Fast genau zwei Jahre nach dem tödlichen Anschlag vor einem Lokal in der Georg-Schumann-Straße begann am Montag der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht. Der 36-Jährige legte ein Geständnis ab – dennoch bleiben bisher einige Fragen offen. Auf der Suche nach Antworten nimmt sich die Strafkammer nun viel Zeit.

Am frühen Morgen des 7. August 2019 gegen 3:30 Uhr peitschten mehrere Schüsse durch den als eher bieder und bürgerlich bekannten Stadtteil Gohlis. Vor dem Lokal „Zum fröhlichen Zecher“ in der Georg-Schumann-Straße wurde ein junger Mann niedergestreckt, schleppte sich noch wenige Schritte, ehe er zusammenbrach und verstarb. Eine Kugel hatte ihn direkt ins Herz getroffen. Gastwirt Emrah K. wurde nur 24 Jahre alt.

Kurz zuvor soll der nun wegen Mordes angeklagte Mariglen M. mit seinem Kontrahenten in einen heftigen Streit geraten sein. Daher habe er zuerst einen Warnschuss abgegeben, der ein Kneipenfenster durchschlug und einen Mann im Inneren verletzte. Als Emrah K. mit einer ungeladenen Softairwaffe aus der Bar zurückkehrte, habe der 36-jährige Mariglen M. den Abzug betätigt und direkt auf sein Gegenüber gezielt.

Das Motiv sei schlichte Verärgerung gewesen, weil das Opfer nicht klein beigab, warf Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob Mariglen M. zum Prozessauftakt in der Anklageschrift vor.

August 2019: Die Polizei sichert Spuren am Fundort der Leiche in der Georg-Schumann-Straße. Foto: Sebastian Beyer
August 2019: Die Polizei sichert Spuren am Fundort der Leiche in der Georg-Schumann-Straße. Foto: Sebastian Beyer

Angeklagter legt Geständnis ab – Motiv bleibt vorerst unklar

Am Montag räumte Mariglen M., dessen Alter von 31 auf 36 Jahre hochkorrigiert worden war, zumindest den äußeren Tatablauf ein. Der Albaner gab zudem an, seit etwa neun Jahren mit gefälschten Unterlagen in Deutschland zu leben und sich durch Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten.

In der fraglichen Nacht stand er unter dem Einfluss von Alkohol, Crystal und Kokain, so seine Version des Geschehens. Allerdings habe er keineswegs geplant, den 24-jährigen Kneipenwirt Emrah K. zu erschießen. Vielmehr habe er sich von dem jungen Mann bedroht gefühlt und sei nach den Schüssen weggerannt, ohne sich noch einmal umzuschauen. Vom Tod des Mannes habe er erst am nächsten Tag erfahren. Und: Er bereue die Tat.

Wurde Mariglen M. beschattet?

Nach dem dramatischen Ereignis hatte sich Mariglen M. zunächst ins Ausland abgesetzt. Erst im Oktober 2020 spürten ihn Zielfahnder in Spanien auf, Anfang des Jahres folgte die Auslieferung nach Deutschland.

Während seiner Zeit in Leipzig, so erinnerte sich Mariglen M., sei er angeblich von ominösen Männern an seiner Wohnanschrift observiert worden, auch habe es eine Beschädigung an seiner Wohnungstür gegeben. Selbstschutz sei der Grund, weshalb er eine Waffe bei sich trug.

Den Getöteten will Mariglen M. nicht gekannt haben. Zwar hatten sowohl Täter als auch Opfer Verbindungen ins Drogenmilieu – ein solcher Tathintergrund scheint aber, anders als zunächst spekuliert, derzeit aus Sicht der zuständigen Strafkammer keine Rolle zu spielen.

Anklage wackelt: Mord, Totschlag oder Notwehr?

Statt einer Verurteilung wegen Mordes käme auch eine Einstufung als Totschlag in Betracht, sagte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf am Montag. Die Verteidigung brachte darüber hinaus eine Notwehrsituation ins Spiel: Sein Mandant habe nicht ahnen können, dass Emrah K. keine echte Waffe auf ihn gerichtet hatte, argumentierte Rechtsanwalt Stephan Bonell.

Der Prozess wird fortgesetzt. Es sind aktuell weitere Verhandlungstage bis 30. September geplant.

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9 Jahre mit falscher Identität in Deutschland, warum funktioniert in diesem Bereich die deutsche Bürokratie nicht, Fragen über Fragen? Gruß Thomas

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