Aristoteles, der Vater der Aussagenlogik, zu dem die LVZ ihn kürte, schrieb dereinst: „Das Gesetz erlangt die Kraft, vermöge deren man ihm gehorcht, nur durch die Gewohnheit, und diese entsteht nur durch die Länge der Zeit.“ [Aristoteles, Politik. 1269a (II, 8.)] Gemäß der Aussagenlogik gilt also auch das Gegenteil, dass es die Kraft verliert, wenn man Gesetzesverstöße lange genug duldet. Das gilt auch für die Straßenverkehrsordnung.

Ein seltsamer Artikel

In der Leipziger Volkszeitung vom 14.12.2022 auf Seite 18 der Leipzig Ausgabe steht unter der Ãœberschrift „Der Gehwegkonflikt“: â€žNehmen wir an, dass in Leipzig die Naturgesetze, so wie wir sie kennen, gelten. Autos können nicht fliegen, Autos können sich nicht selbst fahren und Autos können sich nicht in Luft auflösen. In diesem Fall ist der Satz ‚Alle Autos müssen parken‘ wahr. Das hätte Aristoteles, Vater der Aussagenlogik, definitiv so gesehen.“

Betrachten wir diese Aussage nach logischen Gesichtspunkten, dann stehen dort folgende Prämissen:

1.: „Es ist ein Naturgesetz, dass Autos überall herumstehen (vulgo parken) müssen!“

2.: „Es gibt keine autonomen Autos!“

3.: „Es wird nie fliegende Autos (vulgo Flugtaxis) geben!“

Quasi religiös überhöht, wird das Auto zur Naturgewalt mit göttlichen Rechten erhoben. Die eingangs ausgeführte Aussage des Aristoteles zum Gesetz wird schlichtweg ignoriert.

Anmerkung: Ich habe vergeblich nach einer Markierung des Artikels als Satire gesucht. Sollte ich diese übersehen haben, bitte ich die Autorin Christina Rietz um Vergebung.

Schreckliche Verhältnisse in Leipzig

Damit sind im Artikel nicht die guten, falsch parkenden, Autos gemeint, sondern die fast schon paramilitärisch organisierte Abschleppgruppe, die marodierend durch die Leipziger Straßen zieht und fast gesetzestreue, nur eben gesetzeswidrig parkende Autos an das böse Ordnungsamt meldet.

Dazu wird einerseits der „autoinhärente Zwang des Parkenmüssens“ den andererseits „Wünschen, Bedürfnissen und Zwängen anderer Verkehrsteilnehmer“ gegenübergestellt.

Aus der Aussagenlogik, die die Autorin bemüht, heraus bedeutet das eine primäre Rechtsstellung des Autos, dem ja das „Parkenmüssen“ inhärent ist, gegenüber den niederen Wünschen, Bedürfnissen und Zwängen anderer Verkehrsteilnehmer.

Anmerkung: Ich habe vergeblich nach einer Markierung des Artikels als Werbung für die Autoindustrie gesucht. Sollte ich diese übersehen haben, bitte ich die Autorin Christina Rietz um Vergebung.

Nachfolgend wird es skurril, der „Straßenverkehrsdarwinismus“, bezogen auf das Gehwegparken, wird als Kampf aller gegen alle beschrieben. „Jeder will der Stärkere oder Lautere sein“, leider steht dem nach Einsatz der Aussagenlogik des Aristoteles die Bezeichnung „Gehweg“, die ja nicht von „geh weg, jetzt kommt mein Auto“ sondern von „Weg zum Gehen“ stammt, entgegen. Da gibt es keine Frage der Lauterkeit.

Aber wo man wohnt, soll man parken dürfen.

Da wird ein Ordnungsamt mit Augenmaß (haben wir leider) gewünscht, welches Fairness herstellt (haben wir nicht). Denn fair für alle Anwohnenden ist die Erreichbarkeit der Wohnbebauung für Feuerwehr, Rettungsdienste, Müllabfuhr und natürlich auch für Oma mit Rollator, den Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen und eben Menschen mit ähnlichen niederen Bedürfnissen als dem „autoinhärente Zwang des Parkenmüssens“.

Bürgerinitiativen, ja die gibt es, die sich mit der Herstellung dieses fairen Zustandes beschäftigen, werden durch die Autorin als „bürgerwehrähnliche Zusammenschlüsse aus Missvergnügten“ bezeichnet, besser beschimpft.

