Über Joachim Köhlers Luther-Biografie „Luther! Biographie eines Befreiten“ haben wir schon im Juni berichtet. Eine Biografie, die vor allem deshalb heraussticht, weil sie diesen suchenden Martin Luther nicht religiös versucht zu erklären, sondern aus handfesten menschlichen Motiven. Dieser Sucher ist ein Mensch der Moderne, der schier verzweifelt, weil er partout nicht eins werden kann mit sich selbst.

Ein ganzes zerrissenes Zeitalter kündigt sich an in diesem Luther, dem Joachim Köhler akribisch nachspürt und lang gehegte Legenden des Luther-Kults einfach beiseite fegt. Man kann Luther nicht aus dem erklären, was er angerichtet hat. Das war schon immer falsch. Aber genau so werden Legenden gestrickt. Als hätte es der junge Jura-Student angelegt darauf, sich mit Kaiser und Papst anzulegen, als wäre sein „Ich kann nicht anders“ so eine Art politischer Protest und nicht die Äußerung eines Mannes, der nach langer, verzweifelter Suche endlich weiß, was falsch war an seinen Erwartungen und an den Rollen in der Welt, die ihm angeboten wurden.

Hier kündigt sich ein ganzes Zeitalter an, in dem noch ganz Andere sich auf die quälende Suche nach dem richtigen Da-Sein machen würden – alle im Gefolge dieses Luther, der mit einem Anspruch zu leben versuchte, der im Mittelalter nicht denkbar war, weil niemand es bei Strafe seiner Existenz wagen konnte, die zugewiesene Rolle in einer streng hierarchischen Welt zu verlassen. Aber im 15. Jahrhundert war das Alles in Bewegung gekommen, brach sich ein Zeitalter Bahn, dessen große Denker alle die Frage stellten: „Wer bin ich eigentlich?“

So unterscheidet sich Köhlers Luther-Biografie deutlich von allen anderen, die es schon gab. Was ihnen ihren Boden nicht entzieht. In diesem Mann bündeln sich ganze Schichten von Fragen, die uns bis heute beschäftigen. Und von denen viele ebenso ungelöst sind. Auch – das wird bei Köhler deutlich – weil die Antworten, die Luther (für sich) gefunden hat, gern überlesen werden. Oft genug sind sie überwachsen mit neuen puritanischen Interpretationen. Was zu erwarten war. Denn wohinter verstecken sich eigentlich Menschen, die nicht bei sich sind, die aber Macht haben wollen und anderen vorschreiben wollen, was jetzt dran ist?

Sie können nicht ohne die Maske der Verbote, der Drohung und der Verleumdung.

Da und dort schimmert auch bei Köhler die Frage durch: Wo würde Luther sich heute zu Wort melden?

Eins ist sicher: garantiert nicht in Bayern.

Aber über all diese Fragen kann man demnächst mit dem Autor sprechen. Dr. Joachim Köhler, in Hamburg lebender Autor, kommt am 30. August nach Leipzig zur Buchpremiere. Er ist einem breiten Publikum bereits durch zahlreiche kulturgeschichtliche Werke namentlich zu Nietzsche und Wagner bekannt. Geboren 1952, lebt er als Schriftsteller in Hamburg. Er hat in Tübingen, New York und seiner Heimat Würzburg Philosophie studiert und über Nietzsche promoviert. Seitdem hat er sich mit den großen umstrittenen Figuren der deutschen Kulturgeschichte beschäftigt. Fünfzehn Jahre lang schrieb er für den „Stern“ und hat seit 1989 mehrere Biographien verfasst. Seine zehn vieldiskutierten Bücher, unter anderem über Nietzsche und Wagner, wurden in insgesamt 15 Sprachen übersetzt.

Und auch die Evangelische Verlagsanstalt, die seinen „Luther!“ nun verlegt, ist stolz auf das Buch: „Mit entschiedener Sympathie lässt Joachim Köhler, ausgewiesener Autor zahlreicher kulturgeschichtlicher Werke namentlich zu Nietzsche und Wagner, den großen Glaubenskämpfer der deutschen Geschichte lebendig werden. Fesselnd und mit feinem psychologischen Gespür zeichnet der Autor den weltbewegenden Lebensbogen Martin Luthers nach. Vor allem aber zeigt er: Luther ist nicht von gestern. Er hat vor 500 Jahren Fragen aufgeworfen und beantwortet, die wir uns heute wieder stellen müssen. Einen simplen Hochruf auf das Luthertum wird man hier nicht finden. Ein deutliches ‚Hoch lebe Luther!‘ ist aber dennoch zu hören. Nicht allzu  laut gesprochen, aber auch nicht zu zaghaft. Und nicht nur zwischen den Zeilen. Der Luther dieses Buches ist ein Luther mit Ausrufezeichen!“

Buchpremiere mit Joachim Köhler ist am Dienstag, 30. August, um 19:30 Uhr im Haus des Buches, Gerichtsweg 28. Zur Premiere laden die Evangelische Verlagsanstalt und das Kuratorium Haus des Buches e.V. gemeinsam ein. Die Moderation übernimmt Andreas  Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Andreas Platthaus, verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er wird mit dem Autor über das Buch und die Bedeutung Luthers ins Gespräch kommen. Der Eintritt ist frei.

Joachim Köhler Luther!, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2016, 22,90 Euro.

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