Der Druck war zu groß: Nach knapp viereinhalb Jahren wurde Sachsens CDU-Innenminister Roland Wöller am Freitag durch Ministerpräsident Michael Kretschmer entlassen. Eine Serie von Skandalen speziell im Bereich der Polizei hatte sich bis zuletzt durch Wöllers Amtszeit gezogen und ihn neben fragwürdiger Personalpolitik am Ende wohl untragbar gemacht. Auch sein Nachfolger sorgt schon jetzt für Gesprächsstoff. Außerdem: Während der Krieg in der Ukraine weitergeht, äußerte sich ein hochrangiger Vertreter des Militärs konkret zu den Zielen der Aggression Moskaus gegenüber dem Nachbarland. Die LZ fasst zusammen, was am Freitag, den 22. April 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Kretschmer entlässt Wöller: brauchen „Kraft, Vertrauen und neue Ideen“

Sachsens bisheriger Innenminister Roland Wöller (CDU) wurde am Freitag von seinen Aufgaben entbunden. Ministerpräsident Michael Kretschmer (46) übergab dem 51-Jährigen bereits seine Entlassungsurkunde, bis Montag bleibt er noch geschäftsführend auf seinem Posten.

Er habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, so der Landesvater in einer offiziellen Stellungnahme. Doch auch wenn unter Wöller vieles gut gelaufen sei, habe er zuletzt das Gefühl gehabt, „wir reden nur noch über vermeintliche oder tatsächliche Skandale.“ Es brauche daher „Kraft, Vertrauen und neue Ideen.“

Die Nachfolge Wöllers soll am Montag Armin Schuster übernehmen. Der 60-jährige Rheinland-Pfälzer kommt aus den Reihen der Polizei, saß zwischen 2009 und 2020 für die CDU im Deutschen Bundestag und leitet seit November 2020 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn.

Es lief nicht: Wöller, der Skandalminister

Die letzten Wochen, Monate und Jahre wurden immer wieder von erheblichen Skandalen in Wöllers Verantwortungs- und Einflussbereich überschattet. Zuletzt standen Vorwürfe gegen den Minister im Raum, einen Chefposten an der Polizeihochschule Chemnitz mit einer Freundin seiner Ehefrau besetzen zu wollen.

Daneben kamen jüngst Ermittlungen gegen Elitepolizisten ans Licht, die einen Skiurlaub auf Kosten der Steuerzahler als Fortbildung deklariert und intern nicht nur fragwürdige, sondern strafbare Rituale der Aufnahme neuer Kollegen gepflegt haben sollen.

Angesichts des Munitionsskandals bei einer Spezialeinheit und der „Fahrradgate“-Affäre stand nicht nur die sächsische Polizei in einem Licht da, das der Vertrauensbildung wenig förderlich ist, sondern auch Wöller selbst musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er habe seine Behörden nicht im Griff.

Auch beim Umgang mit Corona-Protesten, der Abschiebepraxis Sachsens, der Besetzung des Verfassungsschutzes und Wöllers sonstigen Personalentscheidungen gab es immer wieder massive Kritik.

Verhältnis zu Polizeigewerkschaften zerrüttet

Zweifel wurden zudem laut, ob der Politiker freie Stellen nur nach Leistung und Qualifikation vergibt. So sorgte die Versetzung seines Vertrauten Florian Oest (34) auf die Stabsstelle Kommunikation beim Landespolizeipräsidenten für Verwunderung. Andererseits soll Wöller interne Kritiker gnadenlos kaltgestellt und versetzt haben, von einem Klima der Angst war sinngemäß die Rede.

Rücktrittsforderungen kamen zuletzt auch aus den Reihen der Polizeigewerkschaften, deren Verhältnis zum Minister wohl schon längst lädiert war. Ein Krisengespräch am 19. April, nach dem Wöller Fehler in der Kommunikation zugab, konnte das Ruder nicht mehr herumreißen.

Einem Rücktritt hat er sich selbst dennoch stets beharrlich widersetzt. Auf seine Entlassung am Freitag reagierte das politische Sachsen mehrheitlich mit Zustimmung. Zugleich wurde aber auch Skepsis über seinen Nachfolger laut.

Wer ist Armin Schuster?

Dieser stammt aus Andernach (Rheinland-Pfalz), war bei Bundesgrenzschutz und Bundespolizei tätig und trat 1987 in die CDU ein. Für den Wahlkreis Lörrach-Mühlheim saß der heute 60-Jährige von 2009 bis 2020 im Deutschen Bundestag. Hier war er unter anderem im Innenausschuss, leitete zeitweise den Untersuchungsausschuss zum Berliner Anschlag auf dem Breitscheidplatz 2016 und gehörte zeitweise auch dem NSU-Untersuchungsausschuss an.

