Es brennt. Nicht nur auf der Titelseite der neuen „Leipziger Zeitung“, wo Schwarwel die brennenden Wälder und die moderne Ich-war-dabei-Mentalität aufs Korn nahm. Gleichzeitig dampft Deutschland in eine veritable Energiekrise hinein, macht aber munter so weiter, als würde die Welt nicht brennen. So wie am Flughafen Leipzig/Halle, dessen Ausbaupläne immer stärkeren Widerstand provozieren.

Das Thema Flughafen hat die LZ-Mann-/Frauschaft gleich auf einer Doppelseite (4 und 5) thematisiert, von der reformreifen Fluglärmkommission bis zum Protest vom Bündnis „Transform LEJ“, das dieser Tage zu Protesten gegen den Ausbau aufruft und eine Transformation des Flughafens fordert. Denn der ist nun einmal Teil unseres Klimaproblems.

Da überrascht es nicht, dass Flughafen-Chef Götz Ahmelmann einfach keine Zeit für einen Gesprächstermin mit der LZ finden wollte.

Denn natürlich ist unser Klimaproblem ein Wirtschaftsproblem – das eines Wirtschaftsverständnisses, das ohne Rücksicht auf Verluste immerzu Wachstum generieren muss. Egal, was da wächst – meistens ja der Energieverbrauch, die Abfallmenge, die Ressourcenzerstörung.

Und solange Klima- und Artenschutz keine Priorität haben und Klimazerstörung nicht eingepreist ist in alle Ressourcenverbräuche, wird sich nichts ändern.

„Planlos durch die Sommerhitze“ nannte Maren Wilczek ihre Kolumne auf Seite 10. Denn in den letzten Wochen wurde es auch in der Leipziger Stadtpolitik wieder offenkundig, dass Leipzig weder an die Klimaerhitzung mit all ihren Folgen angepasst ist, noch an das Ende der fossilen Energieversorgung.

Macht und Männer

Und es ist kein Zufall, dass sich so viele Beiträge in der Zeitung mit toxischer Männlichkeit beschäftigen – mit Spannern an Leipzigs Seen (Seite 3), mit einem Femizid in Lindenau (Seite 11), zwei Rapperinnen aus Leipzig, die sich in ihren Texten mit einer verantwortungslosen (Männer-)Gesellschaft beschäftigen (Seite 13) oder dem Kampf von FLINTA* gegen sexualisierte Gewalt (Seite 14).

Denn natürlich gehört das alles zusammen, auch wenn es meist schön für sich behandelt wird: Es geht um Macht, Machtungleichgewichte und den selbstsüchtigen Gebrauch von Macht und Einfluss – was nicht nur die Wachstums-Ideen der Männer in der Flughafen-Chefetage betrifft. Es geht um Raumnahme, um Kräftespielchen und Dominanz.

Und da stolpert man dann über das jüngste Buch, das Jens-Uwe Jopp gelesen hat und auf Seite 14 bespricht: die „Talleyrand“-Biografie von Johannes Willms. Die Biografie des bis heute berühmtesten französischen Außenministers, der weite Teile der Politik Napoleon Bonapartes bestimmte, aber anders als der große Diktator eine Nase für die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse hatte.

Solche Männer werden heute in Diktaturen garantiert keine Außenminister mehr. Aber gerade weil die Persönlichkeit von Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord so schillernd ist, ist diese Biografie lehrreich, zeigt männliches Machtverständnis und so auch beiläufig, dass sich so viel noch nicht geändert hat seit Napoleons Zeiten.

Noch immer geht es um Macht, Einfluss, Dominanz und Nation, werden Außenminister eher zu Rammböcken ihrer Herrchen, während die Züge einer kooperativen Politik erst schwach erkennbar sind. Aber erkennbar. Nicht ohne Grund ist die EU das Hauptangriffsziel aller Autokraten, Populisten und Nationalisten. Sie ist das – noch immer unfertige – Modell von zukunftsfähiger kooperativer Politik, mit der – wie sollte es anders sein – die autokratischen Typen Mann hadern.

Gaia brennt

Und wer jetzt nur in andere Länder schaut, der liegt falsch. Diese Typen gibt es auch bei uns. Gutverdienende, einflussreiche und bestens vernetzte Männer, die mit Freude den „Sozialneid“ schüren und denen es auch 17 Jahre nach Hartz IV immer noch gelingt, ausgerechnet die mies Bezahlten und an der Armutsgrenze Schuftenden zu Schmarotzern und Nutznießern des gesellschaftlichen Reichtums zu erklären. „Die Tochter des Neides ist die Verleumdung“, zitiert Tom Rodig in seiner Kolumne (Seite16) Casanova.

Das gehört alles zusammen – das Denken von Macht und Machbarkeit, das mit unserer Erde so umgeht, als wäre sie nur ein auszuplündernder Planet, den man wegschmeißen kann, wenn er leergesaugt ist.

Dass es anders ist, beschrieb ja James Lovelock 1988 in seinem Buch „Das Gaia-Prinzip“. Mit 103 Jahren ist Lovelock in dieser Woche gestorben. Wie „Gaia“ tatsächlich funktioniert, das wissen die meisten auch heute noch nicht. Oder wollen es nicht wissen, weil es beim Geschäftemachen stört, beim Konsumieren und Urlaubmachen.

Deswegen beschreibt Schwarwels Titel-Karikatur schon sehr genau, wie viele unsere Zeitgenossen heute denken und handeln. Nicht einen Moment überzeugt davon, dass es auch ihr ganz konkretes Handeln ist, das die Welt heute in Flammen setzt.

Die neue Leipziger Zeitung (LZ), Ausgabe 104, VÖ 29.07.2022, finden unsere Abonnenten natürlich im Briefkasten vor. Für alle anderen ist die Ausgabe an allen bekannten Verkaufsstellen erhältlich.

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