Was natürlich nicht fehlen darf, ist der Ruf nach Bestrafung von Radfahrenden, die Verkehrsregeln missachten. Da stimme ich ja zu, aber die Autorin meint eben, besser wäre „ein tolerantes, menschliches Miteinander“ in der Form, dass jeder dem anderen seine Rechtsverstöße nachsieht.

Beispiel Berlin

Als Leipziger fasse ich mich da kurz, es wird geradezu das Armageddon im Text beschrieben – ein gnadenloser blutiger Krieg auf den Straßen. Mein Aufruf an alle: Haltet euch bloß von der Hauptstadt fern!

Leipzig ist (noch) schöner

Meint die Autorin, auch wenn sie, in dichterischer Freiheit, der Haltestelle am Hauptbahnhof 23 Gleise zuschreibt. Wahrscheinlich hat sie mal von 24 Bahnsteigen im Hauptbahnhof gelesen. Ansonsten ist alles entspannt, geradezu liebenswürdig sind die Verkehrsteilnehmer beschrieben, gegenüber den Hauptstädtern.

Christina Rietz warnt uns aber, wenn böse Menschen darauf bestehen, zu Fuß, ungestört von parkenden Autos mit ihrem inhärenten Zwang, auf den Gehwegen zu stehen, diese nutzen zu wollen – dann drohen uns diese Berliner Zustände.

Schlussbetrachtung

Bemerkenswert ist der Schluss des Artikels, welcher sich prophetisch gibt. â€žIn Wahrheit geht es darum, wie die alte Herrschaft der Autos gebrochen werden kann. Bei Revolutionen wird das ‚Ancien Régime‘, ist es erst mal abgeräumt und gehängt, gern durch eine neue Diktatur ersetzt. In einer Diktatur der SUV möchte ich nicht leben – aber in einer der Lastenfahrräder auch nicht.“

Also Leipziger seid vorsichtig: Auf die alte Autodiktatur folgt die der Lastenfahrräder!

Nach der Aussagenlogik steht für die Autorin fest: Es kann kein Miteinander auf Augenhöhe geben. Ist eben alles Ansichtssache, ich meine, es geht um Mobilität, bei der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.

Christina Rietz meint, das ginge nicht und Hannah Suppa applaudiert, in der Aussagelogik der Leipziger Autofahrer Zeitung.

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Es gibt 15 Kommentare

Hallo TLpz,
> Alle Änderungen von Verkehrsführungen sind ideologisch geprägt.
Da bin ich nach einigem Grübeln glaube bei Ihnen.
> Hier wird eben der Ideologie der Verkehrssicherheit gefolgt…
Da sind wir meilenweit voneinander entfernt. Als Radfahrer bin ich, falls ich mich nicht wie Mancher “im Flow” bewege, abseits der Straße wesentlich sicherer aufgehoben als auf der Fahrbahn. Und für mich als Fußgänger, folgt man der Ideologie Mancher, sind Fahrräder doch kaum eine Gefahr…

> Also wenn ich mal im Zoo bin und Richtung Parkhaus laufe sehe ich Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern, die in/aus dem Parkhaus strömen.
Nicht jeder Konflikt ist gleich ein Problem, was man mit städtischen Geldmitteln wegbauen muss. Mehr Achtsamkeit tut Not! Und vielleicht mal noch ein Schild.

> Insbesondere weil der Radstreifen um die Fußgängerampel herumgeführt wird treten diese auf.
Eine sehr schöne, seltener werdende Regelung, bei der ich als Radler weder regelmäßig vor Ampeln stoppen muss, noch in die Versuchung gerate trotz rotem Licht zu fahren. Möchte ich sehr gern so behalten.

> Die Schaltung der Fußgängerampel orientiert sich an der Ampel Uferstraße, d.h. das stadtauswärtsfahrende Radfahrer i.d.R. immer dann an der Ampel Zoo eintreffen, wenn diese für Fußgänger grün zeigt.
Das ist nicht meine eigene Erfahrung. Aber selbst wenn; ich hab als Radler doch Augen im Kopf und nehme dann dort das Tempo raus, wenn ich vorbei fahre. Erst Recht wenn Leute in oder aus dem Parkhaus strömen!

