Bei einem angeblichen „Bürgerprotest“ gegen eine geplante Asyl-Unterkunft in Stötteritz geben ein AfD-Stadtrat und ein „Querdenker“ den Ton an. Genau wie an der Gegenkundgebung beteiligten sich daran etwa 100 Personen. Außerdem: Der rechtsradikale Aktivist Hagen Grell wurde vom Landgericht Leipzig zu einer Geldstrafe verurteilt und Hans-Georg Maaßen hat sein Ultimatum verstreichen lassen. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 4./5. Februar 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Normalerweise dürfte es an einem Sonntagvormittag ziemlich ruhig an der Kreuzung von Kommandant-Prendel-Allee und Kolmstraße sein. Die nahegelegene Grundschule ist an jenen Tagen geschlossen; lediglich die Schwimmhalle Südost freut sich über Besucher/-innen. Doch an diesem Sonntag war ordentlich Betrieb in Stötteritz.

In einem Telegram-Kanal hatten Gegner/-innen der geplanten Asyl-Unterkunft in der Kommandant-Prendel-Allee 63 zu einer „kurzen Lagebesprechung“ aufgerufen. Was das konkret bedeutete, ließ sich ab 11 Uhr erkennen: Der AfD-Stadtrat Marius Beyer sprach zu etwa 100 Anwesenden und verteilte anschließend kleine Infozettel. Zuvor hatte sich Bernd R., einer der Organisatoren der verschwörungsideologischen Montagsdemos, als Versammlungsleiter zur Verfügung gestellt.

Vielleicht zur Überraschung manch Anwesender kritisierte er die geplante Unterbringung von bis zu 330 Geflüchteten in Zelten und Containern als „menschenunwürdig“, verwies auf traumatische Erlebnisse, die nicht nur ihre Flucht, sondern auch ihr Leben hier prägen könnten, und sprach von einer „bunten Welt“, zu der auch Migration gehöre. Gleichzeitig kritisierte er das Ausmaß jener Migration und verteidigte Anti-Asyl-Proteste gegen Rassismus-Vorwürfe.

Im Publikum fanden sich vor allem ältere Zuhörer/-innen, aber auch einige Jungnazis rund um Lucien W., der bei den Montagsdemos gerne mal „Für die Heimat, für das Land, Leipzig leistet Widerstand“ ins Megafon brüllt. Dass ihnen der eher differenzierte Redebeitrag von Bernd R. gefallen haben dürfte, ist zu bezweifeln.

Ebenfalls vor Ort waren 100 Gegendemonstrant/-innen, darunter mehrere Stadträt/-innen, die SPD-Bundestagsabgeordnete Nadja Sthamer und Sachsens grüner Umweltminister Wolfram Günther. Neben „Leipzig nimmt Platz“ hatten mehrere antirassistische und linksradikale Gruppen zum Protest aufgerufen.

Auch der ehemalige Vorsitzende der Leipziger Jusos, Marco Rietzschel, sprach sich gegen Massenunterkünfte dieser Art aus. Gleichzeitig plädierte er nicht für eine begrenzte Aufnahme von Geflüchteten, sondern für eine lebenswürdigere Unterbringung.

Bereits am Dienstagabend könnte es in Stötteritz wieder hitzig werden. Dann befasst sich der Stadtbezirksbeirat Südost mit dem Thema. Einen Tag später trifft sich im Neuen Rathaus der Stadtrat. Zu dieser Veranstaltung mobilisieren neben den Stötteritzer/-innen auch „besorgte Bürger“ aus Lindenthal, wo sich ebenfalls Protest gegen die Unterbringung von Geflüchteten organisiert.

Übrigens: Bernd R. war auch am Samstag in Leipzig unterwegs; diesmal in der Innenstadt. An seiner „Friedensdemo“ durch die Innenstadt beteiligten sich etwa 25 Personen. Einige Leute mehr begleiteten den Aufzug kritisch und störten unter anderem das musikalische Programm der Putin-freundlichen Demonstration.

Zwei andere Protagonisten aus dem rechten beziehungsweise verschwörungsideologischen Lager standen jüngst ebenfalls im Fokus. Bei dem einen handelt es sich um Hagen Grell, der im vergangenen Jahr in Delitzsch für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte. Das Amtsgericht Eilenburg hatte ihn im vergangenen November „verwarnt“, weil er ohne Kenntnis eines Gesprächspartners ein Telefonat mitgeschnitten und veröffentlicht hat.

Der Staatsanwaltschaft war eine Verwarnung aber nicht genug, weshalb sie Berufung einlegte. Die Berufungsverhandlung fand am Landgericht Leipzig statt. Dieses verurteilte Grell nun zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro.

Deadline für Maaßen abgelaufen

Keine Geldstrafe, aber den Ausschluss aus seiner Partei muss der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen fürchten. Wegen wiederholter rassistischer und antisemitischer Äußerungen hatte ihm das CDU-Präsidium eine Deadline gesetzt: Entweder er tritt bis Sonntag, 12 Uhr, aus oder gegen ihn beginnt ein Parteiausschlussverfahren. Ausgetreten ist er nicht.

Übrigens: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich gegen ein Ausschlussverfahren ausgesprochen. Er teile die Ansichten Maaßens zwar nicht, sei aber der Meinung, dass man diese aushalten müsse.

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: über eine Petition des „Ökolöwen“ zum Biotop an der Döbelner Straße,

über eine weitere Petition, diesmal gegen die Freigabe von Autoverkehr auf dem Liviaplatz,

und über eine Stellungnahme, die sich immerhin einer Petition anschließt: Auch der BUND Leipzig spricht sich gegen Motorboote auf dem Cospudener See aus.

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Die USA haben einen Ballon abgeschossen, in dem sie ein chinesisches Spionageinstrument vermuteten, und Brasilien hat ein Schiff versenkt, für das sich nach mehreren Monaten im Atlantik immer noch niemand zuständig sah. Umweltschützer/-innen haben das Vorgehen scharf kritisiert.

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