Der Bau von Schulen ist in Leipzig mittlerweile zu einem Balanceakt geworden. Denn in der Zeit, als Leipzig sich die notwendigen Baugrundstücke für all die Schulen hätte sichern müssen, die jetzt gebraucht werden, hat das Leipziger Liegenschaftsamt noch eifrig städtische Grundstücke verkauft, um den Haushalt zu stärken, wie das damals hieß. Doch jetzt sitzen zumeist private Eigentümer auf begehrten Baugrundstücken. So auch in Stötteritz, wo der Ökolöwe eine Petition gestartet hat.

Und da werden dann die Aushandlungen für die dort geplante neue Schule auf einmal sehr komplex. Was dann in der Begründung für die Petition des Ökolöwen so klingt: „Leipzigs Schulbürgermeisterin Vicky Felthaus (Grüne) will eine neue Schule bauen lassen – ausgerechnet auf einem gewachsenen Biotop am Stötteritzer Wäldchen. So weit, so streitbar.

Doch im Windschatten des Schulprojekts will die Verwaltungsspitze darüber hinaus auch noch einen städtebaulichen Vertrag mit dem Wohnungsbauunternehmen Vonovia eingehen. – Das Unternehmen will Wohnhäuser auf das Biotop neben die geplante Schule im Bereich der Döbelner Straße bauen. Dafür will die Stadt ein Stück Wald am Stötteritzer Wäldchen zu Wohnbauflächen umwandeln. Die Erstellung der Baupläne hat bereits begonnen. Wir Ökolöwen lehnen das Projekt in dieser Form ab.“

Die Vorlage für den Bebauungsplan an der Döbelner Straße.

Wildnis in Gänsefüßchen

Zum Stötteritzer Wäldchen gehört die Fläche an der Döbelner Straße in Stötteritz zwar nicht. Aber dass es sich hier um einen wertvollen Baumbestand handelt, betont auch die Vorlage der Stadt: „Überwiegend handelt es sich bei dem Plangebiet um eine Brachfläche, auf der sich ein ‚wilder‘ Bewuchs entwickelt hat: Die Fläche ist von brachliegenden Ruderalflächen sowie einem natürlich gewachsenen Baum- und Pflanzenbestand geprägt.

Im Osten des Plangebietes auf dem Flurstück 260/4 der Gemarkung Stötteritz ist die Gehölzsukzession bereits so weit fortgeschritten, dass sich dichte Bestände aus Gehölzjungwuchs etabliert haben, welche nach dem Waldgesetz bereits als ‚Wald‘ einzuordnen sind.

Teilbereiche des südlichen Plangebietes werden als Lagerflächen genutzt. Momentan gilt das Plangebiet natur- und artenschutzseitig als ein sehr hochwertiger Standort, der im Vorgriff auf eine bauliche Entwicklung festzulegende Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen erfordert.“

Der Blick von Osten auf das gewachsene Biotop. Foto: Ralf Julke
Blick von Osten auf das gewachsene Biotop. Foto: Ralf Julke

Allein 22 Arten von Wildbienen wurden auf dem Gelände nachgewiesen, Fledermäuse und Zauneidechsen sowieso. Zudem „eine überdurchschnittlich hohe Vielfalt an Brutvogelarten“.

Logisch, dass da beim Ökolöwen alle Alarmglocken schrillen. Mit einem Umsetzen der bedrohten Tierarten ist es nicht getan.

Der Ökolöwe zählt die bedrohten Arten noch etwas ausführlicher auf: „In dem Stötteritzer Biotop, das Stadt und Vonovia zubauen wollen, leben derzeit viele geschützte Tierarten. Mehr als 30 Vogelarten, beispielsweise Sperber, Grünspechte, Graureiher und Mauersegler, wurden dort gesichtet. Auch blauflüglige Ödlandschrecken, Erdkröten und Zauneidechsen haben in dem Biotop ihr zu Hause gefunden. Für Mückenfledermäuse, Zwergfledermäuse und Breitflügelfledermäuse ist das Gebiet zudem ein ideales Jagdrevier.“

Petition fordert Erhalt als Landschaftsschutzgebiet

Die Ökolöwen lehnen das Bauprojekt in seiner jetzigen Form ab, denn das Zubauen mit Wohnhäusern entspreche nicht dem öffentlichen Interesse. Stattdessen fordert der Ökolöwe die Erweiterung des bestehenden Landschaftsschutzgebiets mit dem Stötteritzer Wäldchen (LSG Östliche Rietzschke – Stünz).

Noch sind die Leipziger Umweltvereine im laufenden B-Plan-Verfahren der Stadt Leipzig gefragt, in dem der Ökolöwe schon eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat. Darin weist er die Stadt auf einen gravierenden artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand hin: „Die Baumaßnahme würde zu einem erheblichen Verlust von Fortpflanzungsstätten geschützter Vogelarten führen und damit den Verbotstatbestand § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG erfüllen. Somit kann eine rechtliche Legitimität der Maßnahme nur dann von der unteren Naturschutzbehörde erteilt werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht und es keine zumutbaren Alternativen gibt.

Blick in Richtung Westteil des Geländes, wo die Schule entstehen soll. Foto: Ralf Julke
Blick auf den Westteil des Geländes, wo die Schule entstehen soll. Foto: Ralf Julke

In der Begründung zum Bebauungsplan wird verdeutlicht, dass keine weiteren geeigneten Flächen zum Schulneubau im Suchradius vorliegen. Es wird jedoch nicht das Erfordernis deutlich, an dieser Stelle auch eine Wohnbebauung umzusetzen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse gegenüber den natur- und artenschutzfachlichen Belangen lässt sich hier nicht erkennen.