> Eine Führung des Radstreifens VOR dem Haltestellenhäuschen zwingt die Radfahrer zur Beachtung der Fußgängerampel […]
Auch wenn ich mir in der Vergangenheit hier mit dieser Aussage keine Freunde gemacht habe, aber: Sie kennen schon die inflationäre Ignoranz von rotem Licht auf zum Beispiel der Karli? Wenn Sie von “Zwang” reden, wollen wir dort mal einen Verkehrssicherheitsversuch mit einem Radlerblitzer machen?

>Außerdem rückt sie den Radfahrer an dieser Stelle wieder dauerhaft in das Blickfeld des Autofahrers.
Es ist nicht so, dass man sie als Autofahrer in der Stadt nicht sehen würde…

> Denn Radwege auf Fußwegen (und damit i.d.R. für den Autofahrer versteckt hinter parkenden Autos und Bäumen) wie in der K.- Heine- Str. oder der Waldstr. sind out, da insbesondere bei Abbiegevorgängen Konflikte entstehen.
Das Argument, etwas sei “out”, bestätigt bißchen meine Annahme des Zeitgeistigen in den aktuellen Methoden und Ansichten, aber davon abgesehen haben Sie schon einen Punkt mit den Problemen beim Abbiegen.
Bleiben wir bei der Karl-Heine-Straße: Wenn ich da auf dem aktuellen Radweg fahre, kann ich genauso gut Probleme mit zu nah überholenden Autos bekommen (kann ich nicht beeinflußen), oder sich schnell vor mir öffnenden Autotüren (kann ich auch nicht ändern). Allerdings kann ich, den alten Radweg benutzend, sitzend auf dem Rad sehr wohl vor dem Überqueren einer Nebenstraße sehen, ob da ein Auto meinen Weg quert, und ob der-die-das Fahrer mich sieht, und entsprechend reagieren.
Eine Ideologie, die per Definition feststellt, meine Sicherheit sei auf Fahrbahn-geführten Radwegen größer, trotz das ich die häufigsten Konflikte dieser Lösung gar nicht beeinflussen kann, gegenüber einer Lösung, bei der ich meine Sicherheit weitestgehend selbst im Griff habe, kann ich nur ablehnen.
Und deswegen sind Radwege auf so derart breiten Fußwegen meinetwegen aktuell “out”, also aus der Mode gekommen, aber definitiv sicherer und meine sowie vieler anderer Leute Vorzugsvariante. Hier handelt die Stadt entgegen den Wünschen Vieler.

@Sebastian
> Vor dem Zoo, stadtauswärts, soll der Radweg ja auch noch umgestaltet werden. Aktuell verläuft er hinter dem Wartehäuschen der Haltestelle, so dass die Radler nicht mit den Wartenden in Konflikt geraten, aber das passt wohl leider nicht ins Verständnis mancher Leute, die den Weg dann gern VOR der Haltestelle sehen wollen. Soviel zu diesem Detail.

Also wenn ich mal im Zoo bin und Richtung Parkhaus laufe sehe ich Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern, die in/aus dem Parkhaus strömen. Insbesondere weil der Radstreifen um die Fußgängerampel herumgeführt wird treten diese auf. Die Schaltung der Fußgängerampel orientiert sich an der Ampel Uferstraße, d.h. das stadtauswärtsfahrende Radfahrer i.d.R. immer dann an der Ampel Zoo eintreffen, wenn diese für Fußgänger grün zeigt. Eine Führung des Radstreifens VOR dem Haltestellenhäuschen zwingt die Radfahrer zur Beachtung der Fußgängerampel und erhöht die Sicherheit der Fußgänger in diesem Bereich. Außerdem rückt sie den Radfahrer an dieser Stelle wieder dauerhaft in das Blickfeld des Autofahrers. Denn Radwege auf Fußwegen (und damit i.d.R. für den Autofahrer versteckt hinter parkenden Autos und Bäumen) wie in der K.- Heine- Str. oder der Waldstr. sind out, da insbesondere bei Abbiegevorgängen Konflikte entstehen.
Alle Änderungen von Verkehrsführungen sind ideologisch geprägt. Hier wird eben der Ideologie der Verkehrssicherheit gefolgt…

