wieder zu Hotspots des Lebens werden können. Längst weiß man um den Wert von wieder mit Wasser versorgten Mooren. Und um den Kühleffekt von Vegetation sowieso. Der aber nicht nur mit dem Schatten zu tun hat, den die Bäume geben.

Denn die tatsächliche Kühlung besteht darin, dass die Bäume hunderte Liter Wasser verdunsten können, ein Prozess, bei dem sie ihrer Umgebung aktiv Energie entziehen. Energie, die mit dem Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt und im Prozess der Wolkenbildung in großen Teilen ins Weltall abgestrahlt wird.

Falsch gebaute Städte

Wenn man diese Prozesse erst einmal kennt, fragt man sich tatsächlich nur noch, warum so wenige Wälder gepflanzt werden oder sich selbst regenerieren dürfen, warum nicht viel mehr zubetonierte und asphaltierte Flächen aufgebrochen werden, damit wieder Wasser versickern und sich Vegetation bilden kann.

Ein Thema natürlich und erst recht für die aufgeheizten Städte, denen im Grunde das vierte Kapitel „Bunt“ gewidmet ist, wo schon dutzende Beispiele gezeigt werden können, wie Menschen ihr Städte wieder grüner, lebendiger und wasserreicher machen. Da darf auch ab und zu Leipzig genannt werden, obwohl sich Leipzig genauso wie andere deutsche Städte unheimlich schwertut, das eigene Wissen auch in praktische Politik umzusetzen.

Was natürlich auch mit der verklemmten Politik von Bund und Land zu tun hat, wo nach wie vor die alten, umweltzerstörenden Industrien mitreden und emsig Lobbyarbeit betreiben. Und überhaupt nicht klar ist den meisten Deutschen, was für eine Katastrophe die deutsche Landwirtschaft ist – im Beitrag „Böden“ erklären es Scheub und Schwarzer ausführlich und können dabei auch auf die maßstabsetzenden Forschungen im Umweltforschungszentrum verweisen.

Wir wissen längst, was eine industrielle Landwirtschaft mit unseren Böden und unseren Gewässern anrichtet. Aber wir lassen uns das immer noch gefallen. Genauso, wie wir uns jahrzehntelang die Profitgier der Holzwirtschaft haben gefallen lassen und dies weiter tun. Denn es sind deutsche Rindersteaks, für die südamerikanische Wälder abgeholzt werden. Und Holz- und Pelletheizungen sind nur bei den CO₂-Rechenkünstlern umweltfreundliche Anlagen. In der tatsächlichen Umweltbilanz sind sie es nicht. Bestenfalls fallen sie unter das Schwurbelwort „Technologieoffenheit“.

Wobei gerade im Kapitel „Bunt“ deutlicher wird, dass es längst auch umweltfreundliche Arten gibt, Gebäude zu dämmen und zu kühlen. Auch so zu bauen, dass dafür nicht selbst wieder riesige Naturreservoire zerstört werden müssen.

Ein überfordertes Geschöpf

Letztlich läuft es einfach darauf hinaus, unser Denken über die Welt zu verändern und den alten, technokratischen Machbarkeitswahn für das zu hatlen, was er tatsächlich ist – ein Wahn und eine Anmaßung, man könnte mit – primitivem – Ingenieurwissen die gewaltigen lebenserhaltenden Prozesse imitieren, mit denen das Leben seit 300 MillionenJahren seine eigenen klimatischen Bedingungen geschaffen hat, die am Ende wiederum auch den denkenden Affen hervorgebracht haben, der sich für die Krone der Schöpfung hält.

Einer Schöpfung, die er einfach zerstört, weil er nicht fähig ist, die natürlichen Prozesse in ihren Dimensionen tatsächlich zu verstehen.

Und so zeigt das Buch im Grunde, dass wir unsere menschliche Existenz tatsächlich retten können, wenn wir uns einfach mal zurücknehmen und natürliche Waserkreisläufe wieder stärken und sich regenerieren lassen. Das bedeutet natürlich Verzicht – Verzicht auf versiegelte Flächen, neue Autobahnen, kanalisierte Flüsse und „Schiffbarkeit“, riesige Feldplantagen, Pestizide, Rasen und Kunstdünger, billiges Rindfleisch und Massentierhaltung … Man merkt schon: Es geht direkt an die Pfründe von Leuten, die ihren Profit damit erwirtschaften, dass sie die Erde ausplündern und verwüsten.

Deswegen sollte man das Buch wohl allen schenken, die irgendetwas zu sagen haben in unserer Gesellschaft. Auch den Sturköpfen vom Lande, die lieber maulend auf Demonstrationen latschen und auf „die da oben“ schimpfen, als selbst anzufangen, ihr eigenes Dorf in Ordnung zu bringen und es wieder lebendig und klimaschützend zu machen. Denn das alles geht. Gerade die ausgewählten Beispiele im Buch zeigen, dass alle mitmachen können und jedes noch so kleine Projekt zählt.

Und dass damit vor allem auch wieder Gemeinschaft gestiftet wird, weil die Rettung der eigenen Umwelt ein sinnstiftendes Projekt darstellt, zu dem jeder etwas beitragen kann. Und wenn es damit beginnt, dass man einen Bach revitalisiert, Baumalleen pflanzt und Schutzhecken auf viel zu großen Feldern.

Worauf warten wir noch?

Denn wie wertvoll die Bodenkrume ist, weiß man nach Lesen dieses Buches. Und auch, dass es längst Leute gibt, die einem das nötige Wissen beibringen können. Es ist ein anderes Wissen als das, was die Agrarkonzerne so gern verkaufen – weniger Technik, weniger Chemie – aber viel Verständnis für die Rolle des Wassers, wenn man es in der Landschaft zurückhält und Leben stiften lässt. Ein Buch zur Ermutigung. Und voller Geschichten, wie Pioniere weltweit schon begonnen haben, ihren Lebensort wieder mit Leben zu erfüllen.

Und dass Wälder, Wiesen, Moore und so weiter sogar mehr zur Reduktion des CO₂ in der Atmosphäre beitragen als alle propagierten Technikprojekte, erfährt man dabei auch. Der Mensch kann sein Klima tatsächlich retten – aber nur, wenn er der Natur, dem Wasser und den Bäumen wieder den Raum gibt, den sie brauchen, um ihre „Arbeit“ zu tun. Dass wir in so einer Welt leben, in der die belebte Natur selbst dafür sorgt, dass lebenswerte Bedingungen auf der Erde erhalten bleiben, hat James Lovelock schon 1988 in seinem Buch „Das Gaia-Prinzip“ beschrieben.

Heute weiß die Forschung viel genauer, wie diese Prozesse funktionieren und vor allem, welche Rolle große Wälder dabei spielen. Nur vom Wissen zum Handeln scheint es ein langer, zäher Weg zu sein. Vielleicht auch deshalb, weil eine Mehrheit immer noch an die alten technischen Heilsversprechen glaubt und Biologie und Ökologie einfach nicht erst nimmt. Diese „Blümchenfächer“, die auch in der Schule völlig unterbewertet sind, sodass die meisten Menschen so gut wie keine Vorstellung davon haben, wie eigentlich das Leben auf unserer Erde „funktioniert“.

Das Buch hilft dabei, einige der wichtigsten Aspekte zu verstehen. Da kann man jederzeit nachlesen, wenn einem gewichtig dreinschauende Männer wieder mit ihren „technologieoffenen Lösungen“ kommen.

Ute Scheub, Stefan Schwarzer„Aufbäumen gegen die Dürre“<, Oekom Verlag, München 2023, 25 Euro.

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