Der Krieg in der Ukraine läuft weiter und hat bisher laut den Vereinten Nationen rund 3,5 Millionen Menschen zur Flucht bewegt. Die tatsächliche Zahl der Geflüchteten liegt wohl weitaus höher. Die deutschen Behörden haben seit Kriegsbeginn 232.000 ukrainische Kriegsgeflüchtete registriert. Leipzig hat sein „Ankommenszentrum“ für Ukrainer/-innen vom Rathaus in eine Turnhalle in Zentrum-Süd verlegt.

Ankommenszentrum in Telemannstraße verlegt

Heute hat das neue sogenannte Ankommenszentrum in der Telemannstraße 9 seine Tore geöffnet. Kollege René Loch besichtigte die Räumlichkeiten bereits gestern. Da sich vor dem bisher provisorisch eingerichteten Ankommenszentrum im Neuen Rathaus seit Anfang März lange Schlangen bildeten, beschloss die Stadt, das Zentrum in die Turnhalle der Gerda-Taro-Schule zu verlegen.

Das Ankommenszentrum soll erste Anlaufstelle für ukrainische Geflüchtete sein. Es bündelt die Dienstleistungen verschiedener Behörden, beispielsweise können sich die Geflüchteten vor Ort registrieren lassen, Sozialhilfe beantragen, Hilfe bei der Wohnungssuche erhalten und sich nach Kita- oder Schulplätze erkundigen.

Chip- und Impfaktion für Haustiere ukrainischer Geflüchteter

Viele Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, haben ihre Haustiere vor der Zerstörung in ihrem Heimatland gerettet und mit nach Deutschland gebracht. Eine Leipziger Tierarztpraxis hat gemeinsam mit Studierenden der Veterinärmedizin nun eine Chip- und Impfaktion für diese Tiere gestartet: Sie untersuchen, kennzeichnen und impfen nach Terminvereinbarung Katzen, Hunde und andere Haustiere.

Wer die Spezialsprechstunde in Anspruch nehmen will, muss unter 0341 9609974 einen Termin vereinbaren. Die Aktion wird von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr durchgeführt.

Flüchtlingsrat warnt vor Behördenüberlastung

Seit Jahren gibt es in Sachsen von verschiedenen Seiten die Forderung, geflüchteten Menschen direkt bei Ankunft eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen, damit sie im Krankheitsfall ohne bürokratische Hürden eine Praxis oder Klinik aufsuchen können. Aktuell müssen Geflüchtete für jede gewünschte Behandlung beim Sozialamt einen Schein beantragen.

Allein in Dresden erhalten Geflüchtete seit April 2020 eine elektronische Gesundheitskarte und können somit wie die meisten Menschen in Deutschland mit Chipkarte zum Arzt oder zur Ärztin gehen.

Ein Großteil der ukrainischen Geflüchteten kommt aktuell allerdings in Leipzig an, da sich hier die Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates befinden. Der Leipziger Stadtrat hat bereits 2020 die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Geflüchtete angeregt, doch die Umsetzung ist weder beschlossen noch in absehbarer Zeit zu erwarten.

Forderung: Elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete

Im Angesicht dieser Tatsachen fordert der Sächsische Flüchtlingsrat heute die landesweite Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für ankommende Geflüchtete. Die aktuelle Regelung, nach der Geflüchtete für jede Untersuchung einen Behandlungsschein vom Amt benötigen, ist laut dem Flüchtlingsrat „ein enormer Ressourcen- und Zeitaufwand für Behörden, die derzeitig ohnehin an ihre Kapazitätsgrenzen geraten“.

Laut dem Flüchtlingsrat droht durch die vielen ankommenden Geflüchteten eine Überlastung der sächsischen Behörden, ehrenamtliche Strukturen könnten die Zusatzlast nicht abfedern.

Da andere Kommunen die Geflüchteten-Chipkarte bereits eingeführt haben und entsprechende Konzepte somit vorliegen, sei es nun am Freistaat, eine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, so die Forderung des Flüchtlingsrats.

Flüchtlingsrat: „Fehler aus 2015 verhindern“

Heute wiederholte der Sächsische Flüchtlingsrat außerdem seine Forderung, genügend geeigneten Wohnraum für Kriegsgeflüchtete zur Verfügung zu stellen. Konkret soll vom Staat ausreichend „dezentraler Wohnraum“ bereitgestellt werden, also keine Turnhallen und Massenunterkünfte, sondern Wohnungen mit Privatsphäre.

„Nicht nur die steigenden Inzidenzen begründen die Notwendigkeit“, sagt Kristian Garthus-Niegel vom Flüchtlingsrat. Menschen, die aus dem Krieg kommen, bräuchten Ruhe und Privatsphäre, um tatsächlich in Deutschland ankommen zu können.

Ein Fehler, der nach der Ansicht des Flüchtlingsrats 2015 gemacht wurde und nicht wiederholt werden darf, ist die langfristige Anmietung von Flächen zur Massenunterbringung. „Dies führte in der Konsequenz zur Blockierung tatsächlicher Integration, da Menschen in Großunterkünften über Jahre isoliert lebten“, warnt der Flüchtlingsrat.

agra als Geflüchteten-Unterkunft statt Festivalgelände

Die Stadt Leipzig bereitet derweil eine weitere Massenunterkunft vor, um ukrainischen Geflüchteten eine Bleibe zu bieten: In den Hallen des agra-Geländes in Dölitz sollen ab Anfang April bis zu 1.000 Menschen „mittel- bis langfristig“ untergebracht werden. Das teilte die Stadt gestern mit.