Seine offene Kritik an der Flüchtlingspolitik von Altbundeskanzlerin Angela Merkel (67) soll dem als Hardliner geltenden Mann den Weg an die Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) versperrt haben. Stattdessen ernannte ihn der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (72) im November 2020 zum Leiter des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

Doch nach der katastrophalen Flut an der Ahr im Sommer 2021 mit mehr als 130 Todesopfern geriet er auch hier unter Beschuss. Vielfach wird seiner kommenden Ernennung zum sächsischen Innenminister schon jetzt mit Skepsis entgegengesehen.

9. Mai: Will Putin einen Sieg präsentieren?

Rund acht Wochen nach dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist ein Ende der Kämpfe nach wie vor nicht abzusehen – auch wenn von Beobachtern zuweilen angenommen wird, dass Russlands Präsident Wladimir Putin (69) bis zum 9. Mai einen „Sieg“ anstrebt – oder wenigstens eine Situation, die sich propagandistisch als solcher vermarkten lässt.

Denn an benanntem Datum wird in Russland der „Tag des Sieges“ pompös gefeiert – die Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs, die der Generalstabschef der Roten Armee, Georgi Schukow, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 annahm.

Generalmajor: Russland will Südukraine und Donbass – und als nächstes Transnistrien?

Dazu passt, dass das russische Narrativ offiziell von einer zweiten Phase des euphemistisch als „militärische Spezialoperation“ titulierten Kriegs in der Ukraine spricht. Mit der Konzentration der russischen Streitmacht auf den Osten und Süden des Landes gehe es darum, einen Landweg zwischen der 2014 annektierten Halbinsel Krim und dem Süden sowie dem Donbass zu sichern. Das sagte Generalmajor Rustam Minnekajew am Freitag laut russischen Nachrichtenagenturen.

Die Worte sollen bei einem Treffen der Rüstungsindustrie gefallen sein, dabei habe man auch die abtrünnige Region Transnistrien (Republik Moldau) ins Spiel gebracht, wo russisches Militär stationiert ist. Es sind die ersten Äußerungen aus den Reihen der Militärführung, die Russlands Kriegsziele so klar benennen.

Kanzler warnt vor Atomkrieg

Währenddessen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD), der wegen des Vorwurfes des Zauderns in der Krise in der Kritik steht, vor einem Atomkrieg gewarnt und kündigte an, die Ukraine weiterhin ausrüsten zu wollen. Die Hafenstadt Mariupol, die geradezu symbolisch für die Brutalität von Putins Aggressionskrieg steht, ist bereits seit Wochen durch Russland eingekesselt und soll kurz vor dem Fall stehen.

Geschätzt tausende Kombattanten sowie Zivilistinnen und Zivilisten haben sich dort in den Bunkern eines Stahlwerks verschanzt. Auch von Massengräbern ist die Rede. Es ist das reale Grauen eines Krieges im Europa des 21. Jahrhunderts, das uns wohl noch lange beschäftigen wird – wie und wann dieser Krieg auch immer enden mag.

Viel Stadtrat und Stelen-Enthüllung

Worüber die LZ heute berichtet hat:  Der Leipziger Stadtrat tagte – und befasste sich mit den Themen Denkmäler aus der Kaiserzeit, die diskriminierungsfreie Vermietung von Wohnraum und die Baumschutzsatzung. Außerdem: Ein anstehendes Konzert im Bergbau-Technik-Park und eine Stele, die am Sonntag im Clara-Zetkin-Park enthüllt wird – nicht nur für Geschichtsinteressierte spannend.

Straffreiheit für rasenden Millionär und Prozess gegen mutmaßlichen Messer-Angreifer

Was sonst noch wichtig war: Die Ermittlungen gegen einen 58-Jährigen, der mit bis zu 417 km/h über die A2 gebrettert war, sind eingestellt worden: Dem tschechischen Millionär, der ein Video seiner Raserei mit einem Bugatti Chiron ins Netz gestellt hatte, sei kein Fehlverhalten nachzuweisen, so die Begründung der Staatsanwaltschaft Stendal. Nachdem das Video viral gegangen war, waren insgesamt zehn Anzeigen gegen den Raser gestellt worden.

Zehn Monate nach dem Messerangriff von Würzburg mit drei Toten und mehreren Verletzten äußerte der mutmaßliche Täter, ein wahrscheinlich 33-Jähriger aus Somalia, zum Prozessauftakt vor Gericht sein Bedauern. Die Anklagebehörde hält den Geflüchteten wegen einer psychischen Erkrankung für schuldunfähig, ihm droht die dauerhafte Einweisung in die Psychiatrie.

FDP-Parteitag mit Grundsatzfragen und 2. Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich

Was am Wochenende wichtig wird: Der Bundesparteitag der FDP, der erste seit Regierungseintritt in die Ampelkoalition, könnte neben Personalentscheidungen auch dahingehend richtungsweisend werden, wie sich die Liberalen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und zur nicht abreißenden Kritik am Bundeskanzler positionieren.

Und: Frankreich wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten – oder eine Präsidentin, denn gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron (44) tritt die Rechtspopulistin Marine Le Pen (53) an. Letztere konnte sich am 10. April im ersten Wahlgang für die Stichrunde durchsetzen – bei dieser wird dann die einfache Mehrheit entscheiden.

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