Damit sind die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 BNatschG für das Gesamtvorhaben nicht gegeben. Insbesondere die Gehölzbestände in der östlichen Hälfte des Plangebietes inklusive aller Biotop- und Altbäume sind somit zu erhalten!“

Warum Vonovia?

In der Beschlussvorlage der Stadt wird der Deal für das Gesamtgrundstück so beschrieben: „Auf der ehemaligen Gewerbefläche, zwischen den S-Bahnhöfen Stötteritz und Anger-Crottendorf, sind ein neuer Schulstandort, eine private Entwicklung Wohnen und eine freizeitgenutzte Grünfläche geplant. Mit Bezug auf die Eigentumsverhältnisse und die städtischen Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge erfolgt die Planung und Flächenentwicklung in Kooperation zwischen einem privaten Vorhabenträger und der Stadt Leipzig.

Die Stadt beabsichtigt den Bau einer Grundschule mit Sporthalle und Sportfreiflächen sowie die Sicherung einer Grünfläche für Zwecke der Erholung und Freizeit. Der Planbegünstigte beabsichtigt, ein Wohnungsbauvorhaben zu realisieren. 30 Prozent der entstehenden ca. 80 vor allem großen Wohnungen sollen als gebundener Mietwohnraum gebaut werden.“

Und diese Wohnungen will Vonovia genau auf dem als wertvoll beschriebenen Biotop in drei Wohnblöcken bauen. Nur ein kleiner Teil des Biotops soll quasi als Wäldchen im Wohnblock-Innenhof erhalten werden, während der größte Teil bis zur Höhe Oschatzer Straße verschwinden soll.

Zu sehen ist die Döbelner Straße mit dem westlichen Teil des beplanten Grundstücks. Foto: Ralf Julke
Die Döbelner Straße mit dem westlichen Teil des beplanten Grundstücks. Foto: Ralf Julke

Auf dem westlichen Teil soll dann die Schule gebaut werden.

Doch diese Grundstücke bekommt die Stadt augenscheinlich nur durch einen Deal: „Zur Sicherung des Zugriffs auf die derzeit privaten Flächen des Schulstandortes wird seitens der Stadt Leipzig ein Flächentausch mit für innerstädtischen Geschosswohnungsbau geeigneten Grundstücken an anderer Stelle im Stadtgebiet mit dem Planbegünstigten und Eigentümer der Entwicklungsflächen verfolgt. Die Bauleitplanung wird in Kostenteilung mit dem privaten Eigentümer aller Flächen im Plangebiet durchgeführt.

Der Flächeneigentümer beabsichtigt darüber hinaus als Vorhabenträger die bauliche Entwicklung und Realisierung des Geschosswohnungsbaus im Plangebiet. Regelungen zur Schaffung von mindestens 30 Prozent mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum sollen Vertragsinhalte des städtebaulichen Vertrags zur Umsetzung entsprechend dem Beschluss der Ratsversammlung ‚Sozialen Wohnungsbau unterstützen‘ (VI-A-03785) werden.“

Es geht also die ganze Zeit um Vonovia als Flächeneigentümer. Nur dass auch die Erhebungen der Stadt für den östlichen Teil eben auch einen belastbaren Klagegrund für die Naturschutzverbände bieten. So ein Biotop kann man nicht einfach zubauen oder umsetzen.

Ökolöwe fordert Veränderungssperre

„Das Bauvorhaben ist in dieser aktuell vorliegenden Form nicht zulässig“, betont der Ökolöwe. „Wir Ökolöwen machen die Fraktionen im Leipziger Stadtrat darauf aufmerksam. Wenn die Stadträt:innen dieser Planvorlage der Stadtverwaltung zustimmen, gefährden sie den zeitnahen Bau einer neuen Schule für Stötteritz.“

Und dann wird der Ökolöwe sehr deutlich: „Wir Ökolöwen müssen uns dem massiven Grünschwund in Leipzig an vielen Stellen entgegenstellen. (…) In jedem Viertel gibt es grüne Ecken, die Treffpunkt für Leipziger:innen und Lebensraum für Tiere und Pflanzen sind. Diese müssen von der Stadt Leipzig mit allen Mitteln vor Bebauung gesichert werden. Es braucht deswegen eine ‚Rote Liste‘ jener Grünflächen, die für die Viertel aus ökologischen, sozialen und kulturellen Gründen von hoher Bedeutung sind.“

Zur Petitionsseite des Ökolöwen.

Aber wie nun weiter an der Döbelner Straße, wo die Stadt die benötigten Grundstücke für den Schulneubau nur bekommt, wenn Vonovia dafür anstelle des gewachsenen Biotops drei neue Wohnblöcke bauen darf?

„Die Stadt hat mit der Veränderungssperre ein Instrument in der Hand, wertvolle Grünflächen vorerst vor Bebauung zu schützen. Wir Ökolöwen fordern, dass die Stadt Leipzig diese Möglichkeit zum Schutz der Lebensqualität und der Artenvielfalt konsequent nutzt und ein klares Zeichen an Investoren setzt: Wertvolle Freiflächen werden nicht bebaut! – Die Stadt Leipzig hat das Recht vor anderen Interessenten Grundstücke zu kaufen und so vor Bebauung zu sichern.

Wir Ökolöwen fordern, dass die Stadt Leipzig ihr gesetzliches Vorkaufsrecht wahrnimmt und so jedes Jahr mindestens grüne Flächen in der Größe des Lene-Voigt-Parks erwirbt. Mit einem gezielten Grünkaufprogramm muss die Stadt Leipzig die wichtigen grünen Korridore und Verbindungen der Stadt sichern und ausbauen.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Habe ich da was überlesen, wie will der Ökolöwe jetzt an die benötigten Grundstücke für die Schule kommen?

Schreiben Sie einen Kommentar