Eigentlich sollte die aufklärende Debatte natürlich mit Publikum an verschiedenen Orten in Sachsen stattfinden. Kurzfristig, wie so vieles, legte die Friedrich Ebert Stiftung, nachdem die Corona-Zahlen im Freistaat durch die Decke gingen, die einzelnen Veranstaltungen zusammen und am 23. November 2021 ins Netz. Was sicher den Nachteil der fehlenden Begegnung für das dennoch zahlreiche Publikum mit den beiden Hochkarätern Ingrid Brodnig und Michel Kraske mit sich brachte. Und doch den Vorteil bot, die bekannte österreichische Autorin und den deutschen Fach-Journalisten in einer gemeinsamen Veranstaltung und so auch vergleichbare Linien zwischen den Ländern zu erleben. Verschwörungsmythen, Halbwahrheiten und Desinformationen: längst ein gemeinsames Problem im deutschsprachigen Raum.

Angeregte eineinhalb Stunden mit Fragen aus dem Publikum sollten es werden, als Moderator und Politikwissenschaftler Dr. André Fleck dann um 18 Uhr die rund 70 Livezuschauer in der Zoom-Konferenz begrüßte. Denn schnell stellte sich heraus, dass die Linie Sachsen-Österreich für das Thema ideal geeignet ist, um sich Anfänge und Endpunkte von Entwicklungen bei Verschwörungserzählungen, politischen Nutznießern und gesellschaftlichen Auswirkungen anzuschauen.Denn während Österreich sozusagen vornweg eilt und beispielsweise die Impfpflicht längst einführen musste – ein Punkt zu dem es besser gar nicht kommen sollte, so die Buchautorin („Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern“) Ingrid Brodnig – steht Sachsen gerade, vom Virus und rund 20 Prozent renitent verharrenden Impfgegnern bedrängt, am Rande der Krankenhauskapazitäten. Und mitten in einer Diskussion, ob es nun ein „Lockdown“ oder eben eine „Impfpflicht“ richten kann.

Auch für Michael Kraske (ua. „Zeit“ und „Spiegel“) ein langläufiges Phänomen, dieses Flunkern, Lügen und Propagieren von Halbwahrheiten vor allem im Netz, längst bekannt aus Auseinandersetzungen um andere Radikalisierungstendenzen. „Verschwörungserzählungen sind dennoch kein reines Internetphänomen“ und gerade bei den Erzählungen rings um Corona führe sich doch wieder alles auf die alten, oft antisemitischen Vorurteile und Elitenverachtung zurück.

Mechanismen, die auch zuvor bereits nicht nur in rechtsextremen Kreisen schon bekannt und etabliert sind. Bei Kraske geht es in einer Art Parforceritt von Corona-Lügen über „Deep State“-Erzählungen bis hin zur AfD als politischen Arm all jener, die es mit der Realität nicht so haben.

Ingrid Brodnig hingegen glänzt in einer überraschend abgeklärten Art und Weise durch konkrete Beispiele und Tipps, womit sie auch die Hoffnung vermittelt, dass die Debatten nie verloren oder gewonnen sind, sondern immer weitergeführt werden müssen. Höflich, manchmal psychologisch klug, aber stets bestimmt, wenn es um Fakten gegen Erzählungen und Ängste geht.

Sonst bliebe wohl nur noch, mittlerweile Menschen dabei zuzuschauen, wie sie bleichendes Infektionsmittel oder Pferdewurmkuren gegen Corona konsumieren.

Wie also mit den wilden Geschichten und Lügen vor allem in den sozialen Medien, aber längst auch im Alltag, in den Familien und Bekanntenkreisen umgehen? Und wie soll man angesichts der Tatsache, dass das aufregende Lagerfeuermärchen und überhöhte bis verdrehte Erzählungen oft spannender sind und sich schneller als die rationale Erklärung verbreiten, noch selbst wissen, was wissenschaftlich belegt, also der Wahrheit näher und vertrauenswürdiger ist?

Von Quellencheck bis zum Umgang mit Hass und die Rolle der Medien in spannenden Zeiten: Am Ende war es beiden Diskutanten, der Moderation und einem aufmerksamen Publikum zu verdanken, dass sehr viele konstruktive Ansätze in rasch verfliegende 90 Minuten passten.

Die Debatte mit Ingrid Brodnig und Michael Kraske

Es diskutieren: Ingrid Brodnig, Autorin des Buches „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern“ und Journalist Michael Kraske (ua. Bücher, wie „Tatworte“, „Der Riss“ und Mitherausgeber von „Demokratie braucht Rückgrat“) und Dr. André Fleck, Politikwissenschaftler. Video: FES Sachsen

Zusatzinformationen zu Ingrid Brodnig

Die Österreicherin Ingrid Brodnig war von 2015 bis 2017 als Redakteurin des Nachrichtenmagazins „Profil“ für die Berichterstattung über digitale Themen zuständig. Zuvor war sie Leiterin des Medienressorts der Wiener Wochenzeitung „Falter“ und Autorin der wöchentlichen IT-Kolumne „Digitalia“.

Frau Brodnig erhielt für ihre journalistische Arbeit vielfache Auszeichnungen und Preise und wurde 2017 zum Digital Champion Österreichs in der EU ernannt.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der Coronakrise haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

hallo! danke für die debatte und übertragung! ich möchte kurz das augenmerk auf die guten eingangsworte des moderators lenken. er sagt da etwas, finde ich, wichtiges, denn das sehe ich auch so. die menschen, die solchen verschwörungslügen anhängen, glauben sie selbst und merken nicht mal, dass sie selbst getäuscht sind. das fand ich sehr gut von ihm zusammengefasst und auf den punkt gebracht. schöne grüße!

Schreiben Sie einen Kommentar