Die für die kommenden Monate auf dem agra-Gelände geplanten Veranstaltungen müssten deshalb voraussichtlich abgesagt werden, schreibt die Stadt weiter. „Dies betrifft auch das Wave-Gotik-Treffen (WGT) am Pfingstwochenende.“

Das agra-Gelände ist seit Jahren der Hauptaustragungsort des WGT, dort finden in der Regel die großen Konzerte und ein Markt statt, außerdem campen dort jährlich tausende Festivalbesucher/-innen.

„Das Liegenschaftsamt ist mit den Veranstaltern im engen Austausch und versucht, alternative Standorte anzubieten“, schreibt die Stadt Leipzig in ihrer Pressemitteilung gestern.

WGT-Veranstalter/-innen kritisieren Stadt

Von engem Austausch würden die Veranstalter/-innen des WGT wohl nicht sprechen, denn sie kritisierten die städtische Kommunikation heute in einem viel kommentierten Facebook-Beitrag. Von „starken Irritationen“ ist darin die Rede, ausgelöst durch die Formulierung der Stadtverwaltung in ihrer Pressemitteilung. Man sei vor „vollendete Tatsachen gestellt“ worden, prangert das WGT-Organisationsteam an.

Ihre Überlegungen zur Unterbringung von Geflüchteten auf der agra habe die Stadt ihnen gegenüber zwar mitgeteilt, erklärt das WGT-Team. „Wir hatten daraufhin jedoch klargestellt, dass der Wegfall des agra-Geländes als essenzieller Teil des Treffens ein gravierendes Problem für die gewohnte Durchführung des WGTs darstellen würde.“

Die WGT-Veranstalter/-innen betonen ihr „volles Verständnis für die Nöte der Flüchtlinge und die Dringlichkeit ihrer Unterbringung“. Man erwarte von der Stadt nun aber die zugesagte Unterstützung beim Finden eines adäquaten Geländes sowie weitere Hilfen.

Rege Diskussionen in Sozialen Medien

Das Posting der WGT-Veranstalter/-innen sorgte heute auf Facebook und Twitter für Diskussionen. Mehrere Stimmen regten an, die Situation als Anlass dafür zu nehmen, einen generell geeigneteren Standort für das WGT zu finden, das agra-Gelände sei ohnehin überbewertet. Seit Jahren beschweren sich WGT-Fans unter anderem über die schlechten akustischen Bedingungen für Konzerte in den agra-Hallen.

Andere Nutzer/-innen schlagen vor, das WGT 2022 dezentral zu gestalten und auf verschiedene Standorte aufzuteilen.

Das Wave-Gotik-Treffen soll in diesem Jahr vom 3. bis 6. Juni (Pfingstwochenende) stattfinden. Laut den Veranstalter/-innen soll der Kartenvorverkauf demnächst starten.

Barrierefreier Badesteg am Cospudener See kann wieder genutzt werden

Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat: über einen Protest des NABU vor der Astrid-Lindgren-Schule in Schönefeld, über Fortschritte Leipzigs auf dem Weg zum 365-Euro-Ticket und über geplante Erhaltungssatzungen für Kleinzschocher/Plagwitz und Leutzsch

Was heute sonst noch wichtig war: In Halle wurden circa 20 Kinder bei einem Busunfall verletzt. Laut Polizei war der Bus am frühen Nachmittag an einer Ampel in Halle-Neustadt auf ein Auto aufgefahren. Es handele sich um überwiegend leichte Verletzungen. Die Kinder befanden sich auf dem Rückweg vom Schwimmunterricht.

Der barrierefreie Badesteg am Cospudener See kann laut einer Pressemitteilung der Stadt Leipzig ab sofort wieder genutzt werden. Knapp ein Jahr lang war der Steg aufgrund von Sanierungsarbeiten gesperrt. Der Steg ermöglicht Menschen mit eingeschränkter Mobilität, beispielsweise Menschen im Rollstuhl, das Schwimmen. Die Sanierung des Stegs hat laut Stadtverwaltung rund 55.000 Euro gekostet.

Russlands Präsident Putin hat angekündigt, russische Gas- und Öllieferungen nur noch über die russische Währung Rubel abzuwickeln. Die sonst typischen Zahlungsmittel Euro und Dollar sollen nicht mehr akzeptiert werden. Er reagiert damit auf westliche Sanktionen.

Was morgen wichtig wird: Am morgigen Donnerstag wird genau ein Monat vergangen sein, seitdem Russland die Ukraine militärisch angegriffen hat. Rückblick: In den frühen Morgenstunden des 24. Februar marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Am Vormittag wandte sich Russlands Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache an die Öffentlichkeit und sprach davon, „Russland und unser Volk verteidigen“ zu müssen.

Seitdem sind im Verlauf dieses Krieges laut der ukrainischen Regierung mehr als 3.000 Menschen allein aus der Zivilbevölkerung ums Leben gekommen. Die Vereinten Nationen sprechen von knapp 1.000 zivilen Opfern, merken aber an, dass die tatsächliche Zahl der Opfer „deutlich höher“ liegen dürfte.

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