Aus dem französischen Lille erreichten uns am Sonntag Bilder, auf die wir gut und gerne hätten verzichten können. Medienberichten zufolge lieferten sich über 50 Hooligans vor dem ersten Vorrundenspiel der Nationalelf Rangeleien mit Anhängern aus der Ukraine. In die Auseinandersetzungen waren offenbar sächsische Rechtsextremisten involviert.

Das Foto, das seit gestern durch soziale Netzwerke geistert, spricht eine deutliche Sprache. Rund 30 Hooligans posieren vor einer Reichskriegsflagge. Nicht im heimischen Wohnzimmer, sondern in Lille, wo am Sonntag-Abend die deutsche Nationalmannschaft auf die Ukraine traf. Augenzeugen berichteten über den Kurznachrichtendienst „Twitter“, die Rechtsextremen hätten politisch eindeutige Sprechchöre skandiert. Einer der Männer hält auf dem Foto einen Schal mit dem Aufdruck „Dynamo Ost“ in die Kamera. Dabei soll es sich um eine rechte Hooligangruppierung handeln.

Noch vor Anpfiff lieferten sich deutsche Hooligans ab 17:30 Uhr Auseinandersetzungen mit Fans der Ukrainer. Dabei wurden mindestens zwei Personen leicht verletzt. Dass die rechtsradikalen Fans, die auf dem Foto zu sehen sind, in die Randale verwickelt waren, ist bisher nicht erwiesen. „Es liegen derzeit keine konkreten Erkenntnisse zur Beteiligung von Personen aus dem Umfeld sächsischer Fußballvereine an den Ausschreitungen aus Anlass der EM vor“, teilte eine Pressesprecherin des Dresdner Innenministeriums mit.

Einige Sachsen schafften es gar nicht erst bis nach Lille. Die Bundespolizei fing drei Kleinbusse mit 18 Insassen im rheinland-pfälzischen Grenzgebiet ab. Bei der Kontrolle fanden die Beamten Sturmhauben und Mundschutze. „Die festgestellten Personen werden nach hier vorliegenden Erkenntnissen der gewaltbereiten Szene der SG Dynamo Dresden zugerechnet und waren zumindest zum Teil in der Datei ‚Gewalttäter Sport‘ erfasst“, berichtet die Sprecherin des Innenministeriums. Deshalb untersagten die Ordnungshüter den Deutschland-Fans die Ausreise und verfügten Meldeauflagen.

Offen bleibt, warum die sächsischen Behörden potenzielle Störer nicht schon im Vorfeld vor Reisen nach Frankreich gewarnt hatten. Solche Gefährderansprachen sind vor sportlichen Großereignissen durchaus üblich. „Sowohl Gefährderansprache als auch andere Maßnahmen zur Verhinderung der Anreise potentieller Störer wurden bereits im Vorfeld des Turniers durch die Polizeidienststellen geprüft“, so die Ministeriumssprecherin. Aufgrund der bisherigen Erkenntnislage seien diese bislang als nicht geeignet oder als nicht erforderlich bewertet worden.

„Im weiteren Verlauf des Turniers werden diese Maßnahmen, unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse, geprüft“, verspricht die Pressesprecherin. Die sächsischen Grünen verlangen derweil mehr Aufklärung. Ihr Abgeordneter Valentin Lippmann hat an die Staatsregierung eine Kleine Anfrage gerichtet: „Die Bilder, die gewaltbereite deutsche Fans anlässlich der Fußball-EM erzeugen, sind erschreckend und beschämend. Diese Gewalt muss alle friedliebenden Fußballfans mit Abscheu erfüllen.“

„Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich auch mehrere gewaltbereite Hooligans aus Sachsen nach Frankreich aufgemacht haben oder sich bereits dort aufhalten. Ich verlange von Innenminister Markus Ulbig (CDU) eine umfassende Aufklärung darüber, wie viele sächsische Hooligans nach Frankreich gereist sind und sich dort möglicherweise an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt haben. Vor allem muss er darüber Auskunft geben, welche polizeilichen Maßnahmen von sächsischen Behörden getroffen wurden, um solche Ausschreitungen sächsischer Hooligans zu verhindern. Eine entsprechende Kleine Anfrage dazu habe ich heute eingereicht.“

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