Hallo Urs,
ich hätte den Begriff “Notwehr” jetzt nicht ohne Not 😉 verwendet. Und ich überlasse das (gern ermessensgeleitete) Handeln gern der Staatsgewalt!
Aber in diesem Fall wurde ich direkt behindert. Ein Taxi parkte so nah an meiner Fahrertüre, dass ich als schlanker Mensch dort nicht mehr in mein Auto kam. Sein rechter Spiegel war vor meinem linken Spiegel, so nah war es. Zudem befand sich mein Auto auf dem letzten markierten Platz – er nutzte Teile der Feuerwehrzufahrt. Und das tatsächlich ohne Not – denn mit 20-50 m Laufweg hätte es einen Platz für ihn gegeben.
Und ja, nachdem ich der Taxigenossenschaft eine Mail schrieb, um den Fahrer persönlich zu erreichen, die mir aber sagten, es sei kein Fahrer von ihnen, ich dann bei der Stadt schrieb, zu welchem Taxiunternehmen das Taxi gehört, die mir aber aus Datenschutzgründen keine Antwort geben konnten, ja, dann hab ich tatsächlich mal eine Anzeige gemacht. Seit einer Woche übrigens ohne jegliche Antwort oder Empfangsbestätigung. Das wird im Mülleimer landen, aber ist dann eben so. Deswegen bin ich sicher nicht “verzweifelt” oder “in Not”; ich wollte es in diesem Fall, wo es mich persönlich betraf, einfach nicht durchgehen lassen. Es soll aber die Ausnahme bleiben, denn im Grunde habe ich wirklich keine Lust mich an albernen Ideen wie Heiko-Hashtags zu beteiligen.
Und ja, Urs, als Radfahrer bin ich komplett Ihrer Meinung beim Thema Karl-Heine-Straße. “Joker-Argument” war ein schöner Einfall…

Vor dem Zoo, stadtauswärts, soll der Radweg ja auch noch umgestaltet werden. Aktuell verläuft er hinter dem Wartehäuschen der Haltestelle, so dass die Radler nicht mit den Wartenden in Konflikt geraten, aber das passt wohl leider nicht ins Verständnis mancher Leute, die den Weg dann gern VOR der Haltestelle sehen wollen.
Soviel zu diesem Detail.

Ich glaube es war Montag, da hat unser lieber Baubürgermeister ein bißchen Sendezeit in den abendlichen “Tagesthemen” bekommen. Er stand unter anderem auf der Karl-Liebknecht-Straße und erzählte etwas von Auto-Lärmreduzierung durch Tempo 30, und seiner Initiative, der sich schon 600 Gemeinden (wir sind also immer noch im Promillebereich) angeschlossen hätten. Wer dort wohnt oder sich mal in einen Freisitz von Maitre, Lottenstein, Kollektiv, Safran oder Eisbrennerei begeben hat musste unter Umständen so wie ich darüber schmunzeln, dass während des Interviews (zufällig?) keine Straßenbahn hinter Herrn Dienberg vorbeigefahren ist. Für mich ist das das nächste “Joker”-Argument der Leute, die sich über die Autos der Anderen aufregen. Und absolut NICHTS zum Thema “technischer Zustand der Straßenbahn” sagen, der an genau DER Position des Interviews für den meisten, Gespräch-störenden Lärm sorgt.
Es wäre fast was für die Heute-Show, würde diese Sendung sich denn dieser Art von Kabarett widmen, dass der Sprecher der Initiative “Lebenswerte Städte” kurz unterbrechen muss, weil hinter ihm der Leoliner vorbeidonnert…

Hi Sebastian,
ich werde mir an Ihrem pragmatischen Vorgehen ein Beispiel nehmen. Warum nicht einfach mal eine Anzeige, statt sich hier die Finger wund zu schreiben. Habe ich noch nie gemacht. Auf leipzig.de gibt es ja zumindest ein Kontaktformular, die Anzeige muss dann aber wohl schriftlich erfolgen.

