Noch gibt sich die Polizei berechtigt zurückhaltend, wenn es um die neuerlichen Ereignisse am Abend des 12. Januar 2018 in Wurzen geht. Dennoch lƤsst eine erste Stellungnahme der Polizeidirektion Leipzig und eine erste Verlaufsschilderung zur vergangenen Nacht erahnen, dass es āimmer wieder Wurzenā ist, welches ein Problem mit gewaltbereiten Bewohnern hat. Dass darunter auch ausgewachsene Rechtsextremisten sind, ist seit langem bekannt. In der vergangenen Nacht kam es laut Polizei ab 22:40 Uhr erneut zu einer Attacke von Wurznern gegen āAuslƤnderā. Dieses Mal schlugen die Verfolgten jedoch offenbar zurück.
Was die Polizei ā noch in einer ersten Bestandsaufnahme ā beschreibt, deutet eine sich durch bereits mehrere Vorkommnisse aufschaukelnde Gewaltspirale in der 16.000-Einwohnerstadt bei Leipzig an. Den Anfang machte sie dieses Mal auf dem Bahnhofsvorplatz ā dort, wo sich auch anlƤsslich einer AntiFa-Demonstration am 2. September 2017 eine Gruppe aus rund 20-30 MƤnner mit deutlichen Meinungsbekundungen gesammelt hatte und versuchte, eine Gegendemonstration anzumelden. In der Parkanlage gerieten laut Polizei nun am gestrigen Abend āzwei Gruppen junger Deutscher und AuslƤnderā aneinander, āwobei sich letztere in ihre Unterkunft an der Dresdner StraĆe zurückzogen.ā
Diese verlƤuft direkt vom Park aus stadtauswƤrts, ist demnach nicht weit entfernt. Auf L-IZ-Nachfrage geht die Polizei mittlerweile eher davon aus, dass sich die etwa 30 Deutschen bereits zu diesem ersten Aufeinandertreffen am Park aufhielten.
Damit hƤtte es vorbei sein kƶnnen, doch einige wollten mehr. āIn der Folge begaben sich zwei Deutsche zu diesem Wohnhaus, schlugen gegen die Haustür und beschƤdigten eine Scheibe.ā Ein Vorgehen, was offenbar mittlerweile in Wurzen zum āguten Tonā in gewissen Kreisen gehƶrt. Hatte sich bereits im Juni 2017 eine Zusammenrottung von etwa 50 Personen vor einem Wohnhaus ereignet, bei welcher āAuslƤnder rausā und āDeutschland den Deutschenā gerufen wurde, warfen am 14. Dezember 2017 Unbekannte in der Nacht um 2 Uhr drei Pflastersteine in die Fenster einer Wohnung, in der ein Geflüchteter lebt.
Wenige Tage zuvor hatten āFansā des ATSV Frisch Auf Wurzen beim Spiel gegen den Roten Stern Leipzig den marokkanischstƤmmigen Roter-Stern-Kicker Abdessamade Lamasseb mit āAffenlautenā begrüĆt. Für die rassistischen AusfƤlle an diesem 2. Dezember wurden anschlieĆend 750 Euro Strafe gegen den Wurzener FuĆballclub fƤllig, in Sachen eingeworfene Scheiben ermittelt die Polizei noch.
Dieses Mal verlief die Sache offenbar anders
Die Polizei weiter: āDaraufhin verlieĆ eine kleinere Gruppe von AuslƤndern das GebƤude und verfolgte die beiden Deutschen, weshalb es zum neuerlichen Aufeinandertreffen mit der deutlich grƶĆeren Gruppe Deutscher (etwa 30 Personen) kam.ā Daraufhin musste sich die kleinere Gruppe wieder zurückziehen und die Deutschen nahmen die Verfolgung erneut Richtung Unterkunft der Flüchtenden auf. Doch diese setzten sich wohl das erste Mal brachial zur Wehr. Etwa 12 Anwesende oder Bewohner benennt die Polizei, welche dort den ankommenden Deutschen entgegentrat, āmit Messern und Knüppeln bewaffnetā.
ErgƤnzungen aufgrund Nachfragen: Wer welche Tatbeteiligung hatte, wer TƤter oder Opfer oder beides ist, ist noch unklar. Mehrere IdentitƤten wurden aufgenommen. Es gab keine Festnahmen. #Wurzen *oh https://t.co/eAQ8efyLy4
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) January 13, 2018
Bei der darauf folgenden Auseinandersetzung verletzten die AuslƤnder āzwei MƤnner durch Messerstiche am Oberschenkel schwer. Zudem kam gegenüber einem Dritten offenbar auch ein Elektroschocker zum Einsatz.ā Und erneut eskalierte die Situation weiter. āIm Anschluss daran stürmten dann wohl wiederum mehrere Deutsche in das Wohnhaus der AuslƤnder, in dessen Inneren weitere kƶrperliche Attacken stattfanden. Die Geschehnisse ereigneten sich innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne und wurden unter schnellstmƶglicher Zuführung weiterer PolizeikrƤfte unterbundenā, so die Polizeidirektion abschlieĆend.
Auf L-IZ-Nachfrage erklƤrte Polizeisprecher Andreas Loepki heute zum Geschehen und dem weiteren Vorgehen: āDie beiden Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht, die Verletzungen sind schwerwiegend. Weitere Verletzte lehnten eine Behandlung ab. Es kam noch zu keinen Festnahmen, da wir das Geschehen noch rekonstruieren und noch nicht genau wissen, wer Opfer, TƤter oder eben beides ist.ā Einen übermƤĆigen Alkoholkonsum bei den Beteiligten konnte Loepki jedoch nach ersten Erkenntnissen auf Nachfrage weitgehend ausschlieĆen.
Um weitere Vorkommnisse und Eskalationen zu verhindern, werden nun in Wurzen seit heute vorsorglich zusƤtzliche Polizeibeamte eingesetzt. Die PD Leipzig kommuniziert auf Twitter zu dem Vorfall und dem weiteren Verlauf. Noch kann sich die PD Leipzig nicht zu den Gründen der Auseinandersetzungen ƤuĆern. Doch angesichts der langjƤhrigen Probleme in Wurzen mit Rassismus und AuslƤnderhass ist eine Ahnung zumindest naheliegend. Vorsorglich wurden die Ermittlungen bereits an den Staatsschutz übertragen.
Anmerkungen der Polizeidirektion Leipzig zur Meldung
āDie Polizeidirektion Leipzig kann gegenwƤrtig noch nicht sagen, welcher konkrete Anlass die Gewaltkette begründete und ob sich jene ā die AblƤufe und die Anzahl der Beteiligten bedingen eine gewisse Unübersichtlichkeit ā tatsƤchlich wie oben dargestellt abspielte. Deshalb muss zur Vereinfachung leider auch auf die wenig differenzierenden Begriffe āDeutscheā und āAuslƤnderā zurückgegriffen werden.
Ferner kann zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine Aussage getroffen werden, ob die Gewalt durch eine rassistische bzw. extremistische Motivation begleitet wurde. Gleichwohl wurde bereits veranlasst, die Ermittlungen, welche wegen § 125 a StGB (Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs) geführt werden, dem Dezernat Staatsschutz zu übertragen. Es sei aber angemerkt, die EinschƤtzung bezüglich einer politischen Tatmotivation immer erst im Zuge der Ermittlungen treffen zu kƶnnen ā sie ist nie eine (spekulative) Eingangsbedingung.ā
Immer wieder Wurzen: Angriff auf Wohnung eines Geflüchteten
Immer wieder Wurzen: Angriff auf Wohnung eines Geflüchteten
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