Kaum war das TV Duell gelaufen, haben sich bereits zwei Parteien in Sachsen umgehend zu Wort gemeldet. Eine hatte einen Kandidaten in der Sendung, die andere wie so viele nicht. Während Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Landtag Sachsen, nach den Alltagsthemen im Duell fragt, fordert der sächsische SPD-Vorsitzende Martin Dulig ein zweites TV-Duell. Die Sendung sei einfach „wirklich schlecht“ gewesen, so der amtierende Wirtschaftsminister Sachsens. Letztlich stellen beide die Zukunft dieser Art der „Duelle“ infrage.

Wenn auch mit verschiedenen Ergebnissen. Martin Dulig im Anschluss an die Debatten-Sendung mit Martin Schulz und Angela Merkel: „Nach dem heutigen Abend komme ich nur zu einem Schluss: Es muss vor der Wahl ein zweites TV-Duell geben. Das Format und die Durchführung dieser Sendung waren wirklich schlecht. Ich frage mich, wer sich die Themen und die Fragen ausgedacht hat. Denn ganz zentrale Wegmarken, an denen sich die Zukunft der Bundesrepublik entscheiden wird, wurden überhaupt nicht angesprochen. Es ging faktisch gar nicht um soziale Gerechtigkeit, nicht um Bildung, nicht um Fortschritt und Innovation. Ich weiß auch nicht, wie Frau Merkel zu diesen Fragen steht.“

Nimmt man die typisch lavierende Art der amtierenden Bundeskanzlerin mal aus dieser Argumentation aus, wird vor allem eines deutlich – für ein wirkliches Lehrstück in Politikkommunikation taugte das Format so eigentlich nie. Zwei Politprofis versuchen einem Millionenpublikum in einer Art Schweinsgalopp durch unzählige, filettierte, aber letztlich miteinander in Verbindung stehende Themen einerseits ihre Haltung, andererseits fachliche Darstellungen zu liefern. Gleichzeitig, in rascher Folge, oft genug ohne Tiefe.

Also bleibt am Ende „so ein Gefühl“, welches anschließend in Befragungen mit Noten wie „angriffslustig“, „kompetent“ oder besser gleich „nett und nicht nett“ durch die Talkshows gezogen wird.

Was jedoch weitaus mehr infrage steht, ist das Setting generell. Entweder traut man einer solchen Sendung wirklich zu, Wahlen zu beeinflussen – dann müssten eigentlich alle Spitzenkandidaten an den Debattentisch und das wohl öfter. Oder sie dient nur als Verstärker für die beiden „großen Parteien“, was eine klare Benachteiligung der „kleinen“ darstellen dürfte. Eine Zuschreibung, die man vor Wahlen eigentlich nicht einmal treffen sollte, nimmt man Wählerwillen und die Macht des TV gleichermaßen wirklich ernst.

Martin Dulig sieht die aktuelle Lösung in einer weiteren Runde zu zweit – eine Forderung, die nun angesichts der letzten 21 Tage fast zu spät kommen dürfte, weil eine CDU angesichts des Frames “Kanzlerkandidat gegen Kanzlerin” natürlich immer als Angegriffene gilt. Fraglich ist auch, ob es etwas brächte. Für Sachsens Linke so oder so keine richtige Idee.

Rico Gebhardt (MdL, Vorsitzender Die Linke Sachsen). Foto: L-IZ.de
Rico Gebhardt (MdL, Vorsitzender Die Linke Sachsen). Foto: L-IZ.de

Rico Gebhardt, Landes- und Fraktionsvorsitzender der sächsischen Linken, sah zudem nicht einmal ein „Duell“, sondern „die öffentliche Aufführung der ersten Runde von Koalitionsverhandlungen. Zu ähnlich bleiben sich die Kandidierenden, zu wenig wollte man sich abgrenzen. Kein Wunder, wenn man seit Jahren gemeinsam regiert.“ Diese Ähnlichkeit scheint tatsächlich auch dem Format geschuldet und der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren immer wieder klar wurde, dass es eher eine Veranstaltung blieb, in der höfliches Verhalten positiv goutiert wurde.

Gebhardt schlägt vor: „Die triste Langeweile einer Debatte zwischen diesen beiden Kandidierenden hätte man leicht durchbrechen können: Indem man die SpitzenkandidatInnen aller Parteien mit Aussicht auf Einzug in den Bundestag eingeladen hätte. Dann wären Merkel und Schulz tatsächlich gezwungen gewesen, sich deutlich zu ihrer Politik zu positionieren.“

Eine Chance vor allem, Unterschiede tatsächlich deutlicher zu machen – wie auch das Wechselspiel zwischen Haltungen verschiedener Parteien in der Wählerwahrnehmung zu vertiefen. Dem Eindruck, bei Angela Merkel handele es sich um die Präsidentin Deutschlands, welche sich nicht mit Spitzenpolitikern anderer Parteien messen müsse, könnte so der Boden entzogen werden.

Vielleicht wäre es tatsächlich konfrontativer, lehrreicher und würde eben jene passive Wahlkampftaktik durchbrechen, mit welcher Angela Merkel nun mehrfach wiedergewählt wurde. Gebhardt dazu: „Wirkliche Themen, die den Alltag der Menschen im Lande ausmachen? Rente? Arbeit? Pflege? Zweiklassenmedizin? Auseinanderklaffen von Arm und Reich? Soziale Gerechtigkeit? Kam nicht vor.“

Da darf man mal wieder – wie in all den Jahren zuvor – zu einem falschen TV-Format attestieren: CDU glücklich, der Gegenkandidat froh über die Chance mitmachen zu dürfen und alle anderen unglücklich mit dem „TV Duell“. Wäre vielleicht noch eine Idee nicht ganz ernsthaft diskutierbar: eine Befragungsrunde der großen Vorsitzenden durch alle TV-Sender. Was zumindest den Wutbürger-Einsatz von Claus Strunz marginalisieren würde. Und Angela Merkel erklärt den Deutschen vor der Wahl 2021 erneut, dass die Entwicklungen der Welt immer auch variable Entscheidungen erfordern und bis hier alles richtig war.

In eigener Sache: Die Abo-Sommer-Auktion

Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

“Was jedoch weitaus mehr infrage steht, ist das Setting generell. Entweder traut man einer solchen Sendung wirklich zu, Wahlen zu beeinflussen – dann müssten eigentlich alle Spitzenkandidaten an den Debattentisch und das wohl öfter. Oder sie dient nur als Verstärker für die beiden „großen Parteien“, was eine klare Benachteiligung der „kleinen“ darstellen dürfte. ”
Das Beste, was es zu dem Thema zu sagen gibt. Danke.

Schreiben Sie einen Kommentar