Das Ordnungsamt oder Knöllchen habe ich hier noch nie gesehen, mal gucken ob die überhaupt wissen das es uns gibt 😀

Ich werde im Leben nicht selbst gegen Parkierverstöße vorgehen, lieber User “Sebastian”, ich bin nicht die Staatsgewalt. Und hinsichtlich der beständigen Reduktion von Parkierflächen im Straßenraum: tatsächlich haben wir ja letzte Woche an anderer Stelle in diesem Medium lesen können, daß die Anzahl der zugelassenen Kfz in Leipzig praktisch stagniert. Das reicht der maßgeblichen Politik und der Verwaltung nicht, und zwar aus Vorsatz, wie man etwa seit ungefähr zwei Jahren in der Karl-Heine-Straße jenseits des Felsenkellers besichtigt kann. Freisitze als Jokergrund für den Wegfall des Radweges insbesondere auf der Plagwitzer Seite, und so eine Begründung ist unlauter, denn die Wirtschaften hätten auch so ausreichend Platz gehabt, zumal man das Trottoir der Karl-Heine-Straße vor ca. 25 Jahren auf der Plagwitzer Seite eben ca. 2.5m verbreitert und einen Radweg draufgepackt hatte. Nun ist die Situation, tja, albern, wie alle wissen.

Anders als der Autor des obigen Kommentars halte ich den sog. ruhenden Verkehr für kein größeres Problem, es werden künftig weniger Autos vorhanden sein, und daß es ggw. viele sind hat viele Gründe, und es lohnt sich nicht, sich deswegen aufzuregen, von Ausnahmen abgesehen. In den Kampagnen-Anleitungen, die ich mir angesehen hatte, wird von niedrighängenden Früchten gesprochen, den ruhenden Verkehr zu attakieren, und in genau so einer Eskalationsphase befinden sich Politik, Verwaltung und Verzeiger. Die Motive letzterer werden mir ein ewiges Rätsel bleiben. Notwehr in welcher Weise auch immer ist kein gültiges Motiv. Notwehr wollen wir Not vorbehalten.

Hallo Christian,
Mit “eskalieren” meinte ich, dass der Bestand an Parkplätzen reduziert wird, nicht das verstärkt kontrolliert wird.

Hallo User “Sebastian”,
ist es nicht auch “aus Not”, wenn es eine zunehmende Menge an Bürgern nicht mehr möchte, dass Fußwege beparkt werden, Kreuzungen per pedes nur noch schwer passierbar sind oder Grünanlagen als Parkplätze missbraucht werden? Zunehmend!
Und der entscheidende Verantwortliche, das Ordnungsamt, lieber ‘tolerant’ oder duldsam bleibt, aus Bequemlichkeit oder/und Personalmangel?
Damit eingefahrene Verhältnisse aufgebrochen werden – benötigt es nicht dazu Eskalation?
Oder wie würden Sie es erfolgreich lösen?

Ist doch in Ordnung, wenn man gegen Wildwuchs beim Parken vorgeht. Hab ich selbst letztens erst gemacht, weil mich ein geparktes Auto behindert hat. Und ich sehe auch keine Pflicht der Stadt, immer und immer weitere Parkplätze zu schaffen, um den Bedarf zu decken. Aber es ist lediglich zeitgeistig (und wird in anderen Städten durchaus auch anders gehandhabt), wenn ohne Not die Zustände eskaliert werden. Unsere Stadt ist nicht “lebensunwert”, nur weil sich da eine laute Initiative gegründet hat, die sich entsprechend anders nennt. “Initiative für den Menschen” wäre auch ein schöner Name gewesen. Denn alle Anderen sind dagegen…

Werter Urs,
„mein“ Wiglaf Droste tickt vermutlich anders als der Ihre, so ist das ja mit der Kunst. Was er von Alexander John hielte lässt sich schwer sagen, das wäre wohl sehr abhängig von der Tagesform und, bei allem Respekt, dem Alkoholpegel.

Mir kam vor ein paar Tagen ein Gedanke, den ich angesichts unserer Debatten übers Parken, den MIV und der sich immer wiederholenden Schleifen für mich persönlich sehr erhellend finde:

Ich denke, Menschen wie z.B. Christian und ich begreifen die Problematik als etwas strukturelles. Uns geht’s nicht um individuelles Fehlverhalten oder die aus spontaner Not geborene rechtliche Grauzone. Wenn z.B. ein Ortsfremder oder eine Trauernde mal ungeschickt parken, kein Ding. Wir leben in einer Großstadt, hier ist Toleranz wünschenswert, solange es sich nicht gleich um den Behindertenparkplatz handelt.

Wenn ich aber in meinem Kiez ständig und jederzeit über falsch parkende Autos stolpere, es Abends praktisch keine Kreuzung ohne im Kreuzungsbereich parkende Autos gibt, die von mir schon mehrfach beschriebene Grünanlage für Gehbehinderte aufgrund parkender Autos praktisch nicht nutzbar ist- dann läuft strukturell etwas falsch.

Diese Situation zieht einen Rattenschwanz nach sich, einfach weil Platz zum Ausweichen auf der Straße fehlt. Ein schlecht geplanter Umzug, ein waghalsiges Wendemanöver, der Bus kommt, die DHL auch, eine Baustelle dazu, und die Schienen der Straßenbahn kommen den Radlern bedrohlich nahe.

Ich möchte niemanden anzeigen. Ich möchte das über unseren öffentlichen Raum ehrlich verhandelt wird. Die Problematik ist strukturell, genau wie die Klimakatastrophe und das Artensterben.

Eine “verzweifelte Bürgerschaft”, lieber User “Christian”, die sich auch noch “aufbäumt”, ist das nicht eine Schreckensvision, gerade auch mit dem Hinweis auf “Recht und Gesetz”? Mir etwa gefällt seit Jahrzehnten alles mögliche nicht, was in seinen Auswirkungen und Nachteilen sozialisiert wird. Das dumme ist einfach, daß unsere sog. entwickelten Gesellschaften sich vor Zeiten bereits an den MIV gefesselt haben, und zwar weitesthin im Konsens, trotzdem unsere Vorfahren weiland selbst alle schon auf dem Fahrrad saßen (ich habe noch ein Velo meiner Mutter aus den 1930ern; einen urigen Dynamo der längst verblichenen Chemnitzer Firma Riemann aus derselben Zeit habe ich erst letzte Woche wieder in Gang gesetzt). Nun mit einem Aufkleber am Fahrrad “Ein Auto weniger” rumzuradeln, ist einfach nur putzig und löst keinerlei Problem, zeigt aber, daß man sich mit Gratismoral gut aufzuplustern gedenken kann.

So ganz verstehe ich Ihre Anspielung auf https://taz.de/!1243240 nicht, lieber User “Ralf”, meinen Sie tatsächlich diese Stelle: “Später steigen sie in ihr Auto. Es ist ein Geländewagen. Ein Jeep. Den braucht man in Düsburch. Düsburch ist wie eine evangelische Autobahnkirche. Man weiß nicht, ob es einen Gott gibt, aber eins weiß man ganz sicher: Wenn es ihn gibt, dann wohnt er nicht hier.” Ich kriege es nicht richtig hin, bis zu den von Ihnen angeführten zugeparkten Kreuzungen weiterzuassoziieren. Wiglaf Droste hätte sich mit Grausen abgewendet, wären ihm Leute wie Alexander John auf ihrer ehrenamtlichen Spur begegnet.

“… der verzweifelten Bürgerschaft ist, welche sich an Recht und Gesetz hält…”
Es ist doch aber gar nicht so, dass “die anderen” die besseren, gesetzestreueren, weniger egoistischen und mitfühlenden Leute sind. Braucht es wirklich diesen großen emotionalen Rahmen um die Leute zu differieren?

Und zum Thema “Regeln/Gesetze”: es gibt da IMMER Ermessen. Theoretisch gibt es Positionen in unserem Rechtssystem, die sofort in der Pflicht sind ein Vergehen anzuzeigen und zu verfolgen, aber natürlich tun sie das nicht den ganzen Tag in ihrer Freizeit.
Im Strafrecht gibt es ebenfalls einen großen Bereich von Ermessen und Abwägung, samt des gesamten Instrumentariums, was man zwischen Einstellung des Verfahrens und anschließender Sicherungsverwarung nutzen kann. Und natürlich gibt es zwischen den verschiedenen Situationen der ganzen Parkierungsvergehen auch ganz offensichtliche Unterschiede in der Handlungsdringlichkeit. Gefühle und Stimmungen einzelner Leute spielen da ganz sicher auch eine Rolle, aber sie sind bitte nicht der einzige Bewertungsfaktor.

Könnte es sein, dass das “Verzeigen” ein Aufbäumen der verzweifelten Bürgerschaft ist, welche sich an Recht und Gesetz hält und vom Duldungsverwesen des Ordnungsamtes verschaukelt fühlt?

Letztlich werden die Nachteile und Kosten des MIV sozialisiert und einer wachsenden Anzahl von Menschen gefällt das nicht mehr?
Warum dann Dulden oder über die Varianz desselben philosophieren?
Wie glaubwürdig ist eine Gesellschaft, welche sich Regeln auferlegt, aber dann über die Wirksamkeit der Konsequenzen diskutiert?

Der Kern des Problems liegt an unserer Gesellschaft, die allen Autobesitzern den Besitz subventioniert hat und dank dessen sich fast jeder ein Auto (- oder ein Joghurt aus Bayern -) leisten kann, obwohl er bei den wahren Kosten nicht im Stande dazu wäre.
(https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800921003943?via%3Dihub)

Dann wundere man sich also nicht über die zu hohe Anzahl an PKW und dem egoistischen Verhalten (auch dank der Ressourcenintensität des MIV) mancher Besitzer.

Grüezi Urs!
Ihre Leidenschaft fürs Verzeigen in allen Ehren, ich persönlich präferiere Kreuzungen ohne im Kreuzungsbereich parkende Autos. Und nein, auch das Paradies ist keine evangelische Autobahnkirche.
Ãœberlegen Sie bitte selbst.

P.s.: sorry Sebastian, ich habe Ihren erklärenden Beitrag zu spät gelesen, kann ich alles voll nachvollziehen. No offense.

P.p.s.: SebastianT: wenn man in den Wald hineinruft, kommen halt nicht immer nur die eigenen Stimmen zurück…

Erst heute, lieber Autor, stoße ich auf Ihren obigen Kommentar vom Dezember, den Sie als Replik auf einen schwungvollen Meinungsbeitrag einer ZEIT-Redakteurin, die anscheinend auf Einladung der LVZ-Redaktion für einen Gast-Kommentar zur Feder gegriffen hatte, geschrieben hatten. Ich erinnere mich gut an diesen markanten Meiungsbeitrag, der m.E. ein paar Tage später auch noch eine halbe Leserbriefseite zum Echo hatte, darunter einen Text eines gewissen Volker Holzendorf, der, wenn ich mich richtig erinnere, den Analogieschluß versucht hatte, daß man ja dann gemäß der Autorin gleichsam beliebigen Besucherinnen und Besuchern des Weihnachtsmarktes ihre Kräppelchen wegnehmen dürfte.

Was die Autorin, und Sie zitieren das auch und nehmen es m.E. nicht genug ernst, im Kern äußert, ist eben, daß es “ein tolerantes, menschliches Miteinander” braucht.

Nun rätseln Sie, ob es sich in dem Gast-Kommentar in der LVZ um Satire oder gar Werbung der Autohersteller gehandelt hat. Wie Sie auf Letzteres kommen bleibt ganz unklar, und daß die Autorin es auch mit den Mitteln der Ironie und Satire versucht und dabei den Ernst wahrt, ist allerdings offensichtlich, aber lesen wir einen ganzen Abschnitt des Gast-Kommentars aus der LVZ:

“Aber wo man wohnt, soll man parken dürfen. An diesen Orten ist ein Ordnungsamt mit Augenmaß doch wünschenswert, da ist es der Akteur, der Fairness herstellt. Das sehen aber nicht alle Bewohner der nämlichen Bezirke so. Einigen Berichten zufolge hat es in der letzten Zeit bürgerwehrähnliche Zusammenschlüsse aus Missvergnügten gegeben, die jeden Falschparker sofort und unverzüglich irgendeiner sanktionierenden Institution gemeldet haben, damit bestraft werde. Die Rache ist mein, ich will vergelten! Wahrscheinlich zögen die Missvergnügten eine Art kaserniertes Ordnungsamt vor, das nächstens Stunde um Stunde Patrouille reitet, um auch noch den allerletzten Gesetzesbrecher im abgelegensten Wendehammer seiner gerechten Strafe zuzuführen. Wohin kommen wir denn sonst!”

Durchsetzung der StVO kann nicht alles sein. Und diese Sicht, lieber Autor, ist nicht die eines Ewiggestrigen oder Bösmenschen. Freude am Verzeigen, wie ich das neulich an anderer Stelle in einem Kommentar schrieb, ist heikel, überlegen Sie bitte selbst.

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